Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in Bleiburg  

erstellt am
30. 12. 05

Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt muss Aufstellung veranlassen
Verfassungsgerichtshof: Verordnung der Bundesregierung ist dafür keine Voraussetzung
Wien (vfgh) - Der Verfassungsgerichtshof hat sein Verordnungs-Prüfungsverfahren betreffend Ortstafeln Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf (Kärnten) abgeschlossen. Auf Grundlage seiner ständigen Rechtsprechung und in Auseinandersetzung mit den von der Kärntner Landesregierung im Verfahren vorgetragenen Argumenten ist der Verfassungsgerichtshof zu folgenden Ergebnissen gelangt:

  1. Die beiden Ortstafeln sind aufgrund eines Anteils slowenisch sprechender Wohnbevölkerung, der über einen längeren Zeitraum betrachtet mehr als 10 Prozent beträgt, in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen.
  2. Die entsprechenden Bestimmungen jener Verordnung, die dieses Ortsgebiet lediglich in deutscher Sprache festlegen (und damit die Verordnung nur in deutscher Sprache kundmachen), wurden als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung ist von der Kärntner Landesregierung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
  3. Der Verfassungsgerichtshof hat eine Frist zur Reparatur bis zum 30. Juni 2006 gesetzt, damit die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes folgend die Ortsbezeichnung in deutscher und slowenischer Sprache festlegt und kundmacht.
  4. Um (weiteren) Missverständnissen bei der an und für sich ohnehin eindeutig zu beantwortenden Frage, für wen ein Handlungsbedarf für die Anbringung zweisprachiger Ortstafeln besteht, vorzubeugen, haben die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter in ihrem aktuellen Erkenntnis folgendes festgehalten (Seite 30):

"Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Z 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/2001, S 1032, Pkt. 4.3. und 6.) Daraus ergibt sich für die Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht, bei der Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese - solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt - von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen."


 

Jüngstes VfGH-Erkenntnis für LH Haider nicht vollziehbar
Gespräch zwischen BK Schüssel, LH Haider und betroffenen Bürgermeistern am 13. Jänner in Wien - LH Haider für geheime Volksgruppenerhebung
Klagenfurt (lpd) - Das jüngste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) in der Kärntner Ortstafelfrage wies Landeshauptmann Jörg Haider am Freitag (30. 12.) als von Kärnten nicht vollziehbar zurück. Dem Erkenntnis würde die Rechtsgrundlage fehlen, da das Volksgruppengesetz unvollständig sowie Topographieverordnung und Topographiebezeichnung nicht vorhanden seien. Haider kritisierte zudem, dass "grobe" Volkszählungsergebnisse vom VfGH als Grundlage herangezogen werden. Vielmehr sollte es eine geheime Erhebung der Volksgruppenzugehörigkeit in den betroffenen Gemeinden geben, plädierte Haider. Er bekräftigte außerdem, dass in der "sehr demokratischen Frage" um die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln die Bevölkerung einzubinden sei.

In Richtung VfGH-Präsident Karl Korinek meinte Haider, dass es nicht Aufgabe eines VfGH-Präsidenten sei, politische Aussagen zu treffen. Das jüngste VfGH-Erkenntnis würde Rechtsbrecher belohnen, meinte der Landeshauptmann in Bezug auf die Schnellfahr-Aktionen eines Slowenenvertreters im Ortsgebiet. Zudem sei es nicht zulässig, dem Bezirkshauptmann die Umsetzung des Erkenntnisses "in den Rucksack zu packen", wie es Korinek fordere. Der Bezirkshauptmann wäre so nämlich gezwungen, gegen Gesetz und Verordnung zu handeln, erklärte Haider. Er hielt daran fest, dass laut Artikel 146 des Bundesverfassungsgesetzes der Antrag auf Exekution beim Bundespräsidenten zu stellen sei.

Mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel habe er vereinbart, am 13. Jänner 2006 die Bürgermeister der zehn betroffenen Kärntner Gemeinden zu einem Ortstafel-Gespräch nach Wien einzuladen. Eine Lösung der Ortstafelfrage müsste in jedem Fall auch die Gleichbehandlung von deutsch- und slowenischsprachigen Vereinen in Bezug auf die Kulturförderung sowie eine Neufassung des Minderheitenschulgesetzes umfassen. Derzeit seien nämlich deutschsprachige Kinder im Regelunterricht durch unterschiedliche Klassenteilungsziffern benachteiligt. Auch sollte die Endgültigkeit dieser Lösung per Verfassungsbestimmung festgelegt werden.

