Sozialpolitik / Gesundheitwesen  

erstellt am
05. 01. 06

 Gusenbauer und Burgstaller präsentieren Gesundheitsprogramm der SPÖ
Gleicher Zugang für alle - Ungerechtigkeiten beseitigen
Bad Häring (sk) - SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer und die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller haben am Dienstag (03. 01.) im Rahmen der SPÖ-Präsidiumsklausur in Bad Häring das neue gesundheitspolitische Programm der SPÖ präsentiert. Dieses soll "für alle - unabhängig von ihrer sozialen Situation - den gleichen Zugang zur Spitzenmedizin sichern und bestehende Ungerechtigkeiten ausräumen", erklärte Gusenbauer. Burgstaller, Leiterin des Kompetenzteams Gesundheit, bekräftigte, dass die SPÖ jede Form der Rationalisierung ablehne. "Wir werden nicht akzeptieren, dass Menschen von der besten Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden, nur weil sie es sich nicht leisten können." Zur Finanzierung steht im SPÖ-Modell die Effizienzsteigerung an oberster Stelle: Gusenbauer beziffert das Potential mit rund 400 bis 500 Millionen Euro - also die Hälfte des von der OECD mit 850 Millionen Euro errechneten Effizienzsteigerungspotentials.

Neben der Effizienzsteigerung sieht das SPÖ-Modell zur Finanzierung eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Medikamente von 20 auf zehn Prozent vor. Dies bedeutet, dass das Finanzministerium weniger einnimmt und rund 200 bis 220 Millionen Euro zusätzlich im Gesundheitssystem bleiben.

Die Wertschöpfungsorientierung werde damit eingeführt.


Die Höchstbeitragsgrundlage soll auf 5.000 Euro pro Monat angehoben werden, was einer monatlichen Höchstbelastung von 25 Euro netto entspricht und rund 200 Millionen Euro pro Jahr bringen würde.

Effizientpotentiale seien vor allem in der Vermeidung von Mehrfachdiagnosen, der doppelten Anbietung von Leistungen und der Schaffung neuer Kooperationsmodelle bei der Leistungserbringung gegeben. Bei den Medikamentenkosten nannte Burgstaller weitere große Einsparungspotentiale: Anreize zur ökonomischen Verschreibepraxis, stärkere Förderung von Generika, Senkung der Handelsspanne auf EU-Niveau.

Selbstbehalte haben die soziale Schmerzgrenze erreicht
Jahrelang habe die Regierung die Beiträge angehoben und die Selbstbehalte auf ein unerträgliches Niveau erhöht. "Dieser Weg ist falsch", so Gusenbauer, "die Selbstbehalte haben die soziale Schmerzgrenze erreicht". Die SPÖ will deshalb die Rezeptgebühren für chronisch Kranke auf 150 Euro pro Jahr beschränken. Außerdem sieht die SPÖ eine einkommensbezogene Staffelung der Selbstbehalte vor. Abgewickelt könnte das künftig zentral über die E-Card in Form eines Jahresausgleiches werden.

Im Mittelpunkt des SPÖ-Gesundheitsmodells steht eine stärkere Bedarfsorientierung bei Reduzierung der Angebotsorientierung, eine Orientierung an den best practice Modellen in Europa zur Gesundheitsförderung und eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung.

Bedarfsorientierung bedeutet, dass "nicht geschaut wird, was gibt es in einer Region, sondern was brauchen die Menschen in dieser Region", so Burgstaller. Die Gesundheitsförderung gewinne vor allem angesichts der steigenden Lebenserwartung an Bedeutung. Die SPÖ sehe Gesundheitspolitik auch als Gesellschaftspolitik, also auch als eine Bildungsfrage und eine Frage der Beschäftigung. Arbeitslosigkeit bedeute auch oft Krankheit psychischer und physischer Natur. Das Gesundheitssystem müsse von der bloßen Behandlung hin zur Gesundheitsförderung umgebaut werden. Die SPÖ sieht deshalb eine Verpflichtung der Sozialversicherung, in die Prävention zu investieren vor.

