Liberalisierung der Hafendienste bleibt umstritten
Straßburg (europarl) - Zur umstrittenen Richtlinie über die Liberalisierung der Hafendienste
hat das Europäische Parlament am Dienstag (17. 01.) Vormittag eine kontroverse Debatte geführt.
Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Redebeiträge.
Für den Berichterstatter, Georg JARZEMBOWSKI (EVP-ED, DE), stehe bereits seit langem fest, dass
alle am Hafengeschehen Beteiligten, von den Hafenunternehmen bis zu den Reedern, für klare Transparenzregeln
zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Seehäfen seien. Es sei für ihn völlig
unverständlich, warum vier Fraktionen die totale Zurückweisung des Kommissionsvorschlags beantragen "denn
damit verhindern sie auch, dass wir die Transparenzregeln einführen können".
Hinsichtlich des Marktzugangs seien die Interessenslagen sehr unterschiedlich. Die Anbieter von Hafendienstleistungen
wollten keine europäische Regelung, während die Nutzer von Hafendiensten für eine europäische
Regelung seien. Der EG-Vertrag garantiere die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Beides müsse auch
in den Seehäfen gelten.
Jarzembowski führte fünf Gründe für eine europäische Marktzugangsregelung auf:
Erstens sollte zugunsten neuer Diensteanbieter der Marktzugang durch regelmäßige öffentliche Ausschreibungen
von öffentlichen Pachtflächen überhaupt ermöglicht werden.
Zweitens stellen die vorgesehenen Übergangsvorschriften das Fortbestehen der öffentlichen Pachtverträge
theoretisch für 46 Jahre sicher. Kein einziger Betrieb und kein einziger Arbeitsplatz seien deshalb gefährdet.
Drittens würde zugunsten der Hafenarbeiter die Selbstabfertigung aus der Richtlinie gestrichen werden. Eine
europäische Regelung zur Selbstabfertigung sei nicht notwendig. Auch gebe es keinerlei Gefahr von Sozialdumping
oder Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, da die Richtlinie nicht in die Sozialvorschriften der Mitgliedstaaten
und die Tarifautonomie eingreife.
Viertens sei die Richtlinie für die Reeder und die verladende Wirtschaft richtig, denn sie könnten "eine
Auswahl treffen zwischen effizientesten und kostengünstigsten Anbietern und sehen sich eben nicht - wie in
manchen Häfen - allein einer Monopolsituation gegenüber".
Fünftens sei die Richtlinie zugunsten der Wirtschaft und der Verbraucher richtig, denn für den Im- und
Export sei es wichtig, dass die Häfen noch effizienter und kostengünstiger arbeiteten.
Abschließend wandte sich Jarzembowski mit einem Appell an seine Kollegen: "Verweigern Sie sich bitte
nicht der Sachentscheidung, sondern stimmen Sie über die Sachanträge ab. Wenn Sie den Kommissionsvorschlag
insgesamt zurückweisen, nicht nur den Wettbewerbsteil, sondern auch den Marktregelungsteil, dann haben wir
keine europäische Regelung, und das würde Rechtsunsicherheit und Planungsunsicherheit mit sich bringen."
"Wenn das Port Package irgendwo hingehört, dann in die Müllentsorgungsanlagen der Häfen, da
ist es richtig aufgehoben", so Willi PIECYK (SPE, DE). Er lehne die Richtlinie ab, da der Entwurf
der Kommission an der Realität der meisten Häfen Europas vorbei gehe. Die Kommission wolle "in unzumutbarer
Weise in funktionierende, ökonomisch erfolgreiche Strukturen eingreifen und mit riesigem und teurem bürokratischen
Aufwand Wettbewerb exekutieren, den es in den allermeisten Häfen ja gibt".
Es gehe um eine Menge qualifizierter Arbeitsplätze, um Familien, um berufliche Existenzen. Er kenne keinen
einzigen Grund, warum es richtig wäre, diese Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen und ohne Not den sozialen
Frieden in europäischen Häfen zu gefährden. In den meisten Häfen existiere knallharter Wettbewerb.
