Wien (wifo) - Österreichs Wirtschaft wird im Jahr 2006 real um 2,4% wachsen. Export und Investitionen
tragen die Konjunkturerholung. Hingegen kann sich die Konsumnachfrage der privaten Haushalte kaum aus ihrer Schwäche
lösen. Der Preisauftrieb verlangsamt sich, das ermöglicht eine mäßige Ausweitung der Realeinkommen.
Die Aufstockung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik verhindert eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit,
trägt zusammen mit anderen Ausgabensteigerungen allerdings auch zu einem Anstieg des Budgetdefizits bei.
Die heimische Exportwirtschaft belebt sich seit dem Sommer 2005 merklich. Österreich ist vor allem als Zulieferer
zur Industrie in Deutschland und den anderen europäischen Ländern begünstigt, die bei anhaltend
starker Weltkonjunktur von steigenden Auftragseingängen aus den erdölproduzierenden Ländern und
der Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar profitiert. Das Wachstum des Warenexports sollte sich im Jahr
2006 aufgrund zusätzlicher Impulse aus Deutschland weiter beschleunigen und real +6½% erreichen. Die
Anhebung des allgemeinen Satzes der Mehrwertsteuer von 16% auf 19% mit 1. Jänner 2007 wird umfangreiche Vorziehkäufe
an dauerhaften Konsumgütern, vor allem an Pkw, auslösen. Wegen des Booms der deutschen Autohersteller
wird Österreichs erfolgreiche Zulieferindustrie wesentlich höhere Auftragseingänge verzeichnen.
Somit könnte die Wertschöpfung der heimischen Sachgütererzeugung im Jahr 2006 um real 4,3% steigen.
Für den weiteren Konjunkturverlauf ist entscheidend, ob sich die Gewinne der Exportunternehmen in einer Ausweitung
der Investitionstätigkeit niederschlagen. Für diese Entwicklung sind erste Anzeichen zu beobachten: Gemäß
dem WIFO-Investitionstest vom Herbst 2005 hat sich in der Kfz- und Stahlindustrie ebenso wie im Maschinen- und
Anlagenbau die Stimmung gedreht, die Unternehmen schieben Investitionsprojekte nicht weiter auf, sondern planen
deren Umsetzung. Die Ausrüstungsinvestitionen könnten im Jahr 2006 um 3% höher sein als im Vorjahr.
Auch die Bauwirtschaft beurteilt ihre Auftragslage optimistisch, die Bauinvestitionen dürften im Jahr 2006
um 2,5% zunehmen.
Die gegenwärtige Konjunkturerholung kann in einen Konjunkturaufschwung übergehen, wenn auch Einkommen
und Konsumnachfrage der privaten Haushalte von der Aufwärtstendenz erfasst werden. Dafür gibt es aber
bislang noch keine Anzeichen, wenngleich das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel günstig verlaufen sein
dürfte. Der reale Konsum der privaten Haushalte wuchs seit dem Jahr 2000 um nur 1% pro Jahr, halb so rasch
wie im langfristigen Durchschnitt. Das war vor allem auf schwache Reallohnsteigerungen und den Anstieg der Sparquote
zurückzuführen – sie erreichte im Jahr 2005 9,4% der verfügbaren Einkommen. In den Jahren 2006 und
2007 dürfte die Konsumnachfrage um knapp 2% über dem Vorjahreswert liegen – zu wenig, um einen kräftigen
Beitrag zum Wirtschaftswachstum zu leisten. Begünstigt wird die leichte Verbesserung im Konsum von etwas höheren
Lohnabschlüssen und einer Verlangsamung des Preisauftriebs. Die Inflationsrate wird 2006 und 2007 bei jeweils
1,9% liegen, sofern sich die Rohölnotierungen auf den Weltmärkten wie erwartet beruhigen. Eine Übertragung
des Anstiegs der Energiepreise auf die Preise anderer Güter und Dienstleistungen ist bislang nicht zu verzeichnen.
Die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten erhöht sich weiter kräftig (2006 +34.000). Die
Hälfte des Zuwachses entfällt auf ausländische Arbeitskräfte. Weiterhin steigt vor allem die
Zahl der Arbeitsplätze für Frauen in Dienstleistungsbranchen, überwiegend in Teilzeitform. Allerdings
entwickelt sich die Beschäftigung auch in typischen Männerbranchen mit Vollzeitarbeitsplätzen günstiger:
In der Bauwirtschaft nimmt die Beschäftigung erstmals seit 1997 zu. In der Sachgütererzeugung werden
im Jahr 2006 nur wenige Arbeitsplätze verloren gehen, der beträchtliche Produktionszuwachs wird mit einer
starken Steigerung der Stundenproduktivität (+4½% pro Jahr) bewältigt. Für das Jahr 2006
ist eine Aufstockung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik um ein Drittel vorgesehen. In der Folge wird
sich die Zahl der Schulungsteilnahmen um etwa 10.000 im Jahresdurchschnitt erhöhen. Die verbesserte Qualifizierung
von Arbeitslosen, vor allem der Problemgruppen Wiedereinsteigerinnen und Jugendliche, ist wichtig und sollte über
das Jahr 2006 hinaus fortgeführt werden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Schulungen werden nicht als arbeitslos
gezählt, deshalb wird die Arbeitslosenquote nicht weiter steigen. Sie verharrt auf dem hohen Niveau von 7,2%
der unselbständigen Erwerbspersonen laut traditioneller österreichischer Berechnung bzw. 5,2% der Erwerbspersonen
laut Eurostat.
Quelle: WIFO
Autor: Markus Marterbauer |