Volkszählungen: Kein langwieriges Ausfüllen von Fragebögen mehr  

erstellt am
02. 12. 05

Verfassungsausschuss schafft rechtliche Basis für Registerzählung
Wien (pk) - Das Ausfüllen seitenlanger Fragebögen im Rahmen von Volkszählungen soll endgültig der Vergangenheit angehören. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte - mit geringfügigen Abänderungen - einen Gesetzentwurf der Regierung, dem zufolge Volkszählungen künftig in Form von Registerzählungen durchgeführt werden sollen. Der Beschluss erfolgte mit den Stimmen der Koalitionsparteien, die Opposition äußerte massive datenschutzrechtliche Bedenken.

Mit den Registerzählungen beauftragt wird die Bundesanstalt Statistik Austria. Sie soll, erstmals zum Stichtag 31. Oktober 2010, vorhandene Verwaltungs- und Registerdaten auswerten. Dabei stehen ihr neben den Daten des Zentralen Melderegisters (ZMR) etwa auch das Bildungsstandregister, das Gebäude- und Wohnungsregister, das Unternehmensregister sowie Daten der Sozialversicherungsträger, der Finanzämter und anderer öffentlicher Stellen zur Verfügung. Für 2006 ist eine Probezählung - inklusive einer Stichprobenerhebung durch Befragung - vorgesehen.

Für die Bevölkerung hat die neue Form der Volkszählung insofern Auswirkungen, als künftig bei der behördlichen Erstanmeldung an einem neuen Wohnsitz auch der "Familienstand" anzugeben ist. Überdies müssen die einzelnen Brieffächer in Wohnanlagen in Hinkunft grundsätzlich mit der Türnummer versehen sein - der Name der BewohnerInnen oder sonstiger Adressinhaber wird als nicht ausreichend erachtet. Mittels eines von den Koalitionsparteien eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrags wurden diese Bestimmungen noch präzisiert.

Begründet wird die beabsichtigte Abschaffung der bisherigen Form der Volkszählung mit dem enormen Aufwand, die solche Zählungen verursachen. So sind bei der Volkszählung 2001 etwa 20 Millionen Erhebungsbögen unter Mitwirkung der Gemeinden versandt und eingesammelt worden. Inklusive Vorbereitung und Gemeindeentschädigung haben die Kosten dafür insgesamt rund 72 Mill. Euro betragen.

Wie hoch die Kosten für die künftigen Registerzählungen sein werden, ist den Erläuterungen zufolge erst nach der Probezählung 2006 genauer abschätzbar, sie hängen stark von der Qualität der vorhandenen Verwaltungsdaten ab. Ausdrücklich festgehalten wird, dass einige bisher abgefragte Daten - etwa Religionsbekenntnis, Umgangssprache und Beruf - bei einer Registerzählung nicht erhoben werden können.

Die Ergebnisse der Volkszählungen sind nicht nur für den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden von Bedeutung, sie bilden auch eine wichtige Grundlage für die Verteilung der Nationalratsmandate auf die einzelnen Wahlkreise und für die Zahl der entsendeten Bundesratsmitglieder eines Bundeslandes. Zudem sind die Daten für politische und wirtschaftliche Planungen - etwa in Bezug auf die Sicherung des Pensionssystems oder in Bezug auf die Bewertung von Absatzmärkten - unerlässlich.

Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt und in der Fassung eines Vier-Parteien- Abänderungsantrags einstimmig beschlossen wurde ein Antrag der Grünen zum Volkszählungsgesetz 1950. Es geht dabei um die Streichung einer Verfassungsbestimmung, die die geheime Erhebung der Muttersprache regelt. Zwar sieht die Regierungsvorlage ohnehin das Außerkrafttreten des gesamten Volkszählungsgesetzes 1950 vor, da für das Streichen eines bestimmten Passus aber eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird, wurde dieser aus der Regierungsvorlage herausgenommen und soll nun auf Basis des G-Antrags entfallen.

Darüber hinaus nahm der Verfassungsausschuss mit V-F-Mehrheit einen im Rahmen der Beratungen eingebrachten Gesetzesantrag auf Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes an, der sicherstellen soll, dass zur Verfügung stehende Daten über die Schul- und Berufsbildung aufenthaltsberechtigter Fremder in das Bildungsstandregister aufgenommen werden.

Seitens der SPÖ brachten Abgeordneter Johann Maier, Abgeordnete Elisabeth Grossmann und Ausschussvorsitzender Peter Wittmann massive datenschutzrechtliche Bedenken gegen die neue Art der Volkszählung vor. Seine Fraktion sei nicht prinzipiell gegen eine Registerzählung, betonte Wittmann, der vorliegende Gesetzentwurf ermögliche aber eine datenschutzwidrige Verknüpfung von Daten und personenbezogene Abgleichungen. Unter "dem Deckmantel Volkszählung" erfolge de facto eine Registerbereinigung, ergänzte Abgeordneter Maier. Sowohl Maier als auch seine Fraktionskollegin Grossmann sprachen von einem "Orwell'schen Überwachungsstaat", man ermögliche es dem Innenministerium, zum "Datenspitzel der Republik" zu werden.

Datenschutzrechtliche Bedenken äußerte auch Abgeordnete Terezija Stoisits (G). Zudem wandte sie sich gegen die Angabe des Familienstandes am Meldezettel, insbesondere da nur die Kategorien "verheiratet", "verwitwet", "geschieden" und "ledig" zur Verfügung stünden. Darüber hinaus stellte sich Stoisits die Frage, in welcher Form künftig das Religionsbekenntnis und die Muttersprache erhoben werden.

Die Koalitionsparteien wiesen die Kritik der Opposition zurück. So meinte etwa Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V), die Bedenken der SPÖ seien völlig überzogen. Sie stimme zu, dass Datenschutz ein äußerst wichtiges Gut sei, die von der SPÖ angesprochen Verknüpfungen seien in der befürchteten Form aber nicht möglich. Eine Datenabklärung wird ihr zufolge im Übrigen nur dann erfolgen, wenn es Zweifel an der Richtigkeit der Registerdaten gibt. Abgeordneter Herbert Scheibner (F) gab zu bedenken, dass das Ausfüllen der Fragebögen von der Bevölkerung scharf kritisiert worden sei und diese über Gebühr belastet habe.

Abgeordnete Maria Fekter (V) wies darauf hin, dass die zuständigen Behörden derzeit bei der Führung des Personenstandsregisters größte Schwierigkeiten hätten

Staatssekretär Franz Morak machte geltend, dass auch die seinerzeitigen Fragebögen für Volkszählungen personenbezogene Daten in verknüpfter Form enthalten hätten. Zudem unterstrich er, dass die Stammzahlregisterbehörde nicht Teil des Innenministeriums, sondern eine unabhängige Behörde sei, die der Observation des Datenschutzrates unterliege. Für Morak ist das Modell der bereichsspezifischen Personenkennzahlen in Bezug auf die Geheimhaltung und Anonymisierung von Daten das sicherste Modell, das es gibt. Man solle die Menschen "nicht irre machen", mahnte Morak.
     
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