Wenn nicht jeder Anbieter zum Zuge komme, werde er deshalb noch lange nicht diskriminiert: "Nehmen wir eine
Fußgängerzone in bester City-Lage. Auch da ist der Platz begrenzt. Auch da kommt nicht jeder Anbieter
mit seinem Dienst, den er anbietet, zum Zuge. Aber will die Kommission etwa künftig ein Ausschreibungsverfahren
vorschreiben, weil ein deutscher Frisör in den Ramblas in Barcelona nicht sofort einen Laden mieten kann?
Das geht doch nicht!"
Wenn das europäische Sozialmodell beibehalten werden soll, dürfe man die europäischen Häfen
den asiatischen Unternehmen nicht auf dem Silbertablett servieren. Auch seien Europas Häfen heute schon viel
effizienter als die asiatischen. Abschließend plädierte Piecyk für eine europäische Hafenpolitik
mit einem fairen Wettbewerb zwischen den Häfen.
Michael CRAMER (GRÜNE/EFA, DE) sagte, das Port Package müsse schon aus formellen Gründen
abgelehnt werden: Es ist ein "schlechter Stil, eine vom Parlament abgewiesene Richtlinie fast unverändert
erneut einzubringen, und den Nachfolger und dem Parlament quasi vor die Füße zu schmeißen."
Fast alle Mitgliedstaaten seien gegen das Port Package. Zurecht werde ein ökonomischer Rückschlag befürchtet,
weil Investitionen sich kurzfristiger amortisieren müssten, die Bürokratie kostenträchtig ausgeweitet
würden und weil der Wettbewerb bereits existiere. "Die Kosten in den Häfen der EU sind sehr niedrig,
in den USA sind sie doppelt, in Asien dreimal so hoch wie in Europa." Der Streik der Dockarbeiter sei berechtigt,
weil sie Lohndumping befürchteten. Eine derartige Politik der sozialen Kälte passe nicht zur sozialen
Marktwirtschaft. Cramer forderte Kommissar Barrot auf, eine Neuregelung vorzulegen, mit der die notwendige Transparenz
in den europäischen Häfen erreicht wird.
Helmuth MARKOV (KVEL/NGL, DE) erklärte, die Gründe für die Ablehnung der Richtlinie
seien sehr unterschiedlich. Sie gingen vom Sozialen über die Bürokratie und darüber, "dass
wir es als undemokratisch empfinden, dass eine Kommissarin, die bereits ein Verfallsdatum trägt, nochmals
einen Vorschlag einreicht, der bereits abgelehnt worden war." Kommissar Barrot könne sich und der Kommission
einen großen Gefallen tun, wenn er den Vorschlag zurückziehe. Dadurch hätte die Kommission die
Chance, eine neue Richtlinie vorzulegen, die sich ausschließlich mit der Transparenz und den Beihilfenotwendigkeiten
in Häfen befasse. Dies wäre eine vernünftige Herangehensweise.
Im Kern gehe es nicht um Grundsatzfragen, wie Liberalisierung, Transparenz und dergleichen, sondern es gehe wie
immer um die Details konkreter Regelungen, so Reinhard RACK (EVP-ED, AT). Er unterstütze das
Vorgehen des Berichterstatters und habe keine Freude mit der Parole "zurück zum Staat". Damit würde
nur viel Zeit verloren gehen, "und die Forderung nach Weiß- oder gar Grünbüchern zeigen, dass
man fünf Jahre Ruhe vor dem europäischen Gesetzgeber haben will". Die derzeitige Diskussion erinnere
ihn an die Debatte zur Dienstleistungsrichtlinie und zur EU-Verfassung. Es gehe um hunderte von Details für
ein funktionsfähiges, besseres, gemeinsames Europa. Allerdings bleibe man lieber auf der Ebene der Schlagworte.
"Das bringt mediale Aufmerksamkeit, hilft aber niemandem." |