Aktuelle Stunde im Nationalrat zum Thema Behindertenpolitik  

erstellt am
26. 01. 06

Der langjährige Abgeordnete Herbert Haupt nimmt Abschied
Wien (pk) - "Behindertenpolitik - Gleiche Rechte für alle Menschen mit besonderen Bedürfnissen", lautete das vom freiheitlichen Klub ausgewählte Thema der Aktuellen Stunde am Beginn der Nationalratssitzung vom Mittwoch (25. 01.).

Aus Anlass seines bevorstehenden Ausscheidens aus dem Nationalrat verknüpfte Abgeordneter HAUPT (F) das Thema der Aktuellen Stunde mit einem persönlichen Rückblick auf seine zwanzigjährige - durch eine dreijährige Tätigkeit als Sozialminister - unterbrochene Tätigkeit als Abgeordneter. Er habe viele Highlights in der Behindertenpolitik erlebt, sagte Haupt, wobei er in erster Linie die Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993 erwähnte. Er habe aber auch viele Enttäuschungen erlebt, klagte der scheidende Abgeordnete, der künftig als Behindertenanwalt tätig sein wird, und appellierte an die Fraktionen, ihre Parteizentralen endlich behindertengerecht zu gestalten und so der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung bei der Umsetzung des im Vorjahr beschlossenen Behindertengleichstellungsgesetzes vorbildhaft voranzugehen.

Kritik übte der engagierte Behindertenpolitiker an den Gebietskrankenkassen, die mangelndes Engagement beim barrierefreien Zugang zu Arztpraxen zeigten - als Ausnahme und Vorbild nannte Haupt die Burgenländische Gebietskrankenkasse.

Das Thema Ortstafelstreit wollte der Kärntner Haupt nicht unerwähnt lassen. Er erinnerte an die vielen hervorragenden Persönlichkeiten des österreichischen Rechtsstaates, die er im Hohen Haus kennen gelernt habe, sagte Haupt und betonte seine Auffassung, dass die Verfassungsgesetzgebung eine Angelegenheit der Parlamentarier sei.

Zur Behindertenpolitik zurückkehrend mahnte der scheidende Abgeordnete die Umsetzung der Ö-Norm aus dem Jahr 1997 für behindertengerechtes Bauen im Bereich der Gebietskörperschaften ein und unterstrich die Barrierefreiheit als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben der Behinderten nach eigenen Vorstellungen.

Nationalratspräsident Dr. Khol würdigte die - von allen Fraktionen geschätzte - "engagierte, beherzte und sachkundige Arbeit" Herbert Haupts als Abgeordneter. Der Präsident dankte Haupt auch für seine Tätigkeit als Sozialminister und Vizekanzler im Dienste der Republik.

Staatssekretär DOLINSCHEK (F) erinnerte an die gründlichen Vorarbeiten von Herbert Haupt für das mit Beginn dieses Jahres in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz. Dieses Gesetz bilde eine solide Grundlage für den Umgang mit behinderten Menschen, deren ungeteilten Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben der Staatssekretär als einen wesentlichen Grundsatz der österreichischen Sozialpolitik unterstrich. Behinderte Menschen haben Stärken, mit denen sie die Gesellschaft bereichern, sie haben daher einen hohen Stellenwert in der Arbeitswelt, sagte Dolinschek. Durch "barrierefreies Arbeiten" gehe es darum, mehr Menschen mit Behinderungen in das Arbeitsleben zu integrieren. Diskriminierungen wurde durch das Behindertengleichstellungsgesetz eine klare Absage erteilt. Im internationalen Vergleich handle es sich um das umfassendste Behindertengleichstellungsgesetz, das durch die Einbeziehung der Angehörigen weltweit vorbildlich sei.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Behindertengleichstellung sei unübersehbar, argumentierte der Staatssekretär weiter. Der Investitionsschub infolge barrierefreien Bauens werde bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Touristische Angebote für Behinderte - Stichwort "barrierefreier Urlaub" - löse Nachfrageimpulse in den Bereichen Gastronomie, Hotellerie, Handel und Gewerbe aus. Diesbezügliche Investitionen werden von der Bundesregierung mit bis zu 50.000 € gefördert, teile der Staatssekretär den Abgeordneten mit.

