2005 gutes Jahr für heimische Industrie und Standort  

erstellt am
30. 12. 05

IV-Präsident Sorger: BIP-Wachstum 2005 über 2 Prozent, Wachstum der Industrie darüber
Wien (PdI) - „Für die österreichische Industrie und für den Wirtschaftsstandort Österreich war 2005 ein grosso modo gutes Jahr“, erklärte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Dr. Veit Sorger am Mittwoch (28. 12.) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Generalsekretär Mag. Markus Beyrer im Wiener Haus der Industrie. Die Einschätzung der Wirtschaftslage durch die IV habe sich als zutreffend erwiesen. Das BIP-Wachstum werde 2005 noch besser aussehen als noch vor kurzem prognostiziert. „Der 2er wird für 2005 vor dem Komma stehen“, so Sorger, der darauf hinwies, dass auch IHS und WIFO in der vergangenen Woche ihre Prognosen deutlich nach oben revidiert hätten.

„Hauptmotor des Wachstums bleibt die Industrie und jene Unternehmen, die in Mittel- und Osteuropa hochaktiv sind“, so Sorger. Österreich sei Investor Nr. 1 in Kroatien, Slowenien, Bulgarien, Rumänien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro. In der Slowakei, in Tschechien und in Ungarn liege man auf dem dritten Platz. „Diese Verflechtung ist wirtschaftlich besonders wichtig und das politische Hauptasset Österreichs in der internationalen Wahrnehmung“, betonte der IV-Präsident anlässlich seiner jüngsten Arbeitsbesuche in den USA, der Türkei und mehreren europäischen Ländern weiter.

IV begrüßt Fortschritte bei F&E - Österreich unter Top 5-Innovations-standorte Europas katapultiert
Der IV-Präsident verwies darauf, dass Österreich der Hauptprofiteur der EU-Erweiterung sei. „Unbestritten sind auch eine Reihe von standortpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre, die mitgeholfen haben, dass Österreichs Wachstumsperformance über jener des Europäischen Durchschnitts liegt.“ Besonders erfreulich seien die großen Fortschritte in der Forschungs- & Entwicklungs- bzw. Innovationspolitik. „Österreich hat sich damit - wie es die IV im Jahr 2001 als Ziel formuliert hat - unter die Top 5 Innovationsstandorte Europas katapultiert“, betonte Sorger unter Verweis auf das aktuelle Ergebnis des Innovation Scoreboards der Europäischen Kommission.

Für die österreichische Industrie hob der IV-Präsident aus dem Jahr 2005 die am 1. Mai beschlossene zusätzliche Forschungsmilliarde und die 8% Forschungsprämie auf angewandte Forschung besonders positiv hervor. Diese könne sofort nach dem Geschäftsjahr geltend gemacht werden. Ebenso positiv aus Sicht der Industrie im Jahr 2005 seien die zusätzlichen 300 Mio. Euro für die Infrastruktur gewesen. „Das kann aber, ebenso wie die 10 Mio. Euro zusätzlich für den Breitbandausbau, nur ein erster Schritt gewesen sein“, betonte Sorger. Das erzielte politische Bekenntnis zum Bau neuer Kraftwerke sei „eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung der Versorgungssicherheit in Österreich“, die Plafondierung der Ökostromförderung in den kommenden Jahren habe eine zusätzliche Kostenexplosion bei den Energiekosten verhindert.

Vertreibung der chemischen Industrie aus Europa verhindert
Als weitere positive Punkte für die heimische Industrie nannte Sorger die Sanierung des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes im Interesse eines funktionierenden und leistungsfähigen österreichischen Kapitalmarkts, die unternehmensfreundliche Umsetzung der Biopatent-Richtlinie in österreichisches Recht sowie auf europäischer Ebene „die Verhinderung der Vertreibung der chemischen Industrie aus Europa durch eine Kompromiss bei der EU-Chemikalienpolitik - besser bekannt als REACH“.

