Verteidigungsausschuss: Weitere Gespräche über Militärbefugnisgesetz
Wien (pk) - Detaillierte Auskünfte über die Umsetzung der Bundesheerreform und über
aktuellen Themen der Europäischen Sicherheitspolitik erteilte Verteidigungsminister Günter Platter den
Mitgliedern des Landesverteidigungsaussschusses am Freitag (20. 01.) im Rahmen einer Aussprache. Die Heeresreform
werde planmäßig umgesetzt, sagte der Ressortleiter und kündigte angesichts der veränderten
sicherheitspolitischen Situation eine Reduktion der Panzer des Bundesheeres um 600 bis 800 bis 2010 an. Zugleich
werden neue LKW zulaufen und die persönliche Sicherheit der Soldaten - Stichwort Minenschutz und neue Kampfausrüstung
- ganz im Mittelpunkt der Heeresrüstung liegen.
Unter dem Titel "Headline-Goals" erläuterte der Minister die sicherheits- und verteidigungspolitischen
Schwerpunkte der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, wobei er sich davon überzeugt zeigte,
dass diese Politik, die von 80 % der EU-Bürger befürwortet werde, zu einem Motor der Integrationspolitik
geworden sei. Angesichts der spannenden Entwicklungen in Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und in Montenegro sollte
die EU und auch Österreich mehr Verantwortung auf dem Westbalkan übernehmen, sagte Minister Platter.
Aus Anlass des Absturzes einer slowakischen Militärmaschine in Ungarn, bei dem möglicherweise bis zu
48 slowakische Soldaten ums Leben gekommen waren, die sich auf der Heimkehr von ihrem Friedenseinsatz im Kosovo
befanden, hielten die Ausschussmitglieder vor Eingang in die Tagesordnung eine Gedenkminute ab und brachten ihre
Anteilnahme für die Hinterbliebenen zum Ausdruck.
Aktuelle Themen: Heeresreform und Europäische Sicherheitspolitik
Abgeordneter Walter Murauer (V) leitete die aktuelle Aussprache ein, indem er das Ziel der Europäischen Union
ansprach, eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufzubauen. Seine Detailfragen an den Verteidigungsminister
richteten sich insbesondere auf die österreichischen Vorbereitungen für die Aufstellung rasch reaktionsfähiger
Truppen. "Wie weit sind die Battlegroups gediehen?", fragte Murauer gezielt.
Abgeordneter Anton Gaal (S) unterstrich die Überzeugung seiner Fraktion, dass der Kampf gegen den Terrorismus
in der Verantwortung der Innenminister bleiben soll.
Abgeordneter Markus Fauland (F) würdigte die schwierige Aufgabe, die die "Arbeitsgruppe 2010" bei
der Umsetzung der Heeresreform leiste und drängte in diesem Zusammenhang darauf, bei der Teilung des Kommandos
in Salzburg und Graz auf Ausgewogenheit zu achten. Auskunft erbat Fauland über den Stand der Dinge bei der
Umsetzung des Sozialpakets, der Liegenschaftsverkäufe und beim Heeresgeschichtlichen Museum. Interessiert
zeigte sich Fauland auch an der künftigen Entwicklung des Ministeriums.
Abgeordneter Peter Pilz (G) wollte wissen, welche Rüstungsgüter im Rahmen der Heeresreform ausgeschieden
werden sollen. Außerdem sprach Pilz Medienberichte über Sicherheitsmaßnahmen des Heeres im Zusammenhang
mit der EU-Ratspräsidentschaft in Wien an.
Abgeordneter Walter Tancits (V) erinnerte an 1998 und die Impulse der damaligen österreichischen Ratspräsidentschaft
für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Aktuell interessierte sich Tancits für
die Einrichtung einer gemeinsamen EU-Sicherheits- und Verteidigungsagentur, zumal er sich davon wirtschaftliche
und arbeitsmarktpolitische Effekte erwartete. Das Heeresgeschichtliche Museum will Tancsits zu einem mitteleuropäischen
Militärmuseum entwickeln, in dem viele EU-Partner Österreichs ihre Geschichte vor 1918 wieder erkennen
können.
Detailfragen der Abgeordneten Manfred Lackner, Werner Kummerer, Katherina Pfeffer und Christine Lapp (S) sowie
Alfred Schöls (V) richteten sich auf Entwicklungen, EU-Vorhaben und geplante Truppenreduktionen auf dem Balkan
sowie auf die projektierte "Zentrale für militärische und zivile Operationen".
