Wien (fwf) - Erstmals können nun mittels modernster DNA-Analyse auch Papier zersetzende Mikroorganismen
identifiziert werden. Möglich wird dies durch ein molekulares Verfahren, das mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds
FWF an der Universität Wien für pilzbefallene Dokumente entwickelt wurde. Dabei lassen sich anhand des
als ITS1 bezeichneten DNA-Abschnitts Pilzarten eindeutig bestimmen und künftig gezielt Maßnahmen zum
Erhalt historischer Dokumente setzen.
Der Zahn der Zeit, der an historisch wertvollen Schriftstücken nagt, lässt sich im Allgemeinen leicht
benennen: Mikroorganismen wie etwa Pilze setzen sich bei günstigen Bedingungen fest und zersetzen langsam
das Dokument. Gilt es diese Pilze genau zu identifizieren, sind herkömmliche Methoden jedoch aufwändig
und ungenau. Diese benötigen eine relativ große Menge an Probenmaterial sowie die Vermehrung und anschließende
mikroskopische Bestimmung der Pilzprobe: ein insgesamt langwieriger und damit fehleranfälliger Prozess. Ein
Team um Dr. Guadalupe Pinar am Department für Medizinische und Pharmazeutische Chemie, Universität Wien,
entwickelte nun ein Verfahren, mit dem sich Pilzarten anhand ihrer DNA schnell und eindeutig klassifizieren lassen.
Multiple Mutationen
Dabei macht sich Dr. Pinar eine Besonderheit im Erbgut vieler Pilzarten zu Nutze: Ein als ITS1 bezeichneter
DNA-Abschnitt weist von Art zu Art enorme Unterschiede in der Sequenz der DNA-Basenpaare auf. Zum Ursprung dieser
Unterscheidungsmerkmale erläutert Dr. Pinar: "Der ITS1-Abschnitt unterliegt häufig spontanen Mutationen.
Da dieser DNA-Abschnitt jedoch keine erkennbare Funktion im Pilzgenom aufweist und nicht unmittelbar zur Überlebensfähigkeit
einer Pilzart beiträgt, sind diese Spontanmutationen nicht weiter nachteilig. Jede Pilz-Art hat damit allerdings
ihren typischen ITS1-Abschnitt und somit eine ganz individuelle Kennung."
Damit diese Sequenzunterschiede analysiert werden können, werden aber - für molekularbiologische Verhältnisse
- große Mengen an DNA benötigt. Die kann man zwar dadurch gewinnen, dass große Mengen des Ausgangsmaterials
verwendet werden - bei historischen Dokumenten verbietet sich diese Möglichkeit jedoch.
Dem ForscherInnen-Team gelang es nun mittels modernster Methoden, die benötigte DNA in ausreichenden Mengen
herzustellen. Dazu erläutert die Diplom-Biologin Astrid Michaelsen, Teampartnerin von Dr. Pinar: "Wir
verwenden die Polymerase Chain-Reaktion, ein hoch effizientes Verfahren, um einzelne DNA-Abschnitte zu vervielfältigen.
So können wir ITS1-Fragmente in großer Menge und in hoher Reinheit herstellen, selbst wenn wir nur sehr
kleine Mengen an Pilzmaterial für die DNA-Extraktion zur Verfügung haben. Das erlaubt die bereits in
Mitleidenschaft gezogenen Dokumente größtmöglich zu schonen."
Spannende Ergebnisse
Werden genügend ITS1-Fragmente erzeugt, kann die eigentliche DNA-Analyse erfolgen: Bei der als Denaturing
Gradient Gel Electrophoresis bezeichneten Analyse werden die ITS1-Fragmente in ein unter elektrischer Spannung
stehendes Gel gegeben. Je nach Mutationen legen die ITS1-Proben in diesem Spannungsfeld unterschiedlich weite Wegstrecken
zurück, die für jede Pilzart charakteristisch sind. Schon ein Austausch von einem Basenpaar resultiert
in Unterschieden, die ein exaktes Bestimmen der Pilzart zulassen.
Die nun entwickelte Methode bietet tatsächlich noch einen weiteren Vorteil gegenüber traditionellen Methoden:
Selbst nicht mehr lebensfähige Pilze können als Ausgangsmaterial dienen. Dazu Dipl.-Biol. Michaelsen:
"Gerade auf Papier ist zu beobachten, dass Pilze nach etwa 20 Jahren nicht mehr aktiv sind. Die DNA, das Ausgangsmaterial
für unsere Methode, kann aber auch aus solchem Material isoliert werden. Es können also mit unserer Methode
auch Dokumentenproben untersucht werden, auf denen der Pilz zwar inaktiv ist, aber der Zersetzungsprozess sich
trotzdem fortsetzt. Traditionelle Methoden scheitern hier, da sie auf die Vermehrung lebensfähiger Pilze angewiesen
sind."
Die Ergebnisse dieses vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekts erlauben es nun, je nach Pilzart individuell
geeignete Restaurierungs- und Pflegemaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem "Istituto Centrale per la Patologia
del Libro" in Rom zu entwickeln, das auch die historischen Proben zur Verfügung stellt. So kann der Erhalt
wichtiger Kulturgüter für zukünftige Generationen optimal gesichert werden. |