Die letzten Teilnehmerinnen der WISE-Studie verlassen ihre Betten
Paris (esa) - Wenn eines Tages weibliche Astronauten die ersten Schritte auf dem Mars machen werden,
so werden sie sich vielleicht der 24 Frauen erinnern, die lange Weltraumreisen mit vorbereitet haben, indem sie
sich drei Monate lang – davon zwei in strenger Bettruhe – der Weltraumwissenschaft zur Verfügung stellten.
Zwei verschiedene Gruppen mit je 12 freiwilligen Frauen aus 8 europäischen Staaten (Deutschland, Finnland,
Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Polen, Tschechien und der Schweiz) haben von März bis Mai und
erneut von September bis November an der Internationalen Forschungsstudie an Frauen zur Weltraumsimulation (WISE)
teilgenommen, die gemeinsam von der Europäischen Weltraumorganisation ESA, der französischen Raumfahrtagentur
CNES, der kanadischen Raumfahrtagentur CSA und der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA organisiert
wurde. Ihrer 60-tägigen anspruchsvollen Bettruhestudie stellten sich die Frauen in der MEDES-Weltraumklinik
im Rangueil-Krankenhaus in Toulouse (Frankreich), wo sie zwei Monate lang bei allen täglichen Verrichtungen
in Betten liegen mussten, deren Kopfende um 6° gegenüber der Horizontalen abgesenkt war, so dass sie mit
dem Kopf etwas tiefer als mit den Füßen lagen. Diese ungewöhnliche Position bewirkt ähnliche
physiologische Veränderungen wie die Schwerelosigkeit bei Astronauten.
Die letzten Testpersonen der zweiten WISE-Versuchsreihe haben ihr Bett am 30. November verlassen und werden nun
bis zum 20. Dezember Rehabilitationsmaßnahmen und medizinischen Tests unterzogen, die bereits während
der ersten Versuchsreihe zu Vergleichszwecken durchgeführt wurden.
MEDES, das französische Institut für Weltraummedizin und Physiologie, hat die Testpersonen ausgewählt
und stellt die medizinischen und technischen Mitarbeiter sowie die Pflegekräfte, die zur Untersuchung der
umfangreichen wissenschaftlichen Versuche nötig sind.
Hauptziel der WISE-Studie ist die Bewertung der Rolle der Ernährung in Verbindung mit sportlicher Betätigung
an entsprechenden Geräten zur Entwicklung möglicher Maßnahmen gegen die negativen Auswirkungen
längerer Aufenthalte in der Schwerelosigkeit, wie sie auch von künftigen Astronauten auf ihren Explorationsflügen
in neue Welten ergriffen werden müssen.
Die Auswertung der während der WISE-Studie von internationalen Wissenschaftler-Teams gesammelten Daten wird
unsere Kenntnisse in den Bereichen Blutwerte, Zustand der Muskeln, des Herz-Kreislauf-Systems, Motorik, Veränderungen
der endokrinen Drüsen und des Immunsystems, Stoffwechsel, Knochenzustand und psychologisches Wohlbefinden
vertiefen. Dieses neue Wissen wird nicht nur der künftigen bemannten Raumfahrt, sondern auch unserem Alltag
auf der Erde zugute kommen, etwa der Vorbeugung einiger Herz-Kreislaufkrankheiten oder der Behandlung von Osteoporose,
von Folgeschäden langer krankheitsbedingter Bettruhe und des so genannten metabolischen Syndroms, von dem
Millionen unter Bewegungsmangel leidende Menschen betroffen sind.
12 wissenschaftliche Teams aus 11 verschiedenen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Italien, Kanada, Niederlande, Schweden, Schweiz und USA) sind an der Studie beteiligt. Mit
der Analyse der Daten und der Veröffentlichung der Ergebnisse werden sie noch mehrere Monate lang beschäftigt
sein. Daten über die Testpersonen werden zur Beantwortung weiterer wissenschaftlicher Fragen im Rahmen der
Nachbereitung der Studie auch in den kommenden drei Jahren gesammelt.
„Die WISE-Studie konnte nun erfolgreich abgeschlossen werden und ich hoffe, dass auch in Zukunft so umfassende
Studien mit solch breiter internationaler Beteiligung durchgeführt werden“, so Didier Schmitt, Leiter der
Gruppe für Lebenswissenschaften in der ESA-Direktion für Bemannte Raumfahrt, Schwerelosigkeitsforschung
und Exploration. „Planungen für künftige Forschungsreihen sind bereits im Gange, darunter Vorbereitungen
für ein Programm mit Bettruhestudien für die kommenden drei Jahre, das kurz-, mittel- und langfristige
Bettruhestudien mit jeweils 5, 21 bzw. 60 Tagen Dauer vorsieht. Ein sich über diesen Zeitraum erstreckendes
Forschungsvorhaben dürfte in Kürze im Rahmen des Europäischen Programms für lebenswissenschaftliche
und physikalische Grundlagen- und angewandte Forschung im Weltraum (ELIPS) bekannt gegeben werden. Zwei weitere
Studien, die im Rahmen des ESA-Programms zur Förderung von Anwendungen der Mikrogravitation (MAP) ausgewählt
worden waren, sind in Berlin sowie beim DLR in Köln geplant. Ihre Finanzierung, die ebenfalls über das
ELIPS-Programm läuft, muss jedoch noch genehmigt werden.“
Zum Abschluss der WISE-Studien 2005 veranstalten die ESA, das CNES und das MEDES-Institut am 13. Dezember in der
Cité de l’Espace in Toulouse eine Pressekonferenz, an der auch Vertreter der NASA und der CSA, Wissenschaftler
und einige Teilnehmerinnen selbst zugegen sein werden. |