Energiebilanz des Reisenden geht alle was an  

erstellt am
10. 02. 06

Entschleunigung des Transports als Lösungsvariante
Wien/Bern (pte) - Tourismus sorgt weltweit für immer mehr Schadstoff- emissionen und wirkt dadurch umweltgefährdend. Der Schweizer Wissenschaftler Hansruedi Müller vom Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus (FIF) warnt vor dem Wildwuchs der Tourismusindustrie und deren Folgen für die Umwelt. Prinzipiell geht es um das Wohin und das Wie. Müller klagt im pressetext-Interview darüber, dass die Destinationswahl sich ausschließlich über den Preis definiere und die Energiebilanz außer Acht lasse.

"Die Energiebilanz des Reisenden geht alle etwas an", meint Müller. Es gebe in der Zwischenzeit zahlreiche Informationsquellen, die ziemlich genau darüber Aufschluss geben, wie hoch der Energieaufwand der jeweiligen Transportmittel sei. "Die westliche Welt hat den Massentourismus entdeckt und konsumiert diesen Fastfood-mäßig", so Müller. Es sei eine Unkultur, die Wahl der Reisedestination ausschließlich über den Verkaufspreis zu definieren. Als erstes Ende des Wildwuchses sieht der Experte die gesetzliche Regelung, Flugpreise nur noch als Inklusivpreise deklarieren zu dürfen. "Es ist notwendig Kerosin zu besteuern", führt Müller aus. Es sei nicht einsehbar, dass alle Treibstoffe mit zum Teil erheblichen Steuern belegt sind, Kerosin aber steuerfrei sei. Das zugrunde liegende Vertragswerk stammt aus den 40-er Jahren und entspricht heute nicht mehr den Anforderungen. Müller sieht hingegen keinen Sinn in der Besteuerung von Flugtickets.

Auf die Frage, wie mit dem Thema wirtschaftliche Abhängigkeit der Volkswirtschaft von Tourismus in Übersee umzugehen sei, meint der Experte: "Das Reisen muss zu einer bewussten Entscheidung werden. Es muss mehr Zeit in Anspruch genommen werden, wenn man eine Fernreise antritt." Nur so können die negativen Folgen der weiten Anreise in irgendeiner Art kompensiert werden. "Warum nicht 14 Tage, drei Wochen oder sogar einen Monat lang verreisen?", fragt Müller. Es gehe nämlich auch darum, sich ernsthaft mit dem jeweiligen Reiseziel auseinander zu setzen. Generell sieht Müller eine Verminderung der Qualität im derzeitigen Reisetrend.

Müller hat bei der Konferenz "Umweltfreundlich Reisen" in Wien erneut wesentliche Handlungsfelder der Tourismusindustrie dargelegt: Der Tourismus muss umweltverträglicher werden: das bedeutet, dass die ökologischen Gefahrenherde der touristischen Entwicklung, die ohnehin längstens bekannt sind, ernst zu nehmen und präventiv zur Durchsetzung kommen müssen. Dazu zähle etwa eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, eine konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips, die Förderung schadstoffarmer Fahrzeuge sowie ein optimiertes Verkehrsmanagement. "Tourismus muss entschleunigt werden", fordert Müller. Die Ökoeffizienz insbesondere des Straßen- und Luftverkehrs sei trotz langjähriger Bemühungen sehr unbefriedigend. Die Antwort liege in der von Schallaböck 1993 aufgestellten Formel: 400 km/h in der Luft, 200 km/h auf der Schiene, 100 km/h auf der Straße und 50 km/h innerorts würden die Umweltverträglichkeit des Reisens entscheidend verbessern. Auf die Frage wie das Reisen in der Luft aussehen würde, meint der Experte: "Dazu ist die Innovationskraft der Industrie gefragt." Der Komfort würde sich bei der Verlangsamung zugunsten der Passagiere entwickeln. "Die Industrie ist dumm. Sie reagiert falsch", kritisiert Müller. Das sei auch bei der Einführung der Katalysatoren nicht anders gewesen. Die Automobilindustrie hat sich so heftig dagegen gewehrt. Heute sei das Standard. "Der Staat ist aufgefordert Grenzwerte zu setzen", fordert der Fachmann.

"Um umweltschonenderes Reisen zu fördern, sind die Anreize zu verstärken und das Verursacherprinzip durchzusetzen", so Müller. Am effizientesten wäre hier, die Geschwindigkeit aus dem System zu nehmen. Dazu zähle eben die Aufwertung des öffentlichen Verkehrs bezüglich Fahrplandichte, Qualität und Preis. "Es ist für ein Reisebüro immer noch einfacher ein Flugticket zu reservieren als ein Bahnticket", kritisiert Müller. Zu den größten Verlierern der vergangenen 20 Jahre an immer länger werdenden Reisedistanzen gehört die Bahn.

"Aufzuhalten ist das Reise- und Mobilitätsbedürfnis der Menschen nicht", so Müller. Es sei aber möglich die in die falsche Richtung gehenden Tendenzen zu verzögern. "Dies ist aber nur über die Kostenwahrheit möglich", erklärt Müller abschließend.
     
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