Unter integrierter Versorgung sei die Orientierung am Patienten und an dessen Bedürfnissen zu verstehen. Der Mensch dürfe nicht in seinen Körperteilen und Organen gesehen werden, sondern in seiner Ganzheit.

Die SPÖ bekenne sich zur öffentlichen und solidarischen Finanzierung des Gesundheitssystems, erteilte Burgstaller der Versicherungspflicht eine Absage. In den vergangenen Jahren sei durch die Regierung Schüssel die Solidarität gebrochen worden, indem immer höhere Selbstbehalte eingeführt wurden.

Hausarzt soll aufgewertet werden - Österreich braucht Ausbildung zum Allgemeinmediziner
Das SPÖ-Modell sieht auch eine Aufwertung des Hausarztes vor. Dieser soll durch das Gesundheitssystem lotsen, alle Maßnahmen organisieren, begleiten und kontrollieren; als Schnittstelle zwischen Spital und niedergelassenem Bereich fungieren. Für den Patienten sei die Teilnahme an diesem Modell freiwillig, es solle aber ein Anreizsystem geben, etwa durch Reduzierung der Gebühren und einfachere Abrechnung der Medikamente.

Eine Aufwertung des praktischen Arztes müsse die Honorierung, eine spezielle Ausbildung und eine verpflichtende Weiterbildung beinhalten. Gusenbauer trat für die Schaffung der Ausbildungsmöglichkeit zum Allgemeinmediziner in Österreich ein. In diesem Zusammenhang kritisierte Gusenbauer die "Gefährdung des medizinischen Nachwuchses" durch die Regierung. Diese habe nichts gegen das seit langem zu erwartende EuGH-Urteil unternommen. Im Gegenteil: Die Regierung habe das Urteil bezüglich der Beschränkung der ausländischen Studierenden an österreichischen Universitäten zum Anlass genommen, die von ihr gewünschte Beschränkung der Ausbildung einzuführen. Wenn Kanzler Schüssel Wochen nach dem Urteil beginne, den EuGH zu beschimpfen, statt den Zugang für alle zu sichern, sei das "kein demokratisches Handeln". Die SPÖ trete dafür ein, dass nur jene, die in ihrem Heimatland die Erfordernisse für ein Studium erfüllen, auch in Österreich studieren dürfen.

Burgstaller plädiert außerdem für eine Vereinheitlichung der Gesundheitsgesetzgebung, für eine klare Bundeskompetenz und eine Umsetzung in den Gesundheitszentren nahe bei den Bürgern. Außerdem müsse beim nächsten Finanzausgleich die Bundesdeckelung aufgehoben werden und die Finanzierung innerhalb der Gebietskörperschaften gerechter gestaltet werden.

 

Lopatka: SPÖ präsentiert Burgstaller-Belastungspaket
Außer Belastungsvorschlägen für den Mittelstand nichts Neues von der SPÖ-Präsidiumsklausur
Wien (övp-pk) - "Erwartungsgemäß nichts Neues brachte die Präsentation des SPÖ-Gesundheitsprogramms: Krankjammern und die Ankündigung neuer Belastungen vor allem für den Mittelstand", so ÖVP-Generalsekretär Dr. Reinhold Lopatka am Mittwoch (04. 01.) zu dem bei der SPÖ-Präsidiumsklausur in Bad Häring präsentierten Burgstaller-Belastungspaket. Bezeichnend sei auch, dass die SPÖ Forderungen stelle, die von dieser Bundesregierung in den letzten Jahren und Monaten bereits umgesetzt wurden bzw. in Umsetzung sind. "Also nichts Neues aus dem Luftkurort."

