Verfassungsausschuss schafft rechtliche Basis für Registerzählung
Wien (pk) - Das Ausfüllen seitenlanger Fragebögen im Rahmen von Volkszählungen soll
endgültig der Vergangenheit angehören. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte - mit geringfügigen
Abänderungen - einen Gesetzentwurf der Regierung, dem zufolge Volkszählungen künftig in Form von
Registerzählungen durchgeführt werden sollen. Der Beschluss erfolgte mit den Stimmen der Koalitionsparteien,
die Opposition äußerte massive datenschutzrechtliche Bedenken.
Mit den Registerzählungen beauftragt wird die Bundesanstalt Statistik Austria. Sie soll, erstmals zum Stichtag
31. Oktober 2010, vorhandene Verwaltungs- und Registerdaten auswerten. Dabei stehen ihr neben den Daten des Zentralen
Melderegisters (ZMR) etwa auch das Bildungsstandregister, das Gebäude- und Wohnungsregister, das Unternehmensregister
sowie Daten der Sozialversicherungsträger, der Finanzämter und anderer öffentlicher Stellen zur
Verfügung. Für 2006 ist eine Probezählung - inklusive einer Stichprobenerhebung durch Befragung
- vorgesehen.
Für die Bevölkerung hat die neue Form der Volkszählung insofern Auswirkungen, als künftig bei
der behördlichen Erstanmeldung an einem neuen Wohnsitz auch der "Familienstand" anzugeben ist. Überdies
müssen die einzelnen Brieffächer in Wohnanlagen in Hinkunft grundsätzlich mit der Türnummer
versehen sein - der Name der BewohnerInnen oder sonstiger Adressinhaber wird als nicht ausreichend erachtet. Mittels
eines von den Koalitionsparteien eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrags
wurden diese Bestimmungen noch präzisiert.
Begründet wird die beabsichtigte Abschaffung der bisherigen Form der Volkszählung mit dem enormen Aufwand,
die solche Zählungen verursachen. So sind bei der Volkszählung 2001 etwa 20 Millionen Erhebungsbögen
unter Mitwirkung der Gemeinden versandt und eingesammelt worden. Inklusive Vorbereitung und Gemeindeentschädigung
haben die Kosten dafür insgesamt rund 72 Mill. Euro betragen.
Wie hoch die Kosten für die künftigen Registerzählungen sein werden, ist den Erläuterungen
zufolge erst nach der Probezählung 2006 genauer abschätzbar, sie hängen stark von der Qualität
der vorhandenen Verwaltungsdaten ab. Ausdrücklich festgehalten wird, dass einige bisher abgefragte Daten -
etwa Religionsbekenntnis, Umgangssprache und Beruf - bei einer Registerzählung nicht erhoben werden können.
Die Ergebnisse der Volkszählungen sind nicht nur für den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern
und Gemeinden von Bedeutung, sie bilden auch eine wichtige Grundlage für die Verteilung der Nationalratsmandate
auf die einzelnen Wahlkreise und für die Zahl der entsendeten Bundesratsmitglieder eines Bundeslandes. Zudem
sind die Daten für politische und wirtschaftliche Planungen - etwa in Bezug auf die Sicherung des Pensionssystems
oder in Bezug auf die Bewertung von Absatzmärkten - unerlässlich.
Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt und in der Fassung eines Vier-Parteien- Abänderungsantrags einstimmig
beschlossen wurde ein Antrag der Grünen zum Volkszählungsgesetz 1950. Es geht dabei um die Streichung
einer Verfassungsbestimmung, die die geheime Erhebung der Muttersprache regelt. Zwar sieht die Regierungsvorlage
ohnehin das Außerkrafttreten des gesamten Volkszählungsgesetzes 1950 vor, da für das Streichen
eines bestimmten Passus aber eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird, wurde dieser aus der Regierungsvorlage
herausgenommen und soll nun auf Basis des G-Antrags entfallen.
Darüber hinaus nahm der Verfassungsausschuss mit V-F-Mehrheit einen im Rahmen der Beratungen eingebrachten
Gesetzesantrag auf Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes an, der sicherstellen soll, dass zur
Verfügung stehende Daten über die Schul- und Berufsbildung aufenthaltsberechtigter Fremder in das Bildungsstandregister
aufgenommen werden.
Seitens der SPÖ brachten Abgeordneter Johann Maier, Abgeordnete Elisabeth Grossmann und Ausschussvorsitzender
Peter Wittmann massive datenschutzrechtliche Bedenken gegen die neue Art der Volkszählung vor. Seine Fraktion
sei nicht prinzipiell gegen eine Registerzählung, betonte Wittmann, der vorliegende Gesetzentwurf ermögliche
aber eine datenschutzwidrige Verknüpfung von Daten und personenbezogene Abgleichungen. Unter "dem Deckmantel
Volkszählung" erfolge de facto eine Registerbereinigung, ergänzte Abgeordneter Maier. Sowohl Maier
als auch seine Fraktionskollegin Grossmann sprachen von einem "Orwell'schen Überwachungsstaat",
man ermögliche es dem Innenministerium, zum "Datenspitzel der Republik" zu werden.
Datenschutzrechtliche Bedenken äußerte auch Abgeordnete Terezija Stoisits (G). Zudem wandte sie sich
gegen die Angabe des Familienstandes am Meldezettel, insbesondere da nur die Kategorien "verheiratet",
"verwitwet", "geschieden" und "ledig" zur Verfügung stünden. Darüber
hinaus stellte sich Stoisits die Frage, in welcher Form künftig das Religionsbekenntnis und die Muttersprache
erhoben werden.
Die Koalitionsparteien wiesen die Kritik der Opposition zurück. So meinte etwa Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer
(V), die Bedenken der SPÖ seien völlig überzogen. Sie stimme zu, dass Datenschutz ein äußerst
wichtiges Gut sei, die von der SPÖ angesprochen Verknüpfungen seien in der befürchteten Form aber
nicht möglich. Eine Datenabklärung wird ihr zufolge im Übrigen nur dann erfolgen, wenn es Zweifel
an der Richtigkeit der Registerdaten gibt. Abgeordneter Herbert Scheibner (F) gab zu bedenken, dass das Ausfüllen
der Fragebögen von der Bevölkerung scharf kritisiert worden sei und diese über Gebühr belastet
habe.
Abgeordnete Maria Fekter (V) wies darauf hin, dass die zuständigen Behörden derzeit bei der Führung
des Personenstandsregisters größte Schwierigkeiten hätten
Staatssekretär Franz Morak machte geltend, dass auch die seinerzeitigen Fragebögen für Volkszählungen
personenbezogene Daten in verknüpfter Form enthalten hätten. Zudem unterstrich er, dass die Stammzahlregisterbehörde
nicht Teil des Innenministeriums, sondern eine unabhängige Behörde sei, die der Observation des Datenschutzrates
unterliege. Für Morak ist das Modell der bereichsspezifischen Personenkennzahlen in Bezug auf die Geheimhaltung
und Anonymisierung von Daten das sicherste Modell, das es gibt. Man solle die Menschen "nicht irre machen",
mahnte Morak. |