Verteidigungsminister Günter Platter sah die Aufgabe der österreichischen EU-Präsidentschaft in
der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik darin, Interessen zu bündeln und Konsens zu erzielen.
Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die auf ein Verteidigungsministertreffen in Wien des Jahres
1998 zurückgeht, habe sich mittlerweile als ein Motor der Europäischen Integration erwiesen, zeigte sich
Minister Platter überzeugt und untermauerte diese Ansicht mit dem Hinweis darauf, dass sich 80 % der Europäer
für die Weiterentwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der EU aussprechen.
Die Probleme mit der EU-Verfassung hinderten die Union nicht daran, die als "Headline goals" formulierten
Ziele umzusetzen und die geplanten Battlegroups einzurichten. Die Operationen der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik
werden planmäßig fortgesetzt, führte Platter aus und teilte mit, das neue notwendig werden könnten,
wobei er auf die Bitte des UN-Generalsekretärs um EU-Unterstützung der Parlamentswahlen im Kongo hinwies.
Im Mittelpunkt der "Headline goals 2010", eine Frage des Abgeordneten Walter Tancits (V), stehe die größere
Reaktionsfähigkeit der EU bei internationalen Operationen. Daher müssen Lücken im Battlegroup-Konzept
geschlossen werden. Österreich werde sich wie geplant bis 2011 gemeinsam mit Deutschland und Tschechien an
der Umsetzung dieses Konzepts beteiligen. Platter will in Österreich 1500 Soldaten für ständige
internationale Einsätze zur Verfügung haben, ohne Aufgaben im Inland zu vernachlässigen. Mittelfristig
gehe es darum, eine Brigade aufzustellen, die man für ein Jahr in das Ausland entsenden könne.
Die geplante europäische Verteidigungsagentur werde Thema beim informellen Verteidigungsministertreffen am
6./7. März in Innsbruck unter dem Vorsitz von Javier Solana sein. Die Aufgaben dieser Agentur liegen in der
stärkeren Positionierung Europas in der militärischen Forschung und Entwicklung.
Die EU setzt sich intensiv mit dem Thema Terrorismusbekämpfung auseinander, erfuhren die Abgeordneten. Der
Minister betonte aber, dass nicht an eine Ausweitung militärischer Befugnisse gedacht sei, Zuständigkeit
und Verantwortung bleiben beim Innenressort. Das Bundesheer müsse aber auf Assistenzleistungen, etwa beim
Objektschutz, vorbereitet sein. Im Falle eines Terroranschlags sei ein Mix militärischer und ziviler Einsätze
geplant, wobei von militärischer Seite lediglich Assistenzeinsätze geleistet werden, unterstrich Platter. |
Bei internationalen Einsätzen, sei es zur Friedenssicherung, sei es bei Naturkatastrophen, ist eine bessere
Koordination zwischen zivilen und militärischen Kräften notwendig. Der Einsatz in Bosnien-Herzegowina
etwa sei kein rein militärischer, er diene auch der Unterstützung ziviler Projekte. Bei Naturkatastrophen
sei die Koordination der Hilfseinsätze auf EU-Ebene zu verbessern. Dem diene die Einrichtung einer zivil-militärischen
Zelle, die im Falle einer Naturkatastrophe innerhalb von 24 Stunden Experten ins Einsatzgebiet entsenden, Informationsarbeit
leisten und in der EU Einsätze organisieren könne. Denn es gelte rasch zu helfen.
Auf dem Westbalkan stehen wichtige Entscheidungen bevor, teilte der Verteidigungsminister mit und erinnerte an
die Statusverhandlungen über den Kosovo, das Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros im April
und die Wahlen in Bosnien-Herzegowina im Herbst 2006. Vor diesem Hintergrund wäre es falsch, jetzt Truppen
auf dem Westbalkan zu reduzieren. Die mittelfristig beabsichtigte Reduktion der Truppenstärken hänge
von der Evaluierung der Situation nach diesen Entscheidungen ab. Denn die EU werde daran gemessen werden, wie sie
die Probleme auf dem Westbalkan löse. Es gelte, den vielen jungen Menschen dort Zukunftsperspektiven zu geben
und Auswanderungen zu verhindern.
