Der langjährige Abgeordnete Herbert Haupt nimmt Abschied
Wien (pk) - "Behindertenpolitik - Gleiche Rechte für alle Menschen mit besonderen Bedürfnissen",
lautete das vom freiheitlichen Klub ausgewählte Thema der Aktuellen Stunde am Beginn der Nationalratssitzung
vom Mittwoch (25. 01.).
Aus Anlass seines bevorstehenden Ausscheidens aus dem Nationalrat verknüpfte Abgeordneter HAUPT (F) das Thema
der Aktuellen Stunde mit einem persönlichen Rückblick auf seine zwanzigjährige - durch eine dreijährige
Tätigkeit als Sozialminister - unterbrochene Tätigkeit als Abgeordneter. Er habe viele Highlights in
der Behindertenpolitik erlebt, sagte Haupt, wobei er in erster Linie die Einführung des Pflegegeldes im Jahr
1993 erwähnte. Er habe aber auch viele Enttäuschungen erlebt, klagte der scheidende Abgeordnete, der
künftig als Behindertenanwalt tätig sein wird, und appellierte an die Fraktionen, ihre Parteizentralen
endlich behindertengerecht zu gestalten und so der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung bei der
Umsetzung des im Vorjahr beschlossenen Behindertengleichstellungsgesetzes vorbildhaft voranzugehen.
Kritik übte der engagierte Behindertenpolitiker an den Gebietskrankenkassen, die mangelndes Engagement beim
barrierefreien Zugang zu Arztpraxen zeigten - als Ausnahme und Vorbild nannte Haupt die Burgenländische Gebietskrankenkasse.
Das Thema Ortstafelstreit wollte der Kärntner Haupt nicht unerwähnt lassen. Er erinnerte an die vielen
hervorragenden Persönlichkeiten des österreichischen Rechtsstaates, die er im Hohen Haus kennen gelernt
habe, sagte Haupt und betonte seine Auffassung, dass die Verfassungsgesetzgebung eine Angelegenheit der Parlamentarier
sei.
Zur Behindertenpolitik zurückkehrend mahnte der scheidende Abgeordnete die Umsetzung der Ö-Norm aus dem
Jahr 1997 für behindertengerechtes Bauen im Bereich der Gebietskörperschaften ein und unterstrich die
Barrierefreiheit als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben der Behinderten nach eigenen Vorstellungen.
Nationalratspräsident Dr. Khol würdigte die - von allen Fraktionen geschätzte - "engagierte,
beherzte und sachkundige Arbeit" Herbert Haupts als Abgeordneter. Der Präsident dankte Haupt auch für
seine Tätigkeit als Sozialminister und Vizekanzler im Dienste der Republik.
Staatssekretär DOLINSCHEK (F) erinnerte an die gründlichen Vorarbeiten von Herbert Haupt für das
mit Beginn dieses Jahres in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz. Dieses Gesetz bilde eine solide Grundlage
für den Umgang mit behinderten Menschen, deren ungeteilten Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben der Staatssekretär
als einen wesentlichen Grundsatz der österreichischen Sozialpolitik unterstrich. Behinderte Menschen haben
Stärken, mit denen sie die Gesellschaft bereichern, sie haben daher einen hohen Stellenwert in der Arbeitswelt,
sagte Dolinschek. Durch "barrierefreies Arbeiten" gehe es darum, mehr Menschen mit Behinderungen in das
Arbeitsleben zu integrieren. Diskriminierungen wurde durch das Behindertengleichstellungsgesetz eine klare Absage
erteilt. Im internationalen Vergleich handle es sich um das umfassendste Behindertengleichstellungsgesetz, das
durch die Einbeziehung der Angehörigen weltweit vorbildlich sei.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Behindertengleichstellung sei unübersehbar, argumentierte der Staatssekretär
weiter. Der Investitionsschub infolge barrierefreien Bauens werde bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Touristische Angebote für Behinderte - Stichwort "barrierefreier Urlaub" - löse Nachfrageimpulse
in den Bereichen Gastronomie, Hotellerie, Handel und Gewerbe aus. Diesbezügliche Investitionen werden von
der Bundesregierung mit bis zu 50.000 € gefördert, teile der Staatssekretär den Abgeordneten mit.
Abgeordneter Dr. HUAINIGG (V) erinnerte als Behindertenvertreter daran, wie wichtig die Entscheidung gewesen sei,
Integrationsklassen einzurichten, um die Bildungschancen behinderten Kindern zu verbessern. Der Abgeordnete würdigte
das Engagement der Bundesregierung sowie des Abgeordneten und ehemaligen Sozialministers Haupt für die Förderung
von Behindertenarbeitsplätzen und berichtete von persönlichen Erfahrungen mit behinderten Menschen, die
in den letzten Jahren Arbeitsplätze gefunden haben. Diese Politik gelte es fortzusetzen. Als zentralen Punkt
bei der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes unterstrich Huainigg den barrierefreien Zugang zu öffentlichen
Gebäuden und die Förderung des behindertengerechten Zugangs zum Internet. Als ganz besonders wichtig
bezeichnete der Redner barrierefreie Zugänge zu
Arztpraxen. Dieses Erfordernis sei ab 1.1.2006 für neue Arztpraxen verbindlich, für bestehende Ordinationen
sei dieses Ziel sukzessive umzusetzen. Abgeordnetem Haupt, "der uns als Behindertenanwalt erhalten bleibt",
wünschte Abgeordneter Huainigg "mit aller Klarheit" alles Gute für seine neue Tätigkeit.
Abgeordnete Mag. LAPP (S) unterstrich die Bedeutung des Behindertengleichstellungsgesetzes für 800.000 behinderte
Menschen und deren Angehörige in Österreich. Bedauerlicherweise sei es aber nicht gelungen, den im Gesetz
verankerten Behindertenanwalt weisungsfrei zu stellen. Kritik übte Lapp an der Bestellung Herbert Haupts,
der sich selbst als geeignet präsentiert habe - Haupt sei jener Minister gewesen, der für die Einführung
der Unfallrentenbesteuerung und der Ambulanzgebühren verantwortlich war. Zudem kritisierte Lapp die Versorgung
der Mitarbeiter von BZÖ-Ministern im Büro des Behindertenanwalts. "Behinderte brauchen Unterstützung,
nicht Postenschacher", sagte die Abgeordnete. Im Einzelnen unterstrich die Rednerin die Probleme behinderter
Kinder und ihrer Eltern - dabei stellte sie der "Steinzeitpädagogik" Elisabeth Gehrers das sozialdemokratische
Konzept einer "inklusiven Pädagogik" gegenüber.
Abgeordnete PARTIK-PABLE (F) berichtete ebenfalls von High-Lights und Tiefpunkten in der Behindertenpolitik, vom
erfolgreichen Engagement der Behindertenverbände bei der Einführung der Pflegevorsorge ebenso wie von
der Kürzung des Pflegegeldes sowie des Taschengeldes von Heimbewohnern im Zuge der Belastungspakete sozialistischer
Minister in den Jahren 1996/1997.
Die Bundesregierungen seit 2000 haben viel für die Behinderten getan, sagte Partik-Pable und wies auf die
Erhöhung des Pflegegeldes, die Schaffung von 17.000 Arbeitsplätzen, die Verabschiedung des Heimaufenthaltsgesetzes
und auf das neue Behindertengleichstellungsgesetz hin. Abschließend würdigte Partik-Pable das Engagement
Herbert Haupts, der sich mit viel Geduld für Behindertenanliegen eingesetzt habe. "Herbert Haupt ist
der richtige Mann für die Position des Behindertenanwalts".
Abgeordnete HAIDLMAYR (G) wünschte dem scheidenden Abgeordneten Herbert Haupt alles Gute in seiner neuen Position,
kritisierte aber die Vorgangsweise bei dieser Postenbesetzung, die ohne Expertenhearing zustande gekommen sei und
bei der die anderen Bewerber aus der Zeitung erfahren mussten, wer es geworden sei. Die Werbekampagne des Sozialministeriums
unter dem Titel "Spot Zukunft 2013" wies die Abgeordnete als "jenseitig" zurück. In die
Realität übersetzt laute etwa die Botschaft des Interviews mit der "querschnittgelähmten Barbara":
Wer im Jahr 2007 einen schweren Unfall habe, könne im Jahr 2013 damit rechnen, einen Job im Management eines
großen Unternehmens zu haben, kritisierte Haidlmayr pointiert.