ÖVP-Generalsekretär Lopatka zu den einzelnen Forderungen der SPÖ: "Entsolidarisierung und neue Belastungen - nein Danke."

Die SPÖ fordert ein wertschöpfungsorientiertes Finanzierungssystem sowie eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage: "Diese Vorschläge von 'Belastungs-Gabi' sind unausgegoren und stellen eine wirkliche Entsolidarisierung der medizinischen Versorgung in Österreich dar. Heißt das, dass die größten Vermieter Österreichs, also die Stadt Wien, die Wohnbaugenossenschaften aber auch die 'roten Salzbarone' zur Kasse gebeten werden? Und werden sie diese Belastungen selbstlos schlucken oder einfach in Form von Mietpreiserhöhungen an die Bevölkerung weitergeben? Frau Burgstaller, bedeutet die soziale Gerechtigkeit der SPÖ, dass die Mieten in Österreich um 20 Prozent steigen? Oder sind einmal mehr jene betroffen, die es sich nicht richten können und die Mieterlöse über Umwege in Form von Gesellschafen lukrieren? Was heißt das zum Beispiel für die Witwe eines Fleischhauers, die das ehemalige Geschäftslokal ihres Mannes vermietet?"

Die SPÖ fordert: Gelder effizient einsetzen. Die Gesundheitsministerin habe auf gesetzlicher Ebene allein in dieser Legislaturperiode Maßnahmen zur finanziellen Absicherung der Krankenkassen mit einem Effekt von rund 850 Millionen Euro gesetzt. "Mit dem Arzneimittelkostendämpfungspaket sowie mit der Umsetzung der Strukturreform im Gesundheitswesen sind enorme Einsparungseffekte ohne die Belastung der Patienten erzielt worden." Das Paket zur Dämpfung der Arzneimittelkosten vereine strukturelle und Preisdämpfungsmaßnahmen. Zu den strukturellen Maßnahmen zählen der Wegfall der Chefarztpflicht und ein neuer Erstattungskodex, der der Sozialversicherung ein wirtschaftliches Handeln ermöglicht und so zu einer Dämpfung des Arzneimittelkostenanstiegs beiträgt.

Die SPÖ fordert: Solidarische und gerechte Finanzierung. "Wir investieren nicht weniger, sondern schlicht besser. Erstmals haben wir das zersplitterte österreichische Gesundheitswesen zusammengeführt und einen Meilenstein in der Gesundheitspolitik gesetzt. Durch effizientere Strukturen, die Schaffung eines funktionierenden Schnittstellenmanagements, das Arzneimittelkostendämpfungspaket, die Einführung der e-Card und vieles mehr konnte die Qualität der medizinischen Versorgung nachhaltig gesichert werden", so Lopatka. Eines der wichtigsten Handlungsfelder der Gesundheitsreform 2005 sei die Schaffung einer bundesweiten Qualitätssicherung basierend auf den Prinzipien der Patientenorientierung, Transparenz, Effektivität und Effizienz.

Die SPÖ fordert: Gleicher Zugang für alle. "Was die SPÖ erst jetzt fordert, ist schon längst einer der Hauptpfeiler der Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung", betonte Lopatka. "Der gleiche Zugang für alle zu medizinischen Spitzenleistungen ist uns ein großes Anliegen und damit sichergestellt." Die Einführung der e-Card, auch für Sozialhilfeempfänger, sowie die Umsetzung des österreichischen Strukturplans werden diesen Zugang für alle auch in Zukunft garantieren. "Die SPÖ hingegen will streng nach sozialistischem Planwirtschaftsdenken das Kranksein planen - Stationen sollen im Sommer und am Wochenende vermehrt geschlossen werden", so Lopatka zu Forderungen der Wiener SPÖ-Stadträtin Brauner. "Laut SPÖ wird es dann heißen: Bitte nicht erkranken in dieser Zeit", sagte Lopatka.

