EU-Kommission schlägt modernere Regel für Fernsehen und fernsehähnliche Dienste
im Digitalzeitalter vor
Brüssel (eu-int) - Angesichts der rasanten Entwicklung der Technik und der Märkte im audiovisuellen
Bereich in Europa hat die Kommission am Dienstag (13. 12.) einen Vorschlag zur Neufassung der aus dem Jahr
1989 stammenden Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ vorgelegt. Ganz im Einklang mit dem Grundsatz der „besseren
Rechtssetzung“ will sie damit weniger Regulierung für europäische Fernsehveranstalter und Anbieter fernsehähnlicher
Dienste und mehr Flexibilität für die Finanzierung audiovisueller Inhalte durch neue Formen der Werbung
erreichen. Der Vorschlag schafft außerdem gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen, die fernsehähnliche
Dienste anbieten, unabhängig von der genutzten Technik (z. B. Rundfunk, schnelles Breitband-Internet, Mobilfunk
der 3. Generation). Die Kommission schlägt vor, die zahlreichen einzelstaatlichen Vorschriften für den
Jugendschutz, gegen die Aufstachelung zum Rassenhass und gegen Schleichwerbung endlich durch EU-weit einheitliche,
grundlegende Mindestnormen für audiovisuelle Abrufdienste zu ersetzen. Diese neue Politik soll das Entstehen
eines nahtlos funktionierenden Binnenmarktes für Fernsehdienste und fernsehähnliche Dienste beschleunigen
und eine starke und kreative europäische Inhaltsproduktion fördern.
„Mein Ziel ist es, die weltweit modernsten und flexibelsten Rahmenbedingungen zu schaffen, um so das Wachstum der
audiovisuellen Medien in Europa beizutragen zu fördern“, erklärt Viviane Reding, die für die Informationsgesellschaft
und Medien zuständige EU-Kommissarin. „Die neuen Regeln eröffnen neue multimediale Chancen, verbessern
den Wettbewerb und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und erleichtern die Verwirklichung der Ziele, die
im Interesse der Allgemeinheit liegen, z. B. im Hinblick auf den Jugendschutz und die kulturelle Vielfalt. Bestehende
Vorschriften, die durch die Technologie- und Marktentwicklung überflüssig geworden sind, werden aufgehoben.
Dies ist ein entscheidender Schritt zur Schaffung audiovisueller Medien ohne Grenzen innerhalb des europäischen
Binnenmarkts.“
Nach dem heute vorgelegten Kommissionsvorschlag soll die modernisierte Fernsehrichtlinie sowohl für das Fernsehen
als auch für fernsehähnliche Dienste gelten. Um die derzeitigen EU-Vorschriften für künftige
technologische Entwicklungen zu öffnen, wird in dem Vorschlag zwischen „linearen“ Diensten (z. B. Sendungen
über das traditionelle Fernsehen, das Internet oder den Mobilfunk, die den Zuschauer nach Programmplan laufend
mit Inhalten versorgen) und „nicht-linearen Diensten“, d. h. dem Abruf von Filmen oder Nachrichten, die sich der
Zuschauer selbst aus dem Netz holt.
Für lineare Dienste würden die heutigen Fernsehvorschriften – in moderner, flexiblerer Form – weiter
gelten. Für nicht-lineare Dienste sollen dagegen nur minimale Grundvorschriften festgelegt werden, z. B. für
den Jugendschutz und gegen die Aufstachelung zum Rassenhass und zur Verhinderung von Schleichwerbung. Dank EU-weit
einheitlicher Regeln werden die Anbieter audiovisueller Mediendienste künftig nur noch den Vorschriften des
Mitgliedstaats unterliegen, in dem sie niedergelassen sind, und nicht mehr den vielfältigen Vorschriften all
der Mitgliedstaaten, in denen ihre Dienste empfangen werden können.
Flexiblere Vorschriften für die Werbung
Für die Fernsehwerbung empfiehlt die Kommission Bürokratieabbau, flexiblere Vorschriften für neue
Formen der Werbung und eine verstärkte Selbst- und Mitregulierung. Anstelle der überaus detaillierten
Vorschriften darüber, wie oft und unter welchen Voraussetzungen ein Programm durch Werbung unterbrochen werden
darf, soll die neu gefasste Richtlinie die Regeln vereinfachen. Künftig könnten die Fernsehveranstalter
dann selbst entscheiden, wann sie Werbung in ihr laufendes Programm einfügen wollen, anstatt wie jetzt zwischen
den Werbeunterbrechungen mindestens 20 Minuten zu warten. Die Gesamtdauer der Werbung darf dadurch allerdings nicht
zunehmen, da die Kommission vorschlägt, die bestehende Begrenzung von 12 Minuten pro Stunde beizubehalten.
Die neue Richtlinie würde auch neue Formen der Werbung wie geteilte Bildschirme, virtuelle und interaktive
Werbung zulassen. Erstmalig soll eine explizite Begriffsbestimmung und ein klarer rechtlicher Rahmen für die
Produktplatzierung geschaffen werden. Außer in den Nachrichten, in Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen
und in Kinderprogrammen würde die deutlich gekennzeichnete Produktplatzierung dadurch europaweit sowohl in
linearen wie auch nicht-linearen audiovisuellen Diensten erlaubt werden. Um Schleichwerbung zu verhindern, müssten
die Verbraucher zu Beginn einer Sendung auf die Produktplatzierung hingewiesen werden. Dank dieser neuen Regeln
wird nicht nur Rechtssicherheit geschaffen, es werden auch zusätzliche Finanzierungsquellen für europäische
Produktionen erschlossen, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit der audiovisuellen Inhalte und Medien in Europa
gestärkt wird.
Im Einklang mit den Bemühungen der Kommission um eine bessere Rechtsetzung bleiben der private Schriftverkehr,
elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften, Websites, die nicht hauptsächlich der Verbreitung
audiovisueller Medieninhalte dienen, sowie reine Tonübertragungen und das Radio von der vorgeschlagenen Modernisierung
der Fernsehrichtlinie unberührt. Damit trägt die Kommission den Stellungnahmen Rechnung, die im Rahmen
der im Juli 2005 begonnenen intensiven, EU-weiten Konsultation (siehe IP/05/908) eingegangenen waren. Daran hatten
sich Vertreter des audiovisuellen Sektors, Telekommunikationsunternehmen, Internet-Diensteanbieter, Verbraucherverbände
und andere Interessengruppen aktiv beteiligt.
Die Modernisierung der EU-Vorschriften über audiovisuelle Medieninhalte ist Teil der i2010-Initiative zur
Schaffung einer europäischen Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung |