IV-Präsident Sorger: BIP-Wachstum 2005 über 2 Prozent, Wachstum der Industrie darüber
Wien (PdI) - „Für die österreichische Industrie und für den Wirtschaftsstandort Österreich
war 2005 ein grosso modo gutes Jahr“, erklärte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Dr. Veit
Sorger am Mittwoch (28. 12.) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Generalsekretär Mag. Markus
Beyrer im Wiener Haus der Industrie. Die Einschätzung der Wirtschaftslage durch die IV habe sich als zutreffend
erwiesen. Das BIP-Wachstum werde 2005 noch besser aussehen als noch vor kurzem prognostiziert. „Der 2er wird für
2005 vor dem Komma stehen“, so Sorger, der darauf hinwies, dass auch IHS und WIFO in der vergangenen Woche ihre
Prognosen deutlich nach oben revidiert hätten.
„Hauptmotor des Wachstums bleibt die Industrie und jene Unternehmen, die in Mittel- und Osteuropa hochaktiv sind“,
so Sorger. Österreich sei Investor Nr. 1 in Kroatien, Slowenien, Bulgarien, Rumänien, Bosnien-Herzegowina,
Serbien und Montenegro. In der Slowakei, in Tschechien und in Ungarn liege man auf dem dritten Platz. „Diese Verflechtung
ist wirtschaftlich besonders wichtig und das politische Hauptasset Österreichs in der internationalen Wahrnehmung“,
betonte der IV-Präsident anlässlich seiner jüngsten Arbeitsbesuche in den USA, der Türkei und
mehreren europäischen Ländern weiter.
IV begrüßt Fortschritte bei F&E - Österreich unter Top 5-Innovations-standorte Europas
katapultiert
Der IV-Präsident verwies darauf, dass Österreich der Hauptprofiteur der EU-Erweiterung sei. „Unbestritten
sind auch eine Reihe von standortpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre, die mitgeholfen haben, dass
Österreichs Wachstumsperformance über jener des Europäischen Durchschnitts liegt.“ Besonders erfreulich
seien die großen Fortschritte in der Forschungs- & Entwicklungs- bzw. Innovationspolitik. „Österreich
hat sich damit - wie es die IV im Jahr 2001 als Ziel formuliert hat - unter die Top 5 Innovationsstandorte Europas
katapultiert“, betonte Sorger unter Verweis auf das aktuelle Ergebnis des Innovation Scoreboards der Europäischen
Kommission.
Für die österreichische Industrie hob der IV-Präsident aus dem Jahr 2005 die am 1. Mai beschlossene
zusätzliche Forschungsmilliarde und die 8% Forschungsprämie auf angewandte Forschung besonders positiv
hervor. Diese könne sofort nach dem Geschäftsjahr geltend gemacht werden. Ebenso positiv aus Sicht der
Industrie im Jahr 2005 seien die zusätzlichen 300 Mio. Euro für die Infrastruktur gewesen. „Das kann
aber, ebenso wie die 10 Mio. Euro zusätzlich für den Breitbandausbau, nur ein erster Schritt gewesen
sein“, betonte Sorger. Das erzielte politische Bekenntnis zum Bau neuer Kraftwerke sei „eine wesentliche Voraussetzung
für die Erhaltung der Versorgungssicherheit in Österreich“, die Plafondierung der Ökostromförderung
in den kommenden Jahren habe eine zusätzliche Kostenexplosion bei den Energiekosten verhindert.
Vertreibung der chemischen Industrie aus Europa verhindert
Als weitere positive Punkte für die heimische Industrie nannte Sorger die Sanierung des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes
im Interesse eines funktionierenden und leistungsfähigen österreichischen Kapitalmarkts, die unternehmensfreundliche
Umsetzung der Biopatent-Richtlinie in österreichisches Recht sowie auf europäischer Ebene „die Verhinderung
der Vertreibung der chemischen Industrie aus Europa durch eine Kompromiss bei der EU-Chemikalienpolitik - besser
bekannt als REACH“.
Die zahlreichen erfreulichen Ergebnisse könnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, „dass viele Industrieunternehmen
- insbesondere jene, die noch nicht in ausreichendem Ausmaß internationalisieren konnten, ein schwierigeres
Jahr zu bewältigen hatten. Hohe Lohnrunden und hohe Energiepreise, überdimensionierte Belastungen aus
überzogenen ökologischen Vorgaben treffen dieses Unternehmen frontal“, betonte Sorger. Hier müssten
aus Sicht der IV weitere Entlastungsmaßnahmen gesetzt werden bzw. muss gegengesteuert werden, sagte der IV-Präsident.
Österreichs führende Experten und Unternehmer: Makroökonomisches Umfeld und Bildungspolitik
im Aufwärtstrend
Generalsekretär Markus Beyrer erläuterte die jüngsten Ergebnisse des im Sommer geschaffenen
neuen IV-Standortbarometers Panel 50. Dieses gibt die Einschätzung von mehr als 50 Expertinnen und Experten
aus Wissenschaft & Forschung, Verbänden, Industrie und Finanzsektor zu zwölf Themenfeldern von makroökonomischem
Umfeld bis zu Umwelt & Umweltschutz wieder. Gegenüber dem Vorquartal werde das makroökonomische Umfeld
besser eingeschätzt, die öffentliche Hauhaltsentwicklung schlechter, so Beyrer. „Noch bessere Quoten
als im Vorquartal erhält die F&E Politik, wieder ins Positive drehte die Einschätzung der Bildungspolitik.“
Leichte Verbesserung werde bei Entbürokratisierung für Unternehmen und Marktliberalisierung zugebilligt,
die Umweltkosten dafür weiter schlechter beurteilt.
„Im Bereich Arbeitsmarkt schlagen die hohen Lohnabschlüsse vor allem bei der Industrie negativ zu Buche, bei
der Einschätzung des Sozialsystems die Lohnnebenkosten", so Beyrer weiter. Positiv werde im Gegenzug
die Entwicklung des Kapitalmarktes bewertet. Eine leichte Erholung - allerdings nach wie vor im negativen Bereich
- gebe es bei der Infrastruktur. Besonders negativ werde die Energiekostenentwicklung eingeschätzt, positiv
die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur. „Weiter negativ eingeschätzt wird der Bereich ‚Sozialkapital’,
d.h. insbesondere die Einstellung der Bevölkerung zu Liberalisierung und Globalisierung sowie das Vertrauen
zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern“, sagte der IV-Generalsekretär. Offensichtlich wirke hier die Lohnrunde,
die Verweigerung der Gewerkschaften in Sachen Arbeitszeit-Flexibilität und explizit die Streikdrohung der
Gewerkschaften in Zusammenhang mit der Postprivatisierung nach.
IV nimmt Internationalisierungs- und Globalisierungsskepsis ernst und verstärkt pro-europäische
Bemühungen
Angesichts der derzeitigen starken Europaskepsis der Österreicherinnen und Österreicher betonte
Beyrer, die Industriellenvereinigung „nimmt die Skepsis der Menschen gegenüber Internationalisierung und Globalisierung
ernst. Was wir in Österreich zur Überwindung der Skepsis brauchen, ist mehr Interesse am internationalen
Wirtschaftsgeschehen, mehr Bereitschaft, in die eigene employability zu investieren und eine Verbesserung unserer
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere Wachstum und Beschäftigung. Wenn wir international bestehen
wollen brauchen wir auch mehr Europa“, sagte der IV-Generalsekretär. Ein wirtschaftlich starkes Europa sei
der beste Garant für einen lebenswerten Kontinent und könne die Globalisierung im Sinne der Menschen
gestalten.
Die Industriellenvereinigung übernehme mit Jahreswechsel parallel zur österreichischen EU-Präsidentschaft
für ein halbes Jahr den Vorsitz im europäischen Industrie- und Arbeitgeberdachverband UNICE. Auf nationaler
Ebene werde man 2006 - im Sinne des „Geistes von 1994“ am Vorabend des Referendums zum EU-Beitritt - an alle Organisationen
und Meinungsbildner „guten Willens“ herantreten, um kritisch aber konstruktiv für ein Österreich in Europa
zu werben, so Beyrer weiter. „Wir appellieren insbesondere an die Arbeitnehmervertretungen, der Versuchung zu widerstehen,
angesichts der Nationalratswahl 2006 in dumpfen Anti-Europa-Populismus zu verfallen. Arbeitnehmern und Arbeitgebern
sollte gleichermaßen bewusst sein: Europa - richtig gemacht - ist die Antwort auf die Herausforderungen der
Globalisierung.“ Als inhaltliche Grundlage des Angebots der IV zur Zusammenarbeit liege das Thesenpapier „Kapital
Europa“ vor.
Besonders wirtschaftsrelevante Entscheidungen im Jahr 2006
In seinem Ausblick auf das kommende Jahr sagte Präsident Sorger, 2006 stünden eine Reihe besonders wirtschaftsrelevanter
Entscheidungen und Entwicklungen an. In Zusammenhang mit der EU-Präsidentschaft werde Österreich beim
EU-Budget mithelfen müssen, „dass das Budget auch im Detail der Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung
entspricht und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Das heißt auch: Massive Erhöhung der Ausgaben
für Forschung & Entwicklung, Infrastruktur und Bildung. Die Beteiligung der Industrie am 7. Rahmenprogramm
für Forschung & Entwicklung muss erhöht werden“, betonte Sorger.
Die Industrie erwarte sich gleichzeitig mehr Mittel für den Ausbau der Infrastruktur. Das Gewicht müsse
auf grenzüberschreitende Projekte und deren Kofinanzierung bis zu 50% gelegt werden. „Bei der Entbürokratisierung
brauchen wir spürbare Schritte inklusive einer echten Gesetzesfolgeabschätzung auf nationaler Ebene“,
sagte der IV-Präsident. Auf europäischer Ebene sollten die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien - wo
Österreich größter Auslandsinvestor sei - „effizient und zügig“ gestaltet werden. Fortschritte
erwartet sich Sorger auch bei der EU - Arbeitszeitrichtlinie. Zum Bereich Klimaschutz sagte er, „es darf nicht
noch einmal passieren, dass Europa wieder einseitige Vorleistungen für die Zeit nach 2012 eingeht!“
Klare Erwartungen der Industrie an nächste Bundesregierung: „Kein Rückfall in eine Welt des Protektionismus
und des Schlendrians“
„Was die nächste Bundesregierung betrifft, sind die Erwartungen der Industrie ebenfalls klar: Kein
Rückfall in eine Welt des Protektionismus und des Schlendrians, sondern weiter ein offensives Herangehen an
die Herausforderungen der Globalisierung“, betonte der IV-Präsident. Forschung & Entwicklung, Innovation,
Bildung und Infrastruktur - „die klassischen Wertschöpfungsfaktoren“ - sowie eine echte Verwaltungsreform
und Ent-Bürokratisierung und Effizienzsteigerung im öffentlichen Sektor seien die Herausforderung jeder
neuen Regierung.
Zum Steuerbereich sagte Sorger, hier brauche man „eine Entlastung der Leistungsträger und des unternehmerischen
Mittelstandes“. Darüber hinaus erwarte sich die Industrie ein Basel II-Begleitpaket, das die Unternehmensfinanzierung
von Steuerbelastungen befreit. „Besonders notwendig ist daher die Abschaffung von Gesellschaftssteuer, Kredit-
und Darlehensgebühr und Mindest-KöSt.“ Die geltenden Erleichterungen für Vererbung und Schenkung
von Betriebsvermögen und Beteiligungen seien „unzureichend“. Ein Kapitalentzug aus diesem Anlass sei wirtschaftspolitisch
unverantwortlich. „Last but not least muss die neue Bundesregierung das Thema der lohnsummenabhängigen Steuern
angehen. Österreich nimmt hier international mit 2,7% des BIP einen unangefochtenen Spitzenplatz ein! Bei
einer nächsten Steuerreformetappe ist eine Reduzierung der Arbeitszusatzkosten aus unserer Sicht ein MUSS“,
so der IV-Präsident abschließend. |