Die SPÖ fordert: Gesundheit der Menschen vorsorgend und aktiv fördern. "Die Bundesregierung hat das bereits längst mit der 'Vorsorgeuntersuchung Neu' und den 'Gesundheitspässen' für alle Altersgruppen erledigt", so Lopatka. Seit dem 1. Oktober 2005 ist die Vorsorgeuntersuchung NEU, mit der Österreich im internationalen Vergleich an der Spitze steht, flächendeckend verfügbar. Kein anderes Gesundheitssystem biete eine derart umfassende Leistung. Wichtige Bereiche der bestehenden kostenlosen Vorsorgeuntersuchung wurden den enormen Fortschritten und neuen Erkenntnissen der letzten Jahre angepasst. "Die kostenlose Vorsorgeuntersuchung wird künftig den Österreicherinnen und Österreichern je nach Alter, Geschlecht und Risikogruppe maßgeschneiderte Inhalte anbieten."

Die SPÖ fordert: Einschränkung der Selbstbehalte. "Offensichtlich hat die SPÖ bewusst vergessen, dass alle derzeit bestehenden Selbstbehalte von der SPÖ eingeführt wurden", sagte der ÖVP-Generalsekretär. Außerdem habe Gesundheitsministerin Rauch- Kallat schon längst erklärt, dass sie gegen die Einführung neuer Belastungen für die Patienten sei. "Die SPÖ hingegen, allen voran Burgstaller als Sprecherin des 'In-Kompetenz-Teams für Gesundheit', fordern laufend die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage und somit einer weiter Belastung für die Versicherten."

Abschließend verwies Lopatka auf die Zufriedenheit der Österreicherinnen und Österreicher mit dem Gesundheitssystem: 71,6 Prozent der Bevölkerung sind mit der Gesundheitsversorgung in Österreich sehr zufrieden bzw. zufrieden. "Österreich liegt damit in der EU-Zufriedenheitsskala an zweiter Stelle nach Finnland." Die Zufriedenheit gehe ohne Zweifel auch auf die umfassenden sozial- und gesundheitspolitischen Leistungen der Bundesregierung zurück. "Unsere Gesundheitsinfrastruktur ist laut World Competitiveness Report 2004 weltweit auf Nummer eins. Das Raunzen der SPÖ bei Sozial- und Gesundheitsthemen geht ins Leere. Die ÖVP steht für den vollen, gleichen und unbeschränkten Zugang zu den hervorragenden Leistungen des österreichischen Gesundheitswesens. Dieses auf den modernsten Stand zu halten, ist uns ein zentrales Anliegen", so ÖVP-Generalsekretär Lopatka abschließend.

 

Grünewald: Zwar nicht mehr taufrisch, aber diskussionswürdig
Wien (grüne) - "Das SPÖ-Gesundheitsprogramm ist zwar nicht mehr taufrisch, enthält aber einige vernünftige und wirklichkeitsnahe Vorschläge. Sie sind jedenfalls diskussionswürdig", reagiert der Gesundheitssprecher der Grünen, Kurt Grünewald, auf diesbezügliche Aussagen. "Die Bundesregierung täte gut daran nicht reflexartig alles zurückzuweisen, nur weil es von einer Oppositionspartei kommt. Ganz im Gegenteil, es ist dringendst notwendig sich der Diskussion um die Finanzierung und Organisation unseres Gesundheitssystems zu stellen. Nur weil sich die ÖVP einer seriösen Debatte verweigert, darf nicht die Zukunft des Gesundheitssystems verspielt werden."

Grünewald verweist insbesondere auf die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Planung und einer Zusammenführung der Kompetenzen und auf eine flächendeckende Qualitätssicherung. Überdies weist er darauf hin, dass Österreich im internationalen Vergleich bei den Selbstbehalten zwischen Platz drei und vier rangiere und eine weitere Ausdehnung bei den Selbstbehalten inakzeptabel sei.
     

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