Haider sprach sich außerdem für eine geheime Erhebung der Volksgruppenzugehörigkeit aus. Damit könnte eine klare Grundlage geschaffen werden. Die bisher vom VfGH verwendeten Volkszählungsergebnisse seien großen Schwankungen ausgesetzt und keine Grundlage für dauerhafte Entscheidungen. Dies würden auch der Kärntner Verfassungsdienst und das Statistische Zentralamt bestätigen. Als Beispiel führte der Landeshauptmann die Ortschaft Bleiburg-Ebersdorf an. Hier sei laut Volkszählung der Volksgruppenanteil zwischen 1961 und 1971 von 6,9 auf 17 Prozent angestiegen, obwohl die Einwohnerzahl im selben Zeitraum von 418 auf 385 gesunken sei. Haider führte dies auch auf die Messmethodik zurück.

Wichtig sei es, das Thema Ortstafeln nicht im Widerstand gegen die Bevölkerung durchzubringen, betonte Haider. Daher sollte ein Weg gefunden werden, die Meinungsbildung in der Bevölkerung zu erheben. Sollte in der Kärntner Ortstafelfrage bis Juni 2006 keine politische Lösung gefunden werden, kann sich der Landeshauptmann auch das Aufstellen von Ortstafeln ohne jegliche Bezeichnung vorstellen. Zusätzlich sollte noch an allen Ortseinfahrten eine 50km/h-Tafel angebracht werden, um die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung deutlich zur Kenntnis zu bringen.

 

 Wittmann: Auch Haider muss sich an Gesetze halten
Wittmann fordert umgehende Stellungnahme von Schüssel - Kanzler muss Haider zur Räson bringen
Wien (sk) - Als "skandalös" bezeichnete SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann die Klagsdrohungen des Kärntner Landeshauptmanns Haider gegen VfGH-Präsident Korinek im Zusammenhang mit dem jüngsten Ortstafel-Erkenntnis. "Auch ein Landeshauptmann untersteht dem Gesetz und hat aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtungen ein VfGH-Urteil zu erfüllen", hielt Wittmann am Donnerstag (29. 12.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst fest. Mit seinen Aussagen stelle sich Haider außerhalb des Gesetzes und offenbare nicht zum ersten Mal sein "gestörtes Verhältnis" zum Rechtsstaat.

Wittmann verlangt außerdem eine umgehende Stellungnahme von Kanzler Schüssel, denn immerhin sei Haider einer der maßgeblichen Repräsentanten von Schüssel Regierungspartner BZÖ. "Schüssel muss Haider zur Räson bringen und sich klar und deutlich von dessen unerträglichen Äußerungen distanzieren. Denn es kann in einem Rechtsstaat nicht angehen, dass ein Landeshauptmann durch Einschüchterung von Höchstrichtern den Rechtsstaat beugen will", betonte Wittmann abschließend.

 

Stoisits: Schüssel und Haider begehen permanenten Verfassungsbruch
Grüne fordern umgehende Ortstafelverordnung und das Aufstellen fehlender Ortstafeln
Wien (grüne) - "Schüssels neuerliche Einladung zu einer Konsenskonferenz soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es seine Verpflichtung ist, die österreichische Bundesverfassung einzuhalten, den Rechtsstaat zu wahren und die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) umzusetzen", so die Justizsprecherin der Grünen, Terezija Stoisits. "Die Grünen begrüßen jede Initiative die gesetzt wird, aber sie darf niemals als Ausrede benutzt werden, denn es gibt nur zwei Verantwortliche für den permanenten Verfassungsbruch und das sind der Bundeskanzler und der Landeshauptmann von Kärnten", stellt Stoisits fest.

Die Grünen fordern Kanzler Schüssel auf, umgehend eine Ortstafelverordnung im Sinne der beiden Erkenntnisse von 2001 und 2005 zu erlassen und wir fordern Landeshauptmann Haider auf, umgehend die fehlenden Ortstafeln aus der Ortstafelverordnung von 1977 aufzustellen. "Wenn Schüssel und Haider das was bisher schon ihre Verpflichtung ist nicht tun, dann sind sie diejenigen die Rechtsbruch begehen", so Stoisits.

"Die Grünen haben einen ganz klaren Standpunkt: Der Staatsvertrag von Wien, der Verfassungsrecht in Österreich ist, ist die Magna Charta der Minderheitenrechte in Österreich, er ist eine völkerrechtliche Verpflichtung und steht nicht zur Disposition. Jeder Vorschlag, neue Verfassungsgesetze zu erlassen, wie von LH Haider erhoben, dienen nur der Verschleierung der wahren Absicht, nämlich den Staatsvertrag zu brechen", schließt Stoisits.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

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