Abgeordneter Dr. HUAINIGG (V) erinnerte als Behindertenvertreter daran, wie wichtig die Entscheidung gewesen sei, Integrationsklassen einzurichten, um die Bildungschancen behinderten Kindern zu verbessern. Der Abgeordnete würdigte das Engagement der Bundesregierung sowie des Abgeordneten und ehemaligen Sozialministers Haupt für die Förderung von Behindertenarbeitsplätzen und berichtete von persönlichen Erfahrungen mit behinderten Menschen, die in den letzten Jahren Arbeitsplätze gefunden haben. Diese Politik gelte es fortzusetzen. Als zentralen Punkt bei der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes unterstrich Huainigg den barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden und die Förderung des behindertengerechten Zugangs zum Internet. Als ganz besonders wichtig bezeichnete der Redner barrierefreie Zugänge zu
Arztpraxen. Dieses Erfordernis sei ab 1.1.2006 für neue Arztpraxen verbindlich, für bestehende Ordinationen sei dieses Ziel sukzessive umzusetzen. Abgeordnetem Haupt, "der uns als Behindertenanwalt erhalten bleibt", wünschte Abgeordneter Huainigg "mit aller Klarheit" alles Gute für seine neue Tätigkeit.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) unterstrich die Bedeutung des Behindertengleichstellungsgesetzes für 800.000 behinderte Menschen und deren Angehörige in Österreich. Bedauerlicherweise sei es aber nicht gelungen, den im Gesetz verankerten Behindertenanwalt weisungsfrei zu stellen. Kritik übte Lapp an der Bestellung Herbert Haupts, der sich selbst als geeignet präsentiert habe - Haupt sei jener Minister gewesen, der für die Einführung der Unfallrentenbesteuerung und der Ambulanzgebühren verantwortlich war. Zudem kritisierte Lapp die Versorgung der Mitarbeiter von BZÖ-Ministern im Büro des Behindertenanwalts. "Behinderte brauchen Unterstützung, nicht Postenschacher", sagte die Abgeordnete. Im Einzelnen unterstrich die Rednerin die Probleme behinderter Kinder und ihrer Eltern - dabei stellte sie der "Steinzeitpädagogik" Elisabeth Gehrers das sozialdemokratische Konzept einer "inklusiven Pädagogik" gegenüber.

Abgeordnete PARTIK-PABLE (F) berichtete ebenfalls von High-Lights und Tiefpunkten in der Behindertenpolitik, vom erfolgreichen Engagement der Behindertenverbände bei der Einführung der Pflegevorsorge ebenso wie von der Kürzung des Pflegegeldes sowie des Taschengeldes von Heimbewohnern im Zuge der Belastungspakete sozialistischer Minister in den Jahren 1996/1997.

Die Bundesregierungen seit 2000 haben viel für die Behinderten getan, sagte Partik-Pable und wies auf die Erhöhung des Pflegegeldes, die Schaffung von 17.000 Arbeitsplätzen, die Verabschiedung des Heimaufenthaltsgesetzes und auf das neue Behindertengleichstellungsgesetz hin. Abschließend würdigte Partik-Pable das Engagement Herbert Haupts, der sich mit viel Geduld für Behindertenanliegen eingesetzt habe. "Herbert Haupt ist der richtige Mann für die Position des Behindertenanwalts".

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) wünschte dem scheidenden Abgeordneten Herbert Haupt alles Gute in seiner neuen Position, kritisierte aber die Vorgangsweise bei dieser Postenbesetzung, die ohne Expertenhearing zustande gekommen sei und bei der die anderen Bewerber aus der Zeitung erfahren mussten, wer es geworden sei. Die Werbekampagne des Sozialministeriums unter dem Titel "Spot Zukunft 2013" wies die Abgeordnete als "jenseitig" zurück. In die Realität übersetzt laute etwa die Botschaft des Interviews mit der "querschnittgelähmten Barbara": Wer im Jahr 2007 einen schweren Unfall habe, könne im Jahr 2013 damit rechnen, einen Job im Management eines großen Unternehmens zu haben, kritisierte Haidlmayr pointiert.