Die EU sollte den Einsatz im Kosovo gänzlich übernehmen, sagte Platter, der es für möglich
hielt, dass Österreich im Falle einer mittelfristigen Truppenreduktion im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina
mehr Verantwortung übernehme. In Syrien bleibe das österreichische Kontingent hinsichtlich Aufgaben,
Stärke und Einsatzgebiet gleich aufgestellt wie bisher, erfuhr Abgeordneter Werner Kummerer (S).
Die Umsetzung der Heeresreform gehe exakt nach Zeitplan vor sich, teilte der Minister mit. Das Streitkräftekommando
werde seine Struktur bis Mitte 2006 einnehmen; der Masterplan sei fertig. Die notwendige Teilung des Kommandos
Salzburg/Graz soll ausgewogen und mit jeweils ungefähr gleichem Personalstand umgesetzt werden. "Salzburg
wird nicht untergeordnet", bekräftigte der Minister.
Das Sozialpaket im Zusammenhang mit der Heeresreform werde derzeit mit dem Bundeskanzler verhandelt, wobei es darum
gehe, die dreijährige Behaltefrist zu verbessern.
Liegenschaftsverkäufe werden von der dafür eingerichteten Gesellschaft sehr selbständig durchgeführt.
Ihm gehe es um einen finanziellen Mehrwert für das Ressort und zugleich um die Liegenschaftsentwicklung im
Interesse der Region.
Dem Thema "Heeresgeschichtliches Museum" müsse man sich angesichts der stark rückläufigen
Besucherzahlen stellen, sagte der Minister und sah die aktuelle Diskussion als Chance, zusätzliche Angebote
im Bereich der Zeitgeschichte ins Auge zu fassen. Diebezügliche Gespräche mit Experten werden bis Mitte
des Jahres beendet und dann eine Entscheidung über die Entwicklung des Museums getroffen.
Im Zusammenhang mit der Heeresreform sei es ein wichtiges Signal an die Truppe, auch in der Zentralstelle die Verwaltung
zu reduzieren. Seine Vorgabe dafür bezifferte der Verteidigungsminister mit einem Abbau um 20 %.
Weiters informierte der Minister über die geplante Reduktion des Bestandes an Panzern um 600 bis 800 bis 2010.
Diese Absicht begründet der Minister mit der veränderten sicherheitspolitischen Situation. Andererseits
werden bis 2009 576 neue Lkw mit Wechselaufbauten angeschafft. Im Vordergrund der Heeresbeschaffungen stehe die
Sicherheit der Soldaten, führte Platter aus und wies auf minensichere Truppentransporter und die neuen Kampfanzüge
hin.
Medienberichte über die Aufstellung von Fliegerabwehrraketen im Wiener Stadtgebiet im Zusammenhang mit der
EU-Ratspräsidentschaft wies der Verteidigungsminister als "völlig absurd" zurück. Das
Bundesheer stehe - wie bei Großveranstaltung üblich - für Assistenzleistungen bereit, sagte der
Minister.
Was die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheers betrifft, präzisierte Platter Abgeordnetem
Karl Freund (V) gegenüber, es werde auf dem Balkan nur schrittweise zu Truppenreduktionen kommen, ein genauer
Zeitpunkt für das Ende der österreichischen Truppenpräsenz in dieser Region könne heute noch
nicht genannt werden. Zu Afghanistan bemerkte der Minister, die österreichische Beteiligung am internationalen
Kontingent sei äußerst erfolgreich gewesen, an eine weitere Truppenentsendung sei aber nicht gedacht.
Auslandseinsätze des Bundesheers können nur im Konsens mit den Parteien und auf Basis eines UN-Mandates
durchgeführt werden, versicherte Platter Abgeordnetem Karl Dobnigg (S).
Auf Fragen des Abgeordneten Rudolf Parnigoni (S) nach einer möglichen neuen Organisationsstruktur des Heeresabwehramtes
und des Heeresnachrichtendienstes betonte der Minister mit Nachdruck, eine Zusammenlegung der beiden Dienste zu
einem Geheimdienst stehe nicht zur Diskussion.
Militärbefugnisgesetz: Weitere Parteiengespräche über Rechtsschutzbeauftragen
Einstimmig vertagt wurden schließlich die Beratungen über einen Antrag der Regierungsparteien auf Änderung
des Militärbefugnisgesetzes (760/A), der auf die verfassungsrechtliche Absicherung des Rechtsschutzbeauftragen
abzielt. Wie Abgeordneter Walter Murauer (V) mitteilte, sollen nun noch weitere Parteiengespräche geführt
werden, um einen möglichst weit reichenden Konsens zu erzielen. |