Umweltmusterland Österreich: Motor oder Bremser in der europäischen Umweltpolitik?  

erstellt am
18. 01. 06

Umwelt-NGOs definieren Österreichs Herausforderungen in Sachen europäischer Umweltpolitik
Wien (global 2000) - Das ÖKOBÜRO und seine Mitgliedsorganisationen Global 2000, Greenpeace und WWF, präsentierten am Mittwoch (18. 01.) ihre Erwartungen an die österreichische EU-Präsidentschaft. Im Vordergrund stehen dabei die Bereiche europäische Nachhaltigkeitsstrategie, Atomenergie, Gentechnik, Klimaschutz sowie Artenvielfalt.

Im April 2006 jährt sich der Reaktorunfall von Tschernobyl zum 20. Mal. Die Folgen des Super­gaus sind bis heute spürbar. Über den EURATOM-Vertrag werden jedoch nach wie vor auch österreichische Steuergelder für die Fertigstellung von Atomkraftwerken ausgegeben, obwohl das österreichische Parlament dies im Jänner 2004 dezidiert abgelehnt hat. Für das rumänische AKW Cernavoda II etwa wurden im März 2004 223,5 Mio. Euro freigegeben. „Anstatt auf nachhaltige Energieformen zu setzen, leistet sich Europa ein massives Investitionsprogramm für die Atomindustrie“, kritisiert Global 2000-Sprecher Jens Karg. Während der österreichischen EU-Präsidentschaft müsse die Reform des EURATOM-Vertrags vehement eingefordert werden. Dies sei die einzig vertretbare Konsequenz im Sinne einer glaubwürdigen österreichischen Anti-Atom-Politik.

Im Bereich Gentechnik kommt der österreichischen Ratspräsidentschaft eine entscheidende Rolle bei der Neuzulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu. Global 2000 und das Ökobüro fordern Umweltminister Pröll auf, die Initiative zu ergreifen, dass die Neuzulassung von GVOs gestoppt wird. Solange nicht geklärt sei, wie das Nebeneinander von Gentech-Anbau und Landwirtschaftsformen, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten, gewährleistet werden soll, muss es einen Zulassungsstopp für GVOs geben. Kein GVO darf eine Freisetzungsgenehmigung erhalten, bis eine europaweit geltende Koexistenzgesetzgebung umgesetzt ist, die sicherstellt, dass gentechfreie Landwirtschaft auch in Zukunft praktiziert werden kann. Die EU-Präsidentschaft müsse sich für eine europarechtliche Verankerung eines generellen GVO-Verbotes einsetzen.

"Gentechnik und Atomkraft sind Hochrisikotechnologien, die die Menschheit existentiell bedrohen. Für beide Technologien gilt, dass das Vorsorgeprinzip strengstens eingehalten werden muss. Global 2000 fordert BM Pröll auf, die Interessen der österreichischen, aber auch der gesamteuropäischen Bevölkerung zu vertreten. Mensch und Umwelt müssen eindeutig Vorrang haben vor kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen großer Strom- und Agrarkonzerne", so Karg.

Greenpeace fordert Österreichs entschiedenen Einsatz für eine europäische Energiewende mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien, ohne Atom, Kohle und Gas und ohne unerträgliche LKW- und Autoemissionen. Wie die aktuelle Greenpeace-Studie ‚Energy Revolution’ beweist, kann Europa in nur zwei Generationen komplett auf Wind, Biomasse/gas, Erdwärme und Wasserkraft umsteigen. Vorrausetzung wäre die Ausnützung aller Energieeffizienzpotentiale und die Beendigung aller Subventionen für fossile und atomare Energiequellen sowie die ausreichende Unterstützung von sauberen Energiequellen. „Wir erwarten von Bundeskanzler Schüssel, dass er endlich seine Blockadehaltung bei Klimaschutz, erneuerbaren Energien und Energieeffizienz aufgibt und Österreich wieder zum Vorreiter im Umweltschutz in Europa wird“, fordert Greenpeace Energiesprecher Erwin Mayer.

Die Europäische Union hat sich im Bereich Naturschutz und Biodiversität beim Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs im Jahr 2001 das Ziel gesetzt, den Verlust der Artenvielfalt bis zum Jahr 2010 zu stoppen. Wesentliches Instrument dazu ist das europäische Schutzgebietsnetz NATURA 2000. Nun geht es darum, dieses Schutzgebietsnetz, das derzeit auf dem Papier besteht und ungefähr 17 Prozent der Fläche Europas umfasst, zu einem echten “Netz des Lebens” zu machen. Es gilt, für alle Gebiete Managementpläne zu erstellen und dann auch umzusetzen. Dazu bedarf es einer gesicherten Finanzierung auf der europäischen Ebene, so wie es in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie vorgesehen ist. Herbert Schaupp vom WWF: „Österreich muss sicherstellen, dass für den europäsichen Naturschutz ausreichend Geld zur Verfügung steht. Sonst wird das ambitionierte Ziel, den Artenverlust bis 2010 zu stoppen, nicht erreicht werden. Die Uhr läuft!“

„Das angebliche ‚Umweltmusterland Österreich’ wird sich anstrengen müssen, um seiner vermeintlichen Vorreiterrolle auf europäischer Ebene nachzukommen. Herausforderungen gibt es genug. Nicht nur, dass die Reform tragender Säulen des EU–Umweltrechts, wie etwa die europäische Luftreinhalte- und die Abfallgesetzgebung reformiert werden. Auch die für den Umbau der Wirtschaft in Richtung Zukunftsfähigkeit zentrale Europäische Nachhaltigkeits­strategie soll im Juni beschlossen werden“, so Fritz Kroiss, umweltpolitischer Leiter des Ökobüros. „Umweltpolitik rangiert derzeit nicht sehr weit oben auf der Brüsseler Prioritätenliste. Umso mehr muss sich Österreich während der EU-Präsidentschaft ins Zeug legen, um etwas zu bewegen“, so Kroiss abschließend.
     
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