Weitere Kritikpunkte der Grünen Behindertensprecherin bezogen sich auf mangelndes Engagement der Ärztekammer bei der Herstellung barrierefreier Zugänge zu Arztpraxen und insgesamt auf die zögerliche Umsetzung gesetzlicher Vorschriften zugunsten von Behinderten. "Wir brauchen ein Gesetz, dass nicht nur einen schönen Namen, sondern auch einen Inhalt hat", schloss Abgeordnete Haidlmayr.

Abgeordnete RIENER (V) listete noch einmal die zahlreichen Verbesserungen für behinderte Menschen in den letzten Jahren auf, wobei sie auch die Förderung des Behindertensports erwähnte und sich auf die Integration behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt konzentrierte. Dabei ging sie auf Umsetzungsprobleme ein und machte darauf aufmerksam, dass es sich im Einzelnen als notwendig herausgestellt habe, Menschen, die am Arbeitsplatz an der Integration behinderter Kollegen mitwirken sollen, durch Fortbildungsseminare zu unterstützen. Dies sei notwendig, um die erforderliche Toleranz zu fördern, Missverständnisse zu vermeiden und Ignoranz auszuschließen.

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) schloss sich ihrer Vorrednerin an und ging auf die besonderen Probleme behinderter Kinder im Schulunterricht ein. Der Schulerfolg behinderter Kinder sei im besonderen Maße Voraussetzung für ihre Chancen, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, hob die Rednerin hervor und forderte mehr Engagement für Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf - sowohl in Integrationsklassen als auch in Sonderschulen. In diesem Zusammenhang deponierte die Rednerin die Forderung von SonderschuldirektorInnen nach differenzierten Lehrplänen für Sonderschüler. Zudem appellierte die Abgeordnete an ihre KollegInnen, Jugendliche in Behindertenprojekten in die Sozialversicherung einzubeziehen.

Abgeordneter WALCH (F) wies Vorwürfe der SPÖ gegen den scheidenden Abgeordneten Herbert Haupt zurück. Die Soziademokraten haben in den langen Jahren ihrer Regierungsverantwortung Zeit genug gehabt, sich für die Behinderten einzusetzen, so Walch. Herbert Haupt habe, etwa durch die Behindertenmilliarde, einmalige Leistungen für die Behinderten erbracht und ihre Chancen auf dem Arbeitsplatz wesentlich verbessert. Würde man seine Leistungen für die Verbesserung der sozialen Lage pflegebedürftiger Menschen aufzählen wollen, "würde dies den Rahmen einer Rede sprengen", sagte Walch, der Herbert Haupt als Sozialsprecher des Freiheitlichen Klubs nachfolgt und in dieser Position sein Bestes zu geben versprach.

Abgeordneter BROSZ (G) schloss sich seiner Fraktionskollegen Haidlmayr an und sagten ebenfalls, dass ein gutes Behindertengleichstellungsgesetz mehr brauche als einen schönen Titel. Die diesbezügliche Werbespots des Ressorts seien völlig unrealistisch, kritisierte auch Brosz und wies darauf hin, dass der "gehörlose Oberarzt", der für das Jahr 2013 angekündigt werde, zwei bis drei Gebärdendolmetscher bräuchte, "sie werden aber nicht zur Verfügung stehen", weil in Österreich in absehbarer Zeit starker Mangel an Gebärdendolmetschern herrschen werde. Nicht einmal in Gehörlosenschulen werde die Gehörlosensprache verpflichtend unterrichtet, klagte Brosz. Mängel ortete der Abgeordnete auch beim behindertengerechten Schulbau. Nach wie vor müssten behinderte Schüler in Internaten untergebracht werden, wenn sie eine höhere Schule besuchen wollen. Brosz drängte darauf, alle Schulen barrierefrei zu bauen und bestehende Schulen so rasch wie möglich umzubauen.
     
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