Wurmböck: Österreichische Schiffe haben Wettbewerbsnachteil - Maritime Politik braucht
globalen Ansatz
Wien (pwk) - Österreichs Zeit als Seemacht ist lange vorbei. Gegenwärtig fahren noch sechs
Handelsschiffe unter rot-weiß-roter Flagge zur See. Trotzdem sind die Entwicklungen im Seehandel auch für
unsere Wirtschaft von vitalem Interesse. Denn 90 Prozent des Handels zwischen Europa und der restlichen Welt und
erstaunliche 41 Prozent des innergemeinschaftlichen Handels wird über Seehäfen abgewickelt.
Die EU-Seeschifffahrt braucht „ein stabiles und wettbewerbfähiges Umfeld“. Deshalb müssen sich alle Regelungen
am globalen Wettbewerbsumfeld orientieren, erklärt Hans-Georg Wurmböck, stellvertretender Obmann des
Fachverbandes Schiff und Geschäftsführer der österreichischen Lloyd-Gruppe, Österreichs einziger
Hochseereederei. Bedauerlich, so Wurmböck, sei allerdings, dass Österreich als einziges europäisches
Land über keinerlei wirtschaftliche Anreize für die Hochseeschifffahrt verfügt und somit österreichische
Schiffe einen gravierenden Wettbewerbsnachteil haben.
Die EU-Schifffahrt braucht ein stabiles Umfeld
Die heimische Schifffahrt fordert, dass auch weiterhin die Transparenzvorschriften für Häfen (Finanzierung),
die Teil des abgelehnten „Port Package II“ waren, realisiert werden. Die Politik müsse vor allem dafür
sorgen, dass die Kapazitäten der Häfen und der Verbindungen ins Hinterland im erforderlichen Umfang ausgebaut
werden, mahnt Wurmböck.
Der Seeschifffahrtssektor verzeichnet derzeit einen Aufschwung in fast allen Segmenten. Besonders stark hat im
Vorjahr der Containerverkehr zugenommen. 103 Millionen Standard-Container weist die Statistik aus, 12,5 Prozent
mehr als im Vorjahr. Wurmböck erklärt den außergewöhnlichen Anstieg in erster Linie mit dem
Aufstieg Chinas und Indiens. Ein jährliches Wachstum von mehr als sechs Prozent sei derzeit die Realität.
Der Rotterdamer Hafen hatte 2005 das bisher beste Umschlagsergebnis seiner Geschichte. So gingen in den zurückliegenden
zwölf Monaten rund 365 (2004: 352) Millionen t, also plus vier Prozent, über die Quais.
Die Handelsflotte unter europäischen Flaggen umfasst heute mehr als 25 Prozent der weltweit verfügbaren
Tonnage, vor allem dank der neuen EU-Mitglieder sowie der europaweiten „Tonnagesteuer“ . Die 1997 verabschiedete
und 2004 überarbeite Leitlinie der EU-Kommission für staatliche Beihilfen im Seeverkehr hat wesentliche
Anreize zum „Rückflaggen“ gesetzt. Die Einführung der Tonnagesteuer, die als Pauschalbetrag eingehoben
wird, und die Senkung der Sozialabgaben und Steuern für Seeleute, die auf in der EU registrierten Schiffen
arbeiten, waren wichtige Anreize, um das Abwandern von Unternehmen, Schiffen und maritimem Know how nicht nur zu
stoppen, sondern Europa binnen weniger Jahre zum weltweit führenden maritimen Standort zu machen.
Die Zahl der unter EU-Flagge fahrenden Schiffe ist in den letzten Jahren um 0,4 Prozent gestiegen, die der Tonnage
um 1,5 Prozent. Der bis dahin rückläufige Trend konnte umgekehrt werden. Insgesamt hat die EU-Handelsflotte
ein Volumen von knapp 400 Millionen Tonnen. |