Meine Damen und Herren!
Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen.
Herzlich willkommen hier in Salzburg am 27. Jänner 2006. Heute vor 250 Jahren wurde ein wahrhaft europäischer
Künstler, Wolfgang Amadeus Mozart, geboren. Mit dieser Konferenz zum "Sound of Europe" wollte ich
auch gleichzeitig den Startschuss für eine europäische Debatte um die Zukunft Europas geben.
Ich möchte sehr herzlich in unserer Mitte stellvertretend für viele, unseren Herrn Bundespräsidenten
Heinz Fischer sehr herzlich begrüßen, die Ministerpräsidenten von Frankreich, Dominique de Villepin,
Jan Peter Balkenende aus den Niederlanden, Matti Vanhanen aus Finnland, ich darf den Präsidenten des Europäischen
Parlaments, Josep Borrell in unserer Mitte begrüßen, den Präsidenten des finnischen Parlaments,
meinen alten Freund und Kollegen Paavo Lipponen, natürlich den Co-Sponsor und Mitveranstalter, die Europäische
Kommission. Der Präsident Barroso ist zwar noch nicht gekommen, aber ich darf die Vizepräsidentin Margot
Waldström, die die Konferenz mit mir eröffnen wird, sehr herzlich mit den Kommissaren Benita Ferrero-Waldner
und Jan Figel` willkommen heißen. Ich möchte sie alle sehr herzlich begrüßen, ich freue mich
sehr, dass Sie gekommen sind.
Ein Dankeschön dem Team, das diese Konferenz vorbereitet hat. Sie werden beim Hereinkommen sicher eine ganze
Reihe von Videoinstallationen gesehen haben. Es ist die ARS-Elektronikergruppe, die sich bemüht hat, das Thema
Europa in eine Bild- und Lichtsprache zu übersetzen und die Gedanken zu Europa, die viele zu Papier gebracht
haben, hörbar und sichtbar zu machen und auch entsprechend umzusetzen.
Was ist der Kontext dieser Konferenz? Ich darf hier Jan Peter Balkenende zitieren. Er hat sich während der
Niederländischen Präsidentschaft mit Unterstützung des Nexus-Instituts im Rahmen einer Diskussionsreihe
mit dem Titel "Europa - A beautiful idea" auf Schatzsuche in Europa begeben. Die damals diskutierten
Fragestellungen haben 2005 umso mehr Brisanz gewonnen, als die Europäische Union nach zwei gescheiterten Referenden
zum Verfassungsvertrag und einem sehr schwierigen, weil erfolglosen, Gipfel um die Finanzvorschau im Juni 2005
in eine dramatische Situation geschlittert ist. Bei diesem Juni-Gipfel vor etwas mehr als einem halben Jahr haben
die Regierungschefs beschlossen, eine Reflexionsphase, die dazu dienen soll, die Ursachen des Unbehagens, das viele
Bürger in Europa vielleicht nicht nur oder nicht so sehr mit dem Text des Vertrages empfinden, zu artikulieren,
aufzuspüren, Lösungen, Antworten und Fragestellungen zu finden. Mit diesem Sinn wollen wir diese Idee
des Niederländischen Vorsitzes in einer veränderten, nicht einfacher gewordenen, Situation weiterführen,
um Lösungen aufzuspüren und Antworten zu finden.
Das erste Panel wird sich diesem Unbehagen, der Kritik, den Krisengefühle in Europa widmen und Gründe
dafür zu analysieren versuchen. In einem zweiten Panel werden die Teilnehmer ganz konkret mögliche Lösungsansätze
ansprechen, das dritte Panel morgen Vormittag soll vor allem die Rolle der Kunst und Kultur für Europa und
die Europäische Identität beleuchten. Welche politischen Schlüsse aus den Diskussionsbeiträgen
gezogen werden können, wird dann natürlich auch das Thema der Schlussrunde sein.
Meine Damen und Herren!
Heute ist aber nicht nur der Geburtstag Wolfgang Amadeus Mozarts, sondern heute ist auch der Holocaust-Tag, der
internationale Gedenktag an einen der größten Schrecken in der europäischen Geschichte. Heute vor
61 Jahren ist das Konzentrationslager Auschwitz von der Roten Armee befreit worden. Auch dieses Auschwitz ist als
Synonym für das Verbrechen Teil der europäischen Geschichte und muss in unserer Reflexion mit einbezogen
werden. Während Josef Krips, ein großer österreichischen Dirigent, der leider schon verstorben
ist, sagt: „Während der eine – Mozart - vom Himmel kommt, ist das andere – Auschwitz – heute geradezu zum
Synonym für die Hölle geworden.“ Beides, paradiesische Erwartung, Traum, Vision und auch die Realität
des Scheiterns, des Verbrechens, das Böse, die Hölle – all das macht die menschliche und wohl auch die
europäische Identität aus.
Mozart kann dabei manche Antworten geben oder Ihnen helfen. Er ist in einer Zeit geboren und hat in einer Zeit
gelebt, die – und das sollten sich vielleicht europäische Bürger von heute in Erinnerung rufen – die
von dramatischen Veränderungen geprägt war. Wenn viele sich heute vor Veränderungen, vor dem „wind
of change“ fürchten: Damals war dies eine Veränderung ohne Gleichen.
Die amerikanische Revolution beispielsweise. In Mozarts Todesjahr wurde die „Bill of Rights“ geschrieben und formuliert.
Die Französische Revolution, Adam Smith hat in seinem Werk „Wealth of Nations“ die Grundlagen der modernen
Gesellschaft beschrieben. Als Mozart in Wien „Die Entführung aus dem Serail“ komponierte, hat Hegel gleichzeitig
die „Phänomenologie des Geistes“ zu Papier gebracht. Die Industrielle Revolution begann damals mit der Dampfmaschine,
mit der Entdeckung der Elektrizität. Die Webstühle, industriell und programmierbar, wurden erfunden.
Die modernen Printmedien – ich heiße die Massenmedien, Journalisten und die Radio- und Fernsehreporter an
dieser Stelle in unserer Mittel willkommen – sind damals gegründet worden. Noch immer gibt es zwei Zeitungen,
die damals wie heute existieren. Die „Neue Zürcher Zeitung“ wurde 1780 gegründet, die „Times“ 1788.
Mozart selber ist ja wie ein Wirbelwind in dieser Zeit der Veränderung quer durch Europa gereist und hat damit
die europäische Geschichte mitgeprägt. Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass er in seinem kurzen Leben,
das uns geschenkt war, ein Drittel auf Reisen gewesen ist und 200 europäische Städte erfahren, erspürt
und vielleicht auch ihren Klang mitkomponiert hat, dann kann man durchaus auch sagen, dass er Teil dieser Veränderung
war. Er hat manches vorausgespürt. Er hat gespürt – diesen Gedanken verdanke ich Martin Kušej - , dass
manches in einem dramatischen Blutbad enden kann. Nimmt man etwa die Oper „La Clemenza di Tito“ zum Beispiel, die
mit einem Blutbad und einem Anschlag auf das Kapitol endet während ein Mordanschlag gegen Kaiser Titus ohne
triftigen Grund verübt werden soll. Mozart hat hier schon die Französische Revolution vorausgeahnt und
zugleich auch die Antwort gegeben, wie man die Dinge in Ordnung bringen kann: Nicht mit den Waffen, sondern mit
Musik: In der Zauberflöte werden mit Hilfe einer Flöte das Militär und die Verfolger zum Stehen,
ja zum Tanzen gebracht.
Vieles von diesen Veränderungsschmerzen, Geburtsschmerzen, Wachstumsschmerzen, Reifungsschmerzen spüren
wir natürlich auch heute in Europa. Dieses Europa darf nicht zu einer rein ökonomischen Idee werden,
ich sage das hier ganz offen. Europa muss mehr sein, muss eine kulturelle Identität finden, muss sich besinnen
auf das, was uns zusammenhält, wo seine Grenzen, seine Ziele, seine Möglichkeiten sind. Es muss seinen
Realitäts- und Möglichkeitssinn entwickeln, bracht einen „spirit“, braucht nicht nur eine gemeinsame
Währung, sondern ein gemeinsames Ziel und gemeinsame Projekte.
Meine Damen und Herren!
Bevor ich jetzt das Wort an Margot Wallström weitergebe und einlade, mit mir die Konferenz zu eröffnen,
will ich einen Dichter zitieren, der sich viel mit Musik beschäftigt hat. Hermann Hesse hat gesagt: „Wer die
Musik liebt, für den hat die Welt einen Kontinent mehr.“ Vielleicht kann Wolfgang Amadeus Mozart und sein
Verhältnis zu Europa ein Motto haben, wie etwa „Zukunftsmusik für einen alten Kontinent“. Es wäre
schön wenn es gelänge, wenn Europa nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösungen wird. Ich
wünsche der Konferenz einen guten Erfolg und Verlauf.
Quelle: Bundespressedienst |