Die zahlreichen erfreulichen Ergebnisse könnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, „dass viele Industrieunternehmen - insbesondere jene, die noch nicht in ausreichendem Ausmaß internationalisieren konnten, ein schwierigeres Jahr zu bewältigen hatten. Hohe Lohnrunden und hohe Energiepreise, überdimensionierte Belastungen aus überzogenen ökologischen Vorgaben treffen dieses Unternehmen frontal“, betonte Sorger. Hier müssten aus Sicht der IV weitere Entlastungsmaßnahmen gesetzt werden bzw. muss gegengesteuert werden, sagte der IV-Präsident.

Österreichs führende Experten und Unternehmer: Makroökonomisches Umfeld und Bildungspolitik im Aufwärtstrend
Generalsekretär Markus Beyrer erläuterte die jüngsten Ergebnisse des im Sommer geschaffenen neuen IV-Standortbarometers Panel 50. Dieses gibt die Einschätzung von mehr als 50 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft & Forschung, Verbänden, Industrie und Finanzsektor zu zwölf Themenfeldern von makroökonomischem Umfeld bis zu Umwelt & Umweltschutz wieder. Gegenüber dem Vorquartal werde das makroökonomische Umfeld besser eingeschätzt, die öffentliche Hauhaltsentwicklung schlechter, so Beyrer. „Noch bessere Quoten als im Vorquartal erhält die F&E Politik, wieder ins Positive drehte die Einschätzung der Bildungspolitik.“ Leichte Verbesserung werde bei Entbürokratisierung für Unternehmen und Marktliberalisierung zugebilligt, die Umweltkosten dafür weiter schlechter beurteilt.

„Im Bereich Arbeitsmarkt schlagen die hohen Lohnabschlüsse vor allem bei der Industrie negativ zu Buche, bei der Einschätzung des Sozialsystems die Lohnnebenkosten", so Beyrer weiter. Positiv werde im Gegenzug die Entwicklung des Kapitalmarktes bewertet. Eine leichte Erholung - allerdings nach wie vor im negativen Bereich - gebe es bei der Infrastruktur. Besonders negativ werde die Energiekostenentwicklung eingeschätzt, positiv die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur. „Weiter negativ eingeschätzt wird der Bereich ‚Sozialkapital’, d.h. insbesondere die Einstellung der Bevölkerung zu Liberalisierung und Globalisierung sowie das Vertrauen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern“, sagte der IV-Generalsekretär. Offensichtlich wirke hier die Lohnrunde, die Verweigerung der Gewerkschaften in Sachen Arbeitszeit-Flexibilität und explizit die Streikdrohung der Gewerkschaften in Zusammenhang mit der Postprivatisierung nach.

IV nimmt Internationalisierungs- und Globalisierungsskepsis ernst und verstärkt pro-europäische Bemühungen
Angesichts der derzeitigen starken Europaskepsis der Österreicherinnen und Österreicher betonte Beyrer, die Industriellenvereinigung „nimmt die Skepsis der Menschen gegenüber Internationalisierung und Globalisierung ernst. Was wir in Österreich zur Überwindung der Skepsis brauchen, ist mehr Interesse am internationalen Wirtschaftsgeschehen, mehr Bereitschaft, in die eigene employability zu investieren und eine Verbesserung unserer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere Wachstum und Beschäftigung. Wenn wir international bestehen wollen brauchen wir auch mehr Europa“, sagte der IV-Generalsekretär. Ein wirtschaftlich starkes Europa sei der beste Garant für einen lebenswerten Kontinent und könne die Globalisierung im Sinne der Menschen gestalten.