Weitere Kritikpunkte der Grünen Behindertensprecherin bezogen sich auf mangelndes Engagement der Ärztekammer
bei der Herstellung barrierefreier Zugänge zu Arztpraxen und insgesamt auf die zögerliche Umsetzung gesetzlicher
Vorschriften zugunsten von Behinderten. "Wir brauchen ein Gesetz, dass nicht nur einen schönen Namen,
sondern auch einen Inhalt hat", schloss Abgeordnete Haidlmayr.
Abgeordnete RIENER (V) listete noch einmal die zahlreichen Verbesserungen für behinderte Menschen in den letzten
Jahren auf, wobei sie auch die Förderung des Behindertensports erwähnte und sich auf die Integration
behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt konzentrierte. Dabei ging sie auf Umsetzungsprobleme ein und machte darauf
aufmerksam, dass es sich im Einzelnen als notwendig herausgestellt habe, Menschen, die am Arbeitsplatz an der Integration
behinderter Kollegen mitwirken sollen, durch Fortbildungsseminare zu unterstützen. Dies sei notwendig, um
die erforderliche Toleranz zu fördern, Missverständnisse zu vermeiden und Ignoranz auszuschließen.
Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) schloss sich ihrer Vorrednerin an und ging auf die besonderen Probleme
behinderter Kinder im Schulunterricht ein. Der Schulerfolg behinderter Kinder sei im besonderen Maße Voraussetzung
für ihre Chancen, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, hob die Rednerin hervor und forderte mehr Engagement für
Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf - sowohl in Integrationsklassen als auch in Sonderschulen.
In diesem Zusammenhang deponierte die Rednerin die Forderung von SonderschuldirektorInnen nach differenzierten
Lehrplänen für Sonderschüler. Zudem appellierte die Abgeordnete an ihre KollegInnen, Jugendliche
in Behindertenprojekten in die Sozialversicherung einzubeziehen.
Abgeordneter WALCH (F) wies Vorwürfe der SPÖ gegen den scheidenden Abgeordneten Herbert Haupt zurück.
Die Soziademokraten haben in den langen Jahren ihrer Regierungsverantwortung Zeit genug gehabt, sich für die
Behinderten einzusetzen, so Walch. Herbert Haupt habe, etwa durch die Behindertenmilliarde, einmalige Leistungen
für die Behinderten erbracht und ihre Chancen auf dem Arbeitsplatz wesentlich verbessert. Würde man seine
Leistungen für die Verbesserung der sozialen Lage pflegebedürftiger Menschen aufzählen wollen, "würde
dies den Rahmen einer Rede sprengen", sagte Walch, der Herbert Haupt als Sozialsprecher des Freiheitlichen
Klubs nachfolgt und in dieser Position sein Bestes zu geben versprach.
Abgeordneter BROSZ (G) schloss sich seiner Fraktionskollegen Haidlmayr an und sagten ebenfalls, dass ein gutes
Behindertengleichstellungsgesetz mehr brauche als einen schönen Titel. Die diesbezügliche Werbespots
des Ressorts seien völlig unrealistisch, kritisierte auch Brosz und wies darauf hin, dass der "gehörlose
Oberarzt", der für das Jahr 2013 angekündigt werde, zwei bis drei Gebärdendolmetscher bräuchte,
"sie werden aber nicht zur Verfügung stehen", weil in Österreich in absehbarer Zeit starker
Mangel an Gebärdendolmetschern herrschen werde. Nicht einmal in Gehörlosenschulen werde die Gehörlosensprache
verpflichtend unterrichtet, klagte Brosz. Mängel ortete der Abgeordnete auch beim behindertengerechten Schulbau.
Nach wie vor müssten behinderte Schüler in Internaten untergebracht werden, wenn sie eine höhere
Schule besuchen wollen. Brosz drängte darauf, alle Schulen barrierefrei zu bauen und bestehende Schulen so
rasch wie möglich umzubauen. |