SP-Kritik an der Struktur der Ausgaben in der Union  

erstellt am
13. 01. 06

 Gusenbauer: Ausgabenstruktur der EU muss geändert werden
Wien (sk) - Dass viele Bürger die EU als undemokratisch erleben, habe seine Ursache in der Entscheidungsfindung in der Union, sagte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer in der Diskussion über ein soziales Europa bei der SPÖ-Neujahrskonferenz am Donnerstag (12. 01.). Und er bekräftigte seine Kritik an der Struktur der Ausgaben in der Union. Der größte Budgetposten, die Agrarförderung, komme überwiegend den Großgrundbesitzern zugute, zugleich verursache die EU-Agrarförderung in der Dritten Welt ganz erheblichen Schaden – der dann nur zum Teil durch die EU-Entwicklungshilfe wiedergutgemacht werde. Gusenbauer forderte mit Nachdruck, dass die Ausgabenstruktur der EU geändert werde.

Zur Frage der Finanzierung der EU betonte Gusenbauer: "Ich habe nichts dagegen, dass Österreich Nettozahler ist", aber es ist "legitim zu fragen, wofür das Geld ausgegeben wird". Und wenn es dann heiße, es sei ohnehin "nur wenig", was die Staaten an die EU abliefern, dann sei es umso schlimmer, wenn das Wenige schlecht eingesetzt werde, wie es derzeit geschehe. Gusenbauer bekräftigte seine Kritik an der EU-Agrarpolitik, wo vier Prozent der größten Höfe 52 Prozent der der Förderungen bekommen, und die 53 Prozent der kleinsten Bauern bekommen nur sechs Prozent.

Gusenbauer: "Ich gebe meine Euros nicht gern her für die Förderung der europäischen Hocharistokratie und der Großgrundbesitzer." In dem Zusammenhang wies Gusenbauer darauf hin, die europäische Entwicklungshilfe nur einen Teil jener Schäden wiedergutmacht, die die europäische Agrarpolitik in der Dritten Welt anrichtet. Gusenbauers Fazit: Vor der Frage, wie viel man zahlt, muss es eine befriedigende Antwort geben darauf, wofür. Er plädierte mit Nachdruck dafür, dass die Ausgabenstruktur der EU geändert werde.

Gusenbauer zeigte auch sich nicht einverstanden damit, dass Kritik an der Politik der EU gewohnheitsmäßig als ein Infragestellen der Union missverstanden werde. Wenn jemand die österreichische Regierung kritisiere, komme niemand auf den Gedanken, dass damit Österreich in Frage gestellt werde, erläuterte Gusenbauer.

Die EU stehe freilich unter einem starken Legitimationsdruck, sagte Gusenbauer; dies deshalb, weil sie eine fast ausschließlich politische Identität habe. Zugleich werde EU-Politik von der Bürgern oft als undemokratisch erlebt, und das nicht ohne Grund. Denn die wichtigen Entscheidungen fallen meistens, bevor sie ins Europäische Parlament kommen. Die Regierungen verhandeln hinter verschlossenen Türen, wenn die Beschlüsse dann öffentlich werden und Kritik einsetzt, heiße es typischerweise: "Brüssel ist schuld". Das sei jedenfalls eine oft erlebte Praxis der österreichischen Regierung.

Im Weiteren kritisierte Gusenbauer eine strikt neoliberale Politik in der EU, die darauf ausgerichtet sei, die Löhne zu drücken. In einer Situation mit Rekordarbeitslosigkeit seien die Arbeitnehmer erpressbar. Dem stellte Gusenbauer die hohen Unternehmensgewinne gegenüber; dieses Missverhältnis – hohe Arbeitslosigkeit und Rekordgewinne der Konzerne – mache es notwendig, dass man in Europa die Verteilungsfrage stelle. Es sei nicht hinzunehmen, dass die EU die Auswirkungen der Globalisierung in Europa noch verschärfe, betonte Gusenbauer, der abschließend bemerkte: "Die eindimensionale Profitorientierung hat offensichtlich den Geist von vielen auf dem Kontinent bereits vergiftet."

 

Fasslabend: "Parteiapparatschik statt Staatsmann"
Wien (övp-pk) - Mit Bedauern reagiert der Vorsitzende des EU-Unterausschusses und Europasprecher der ÖVP, Dr. Werner Fasslabend, auf die so groß angekündigte Rede von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bei der SPÖ-Neujahrskonferenz in Wien am Donnerstag (12. 01.). "Schade, dass sich Gusenbauer selbst in jener Phase, in der unser gemeinsames Heimatland Österreich den Vorsitz der Europäischen Union inne hat, nicht zu einer staatsmännischen Haltung durchringen kann und sofort wieder der Parteiapparatschik durchschlägt", sagte Fasslabend heute, Donnerstag.

"Diese Präsidentschaft bietet Österreich nicht nur die Möglichkeit, unser Land in Europa auf einmalige Art zu präsentieren. Es ist auch begrüßenswert, dass für das EU-Vorsitzland Österreich und damit die EU Wachstum und Beschäftigung in Europa als politisches Ziel im Vordergrund stehen und als wichtigstes Arbeitsvorhaben der EU in diesem Jahr behandelt werden. Das hat auch Kommissionspräsident Barroso bei seinem Kommissionsbesuch in Wien, wo Wachstum und Beschäftigung auf der Tagesordnung standen, bestätigt", ergänzte Fasslabend. "Das weiß Gusenbauer aber nicht, weil er offenbar wieder einmal verspätet aus dem Urlaub zurückgekommen ist." Der SPÖ-Chef sollte sich besser informieren, bevor er auf die Linie von Heinz-Christian Strache einschwenkt.

Konkret sind im Zuge des EU-Vorsitzes Österreichs mehrere Arbeitstreffen geplant, nahm Fasslabend vor allem auf die große Konferenz zur Lissabon-Agenda (31. Jänner bis 1. Februar in Brüssel), auf den informellen Ministerrat zu Beschäftigung und Soziales am 19. Jänner in Villach und den Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates (23./24. März in Brüssel) Bezug. "Derzeit werden die nationalen Aktionspläne von der Kommission ausgearbeitet, ausgewertet und zu einem gesamteuropäisch koordinierten Programm zusammengefasst. Gusenbauer kann das natürlich nicht wissen, weil er bei den Beratungen des EU-Hauptausschusses nie dabei ist, so der Abgeordnete.

"Erstmals wird bei der Lissabon-Konferenz kritisch überprüft, was in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten für diese Zielsetzung getan wurde und welche entsprechend notwendigen Maßnahmen für die Zukunft noch zu setzen sind. Österreich und die EU reagieren damit unmittelbar auf die für die Menschen dringendsten Probleme und Bedürfnisse." Umso bedauerlicher sei es, dass Gusenbauer selbst in dieser Phase alles nur durch die rote Parteibrille betrachte und nicht in der Lage sei, Österreich über enge Parteigrenzen hinweg an erster Stelle zu sehen, kritisierte Fasslabend.

"Mit seiner ewigen Miesmacherei begibt sich Gusenbauer mit seinen Genossinnen und Genossen auch in eindeutigen Gegensatz zur Meinung der österreichischen Bevölkerung, die sehr wohl sieht und versteht, wie wichtig Österreichs EU-Präsidentschaft kurz-, mittel- und langfristig für die Durchsetzung und Wahrung der Interessen Österreichs ist", schloss der ÖVP-Europasprecher.
 

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