Der deutsche Biochemiker Ludger Hengst tritt Professur in Innsbruck an
Innsbruck (universität) - Die Teilung von Zellen ist ein wichtiger Prozess, der das Wachstum
und die Regeneration von Organismen erst möglich macht. Univ.-Prof. Dr. Ludger Hengst, der seit kurzem die
Sektion für Medizinische Biochemie am Biozentrum Innsbruck leitet, erforscht molekulare Prozesse, die die
Teilung von Zellen steuern und regulieren. Fehlregulation führt zu unterschiedlichen Erkrankungen wie zum
Beispiel zu Tumoren. Prof. Hengst kam vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried an die Medizinische
Universität Innsbruck.
Zellteilungen sind Grundlage allen Lebens vom Einzeller bis hin zum komplexen Organismus. Erwachsene Menschen setzen
sich aus rund Hunderttausend Milliarden verschiedenen Zellen zusammen, die über eine komplexe Abfolge von
Zellteilungen und Differenzierungsprozessen von ursprünglich einer einzigen befruchteten Eizelle abstammen.
Obwohl sich die meisten Zellen im ausgewachsenen Organismus nicht teilen, bleibt eine Gruppe von Zellen bereit,
auf Aufforderung zu proliferieren. Allein um die roten Blutzellen zu ersetzen, sind im Erwachsenen mehr als drei
Millionen Zellteilungen pro Sekunde erforderlich. Kommt es im Zellteilungszyklus zu Störungen und Fehlsteuerung,
kann es zu Erkrankungen wie zum Beispiel bei Krebsgeschwüren kommen. Im Zentrum der Maschinerie, die die Zellteilung
kontrolliert, stehen Proteinkinasen aus der Familie der Cyclin-abhängigen Kinasen (CDK). Diese wurden erstmals
vom Briten Paul Nurse und dem Amerikaner Lee Hartwell entdeckt; ein Erfolg, der im Jahr 2001 mit dem Medizin-Nobelpreis
honoriert wurde. Mit ihnen ausgezeichnet wurde Timothy Hunt für die Entdeckung der Cycline, Proteine, die
an CDK binden und sie aktivieren.
Die Chemie des Lebens Während Cycline die CDK aktivieren und so den Zellzyklus antreiben, fungieren andere
Proteine, die CDK-inhibitorischen Proteine (CKI), als Bremser und können so Zellteilungen verzögern oder
verhindern. CKI werden daher zum Beispiel in großen Mengen erzeugt, wenn einer Zelle ein negatives Wachstumssignal
übermittelt wird. Ihre starke Expression kann zu einem Stillstand des Zellzyklus führen und verhindert
so ungewollte oder zu Schäden führende Zellteilungen. Vor rund 12 Jahren hat Prof. Ludger Hengst eines
dieser CDK-inhibitorischen Proteine, p27Kip1, entdeckt. Im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit des Forschers
steht heute die Verknüpfung von wachstumsfördernden oder wachstumsinhibitorischen Signalwegen mit der
Zellzyklus-Maschinerie. Häufig führen die Signalwege zur Regulation von Mitgliedern der Cip/Kip-Familie
von CDK-Inhibitoren. Diese Proteine vermitteln dann antiproliferative Signale, zum Beispiel als Reaktion auf DNA-Schäden,
bei Fehlen von Wachstumsfaktoren oder während Differenzierungsprozessen. Besondere Arbeitsgebiete sind die
Regulation von Aktivität und Stabilität von Cip/Kip-Proteinen, Mechanismen und Identifikation beteiligter
Faktoren für die zellzyklusgesteuerte Translation sowie die Identifikation und Analyse von Proteinen, die
mit Cip/Kip-Proteinen interagieren. Das Arbeitsumfeld in Innsbruck schätzt Prof. Hengst sehr: "Mit dem
Spezialforschungsbereich ‚Zellproliferation und Zelltod in Tumoren' gibt es hier einen sehr starken wissenschaftlichen
Schwerpunkt, in den ich mit meinen Arbeiten sehr gut hineinpasse", so Hengst. "Innsbruck ist überhaupt
ein sehr attraktiver Platz für Wissenschaftler, bietet es doch neben der sehr guten Forschungslandschaft auch
eine außergewöhnliche Lebensqualität."
Von Marburg über La Jolla und München nach Innsbruck Prof. Ludger Hengst hat an der Philipps Universität
in Marburg Biologie studiert und dort 1988 sein Diplom erworben. Mit einem Forschungsaufenthalt in Oxford beim
späteren Nobelpreisträger Paul Nurse führte er seine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für
biophysikalische Chemie in Göttingen durch und promovierte 1992 am Fachbereich Biologie in Marburg. Nach einem
weiteren Jahr in Göttingen wechselte er für fünf Jahre an das Department of Molecular Biology am
Scripps Research Institute in La Jolla. 1998 gründete er am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried
eine eigene Arbeitsgruppe, die er bis vor kurzem auch geleitet hat. Anfang dieses Jahres wurde Prof. Hengst als
Nachfolger von Gründungsrektor Univ.-Prof. Dr. Hans Grunicke an die Medizinische Universität Innsbruck
berufen. Vor kurzem hat er seine Tätigkeit in Innsbruck voll aufgenommen. |