Bilaterales Gespräch des österreichischen und des deutschen Wirtschaftsministers – Gastreferat
beim Jahrestag der Deutschen Telekom
Berlin (bmwa) - Österreich und Deutschland wollen und werden in Sachen Verlängerung der
dreijährigen Übergangsfristen für den Zugang von Dienstnehmern aus den neuen Mitgliedsländern
zum heimischen Arbeitsmarkt abgestimmt vorgehen, betonten am Dienstag (17. 01.) der österreichische Wirtschafts-
und Arbeitsminister Martin Bartenstein und der deutsche Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering
im Anschluss an einen bilateralen Termin in Berlin.
Es sei eine Tatsache, dass aus den neuen Mitgliedsländern entsprechender Druck komme, daher sei angesichts
der Entwicklungen am Arbeitsmarkt in Österreich und Deutschland ein gemeinsames Vorgehen notwendig und sinnvoll.
Im Hinblick auf den Bericht der Kommission habe er den heutigen Termin in Berlin dazu benützt, dieses Thema
intensiv mit dem deutschen Wirtschaftsminister zu diskutieren, sagte Bartenstein. Deutschland und Österreich
würden jedenfalls gemeinsam vorgehen und zeitgerecht vor dem 1. Mai die Kommission von der Inanspruchnahme
der Übergangsfristen in Kenntnis setzen.
Bei dem Arbeitsgespräch wurden auch die Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft ausführlich
besprochen. Zum Beispiel gebe es bei der Arbeitszeitrichtlinie zwei heikle Punkte, in denen ein Konsens zu finden
sei. Bei den Fragen des Opt Out und ob Höchstarbeitszeitgrenzen pro Arbeitnehmer oder pro Arbeitsvertrag zu
gelten hätten, werde Österreich versuchen, einen für alle tragbaren Kompromiss zu finden.
Zum Leitthema für den informellen Beso-Rat in Villach „Flexicurity - Flexibilität durch Sicherheit“ betonte
Bartenstein, wer von den Arbeitnehmern Weltklasse in Sachen Flexibilität verlange müsse auch Weltklasse
an Sicherheit bieten. Vizekanzler Müntefering habe dazu gesagt, dass dies seinem Konzept "Sicherheit
im Wandel" sehr nahe käme, in dem es darum gehe, Arbeitnehmern in Zeiten des schnellen Wandels Sicherheit
zu geben. Bartenstein sprach sich dafür aus, zu diesem Thema ebenso wie zu den Beratungen über die Arbeitszeitrichtlinie
und über die Dienstleistungsrichtlinie die europäischen Sozialpartner mit einzubeziehen.
Vertrauen in Projekt Europa muss gestärkt werden
In seinem an das Gespräch mit Müntefering anschließenden Gastreferat beim Neujahrsempfang der Deutschen
Telekom in Berlin betonte Bartenstein, "die wichtigste Aufgabe der österreichischen EU-Präsidentschaft
ist es, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Projekt Europa zu stärken". Europa
müsse beweisen, dass es die Probleme lösen kann, die den Menschen am Herzen liegen. Ziel sei es daher,
unter dem Motto „Europe 4 People – People 4 Europe“ Europa der Bevölkerung näher bringen. erklärte
Bartenstein.
Ziele der Präsidentschaft
"Der EU-Vorsitz ist eine Dienstleistung an Europa und der Welt", fuhr Bartenstein fort. In den über
zweitausend Sitzungen und Tagungen werde es darum gehen, Beschäftigung und Wachstum zu fördern und zu
sichern, das spezifisch europäische Lebensmodell weiter zu entwickeln, gemeinsame Sicherheit in Europa zu
gewährleisten und die EU verstärkt als "global player" und als verantwortungsvollen internationalen
Partner zu positionieren.
Für mehr Beschäftigung und Wachstum zu sorgen, zählt für Bartenstein zu den vordringlichsten
Aufgaben der europäischen Politik. Die dazu formulierte "Lissabon-Strategie" sei von Beginn an als
die europäische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung konzipiert gewesen, habe allerdings die
ambitionierten Zielsetzungen vorerst wegen widersprüchlicher Prioritäten, schlechter Koordinierung und
vor allem mangelnder Entschlossenheit im politischen Handeln nicht erreicht, betonte der Minister. Die Schwächen
der europäischen Sozialsysteme habe jedenfalls nichts mit der Globalisierung zu tun.
Entwicklung der Arbeitsmärkte im Zeichen von "Flexicurity"
Mit steigenden Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich Anpassung an globale Marktentwicklungen steigen auch die
Anforderungen an deren Arbeitnehmer, stellte Bartenstein fest. Beruflicher Erfolg werde in immer stärkerem
Maß von der Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und zu Flexibilität und Mobilität abhängen.
Europa brauche daher ein Arbeitsmarktmodell, das auf einem Gleichgewicht von Flexibilität und Sicherheit beruht.
Flexibilität und Sicherheit seien nämlich keine Gegensätze, sondern verstärken sich gegenseitig,
betonte der Minister. Denn funktionierende soziale Sicherungssysteme seien für die Mitarbeiter/innen die Grundlage
der von den Unternehmen gewünschten Mobilität und Anpassungsfähigkeit, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der auf diese Weise flexiblen europäischen Unternehmen sei wiederum die Basis für die nachhaltige Finanzierung
eben dieser Systeme.
"Es geht darum, den Menschen zu vermitteln, dass die Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit
keine Bedrohung - und auch kein notwendiges Übel - ist, sondern eine Investition in eine glänzende Zukunft
Europas, in Wohlstand und Sicherheit für sie und die kommenden Generationen darstellt. Das ist keine leichte
Aufgabe, aber wenn uns das gelingt, brauchen wir uns auch um das Thema Europaskepsis keine Sorgen mehr zu machen",
schloss Bartenstein. |