Die Industriellenvereinigung übernehme mit Jahreswechsel parallel zur österreichischen EU-Präsidentschaft für ein halbes Jahr den Vorsitz im europäischen Industrie- und Arbeitgeberdachverband UNICE. Auf nationaler Ebene werde man 2006 - im Sinne des „Geistes von 1994“ am Vorabend des Referendums zum EU-Beitritt - an alle Organisationen und Meinungsbildner „guten Willens“ herantreten, um kritisch aber konstruktiv für ein Österreich in Europa zu werben, so Beyrer weiter. „Wir appellieren insbesondere an die Arbeitnehmervertretungen, der Versuchung zu widerstehen, angesichts der Nationalratswahl 2006 in dumpfen Anti-Europa-Populismus zu verfallen. Arbeitnehmern und Arbeitgebern sollte gleichermaßen bewusst sein: Europa - richtig gemacht - ist die Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung.“ Als inhaltliche Grundlage des Angebots der IV zur Zusammenarbeit liege das Thesenpapier „Kapital Europa“ vor.

Besonders wirtschaftsrelevante Entscheidungen im Jahr 2006
In seinem Ausblick auf das kommende Jahr sagte Präsident Sorger, 2006 stünden eine Reihe besonders wirtschaftsrelevanter Entscheidungen und Entwicklungen an. In Zusammenhang mit der EU-Präsidentschaft werde Österreich beim EU-Budget mithelfen müssen, „dass das Budget auch im Detail der Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung entspricht und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Das heißt auch: Massive Erhöhung der Ausgaben für Forschung & Entwicklung, Infrastruktur und Bildung. Die Beteiligung der Industrie am 7. Rahmenprogramm für Forschung & Entwicklung muss erhöht werden“, betonte Sorger.

Die Industrie erwarte sich gleichzeitig mehr Mittel für den Ausbau der Infrastruktur. Das Gewicht müsse auf grenzüberschreitende Projekte und deren Kofinanzierung bis zu 50% gelegt werden. „Bei der Entbürokratisierung brauchen wir spürbare Schritte inklusive einer echten Gesetzesfolgeabschätzung auf nationaler Ebene“, sagte der IV-Präsident. Auf europäischer Ebene sollten die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien - wo Österreich größter Auslandsinvestor sei - „effizient und zügig“ gestaltet werden. Fortschritte erwartet sich Sorger auch bei der EU - Arbeitszeitrichtlinie. Zum Bereich Klimaschutz sagte er, „es darf nicht noch einmal passieren, dass Europa wieder einseitige Vorleistungen für die Zeit nach 2012 eingeht!“

Klare Erwartungen der Industrie an nächste Bundesregierung: „Kein Rückfall in eine Welt des Protektionismus und des Schlendrians“
„Was die nächste Bundesregierung betrifft, sind die Erwartungen der Industrie ebenfalls klar: Kein Rückfall in eine Welt des Protektionismus und des Schlendrians, sondern weiter ein offensives Herangehen an die Herausforderungen der Globalisierung“, betonte der IV-Präsident. Forschung & Entwicklung, Innovation, Bildung und Infrastruktur - „die klassischen Wertschöpfungsfaktoren“ - sowie eine echte Verwaltungsreform und Ent-Bürokratisierung und Effizienzsteigerung im öffentlichen Sektor seien die Herausforderung jeder neuen Regierung.

Zum Steuerbereich sagte Sorger, hier brauche man „eine Entlastung der Leistungsträger und des unternehmerischen Mittelstandes“. Darüber hinaus erwarte sich die Industrie ein Basel II-Begleitpaket, das die Unternehmensfinanzierung von Steuerbelastungen befreit. „Besonders notwendig ist daher die Abschaffung von Gesellschaftssteuer, Kredit- und Darlehensgebühr und Mindest-KöSt.“ Die geltenden Erleichterungen für Vererbung und Schenkung von Betriebsvermögen und Beteiligungen seien „unzureichend“. Ein Kapitalentzug aus diesem Anlass sei wirtschaftspolitisch unverantwortlich. „Last but not least muss die neue Bundesregierung das Thema der lohnsummenabhängigen Steuern angehen. Österreich nimmt hier international mit 2,7% des BIP einen unangefochtenen Spitzenplatz ein! Bei einer nächsten Steuerreformetappe ist eine Reduzierung der Arbeitszusatzkosten aus unserer Sicht ein MUSS“, so der IV-Präsident abschließend.
     
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