Entschleunigung des Transports als Lösungsvariante
Wien/Bern (pte) - Tourismus sorgt weltweit für immer mehr Schadstoff- emissionen und wirkt dadurch
umweltgefährdend. Der Schweizer Wissenschaftler Hansruedi Müller vom Forschungsinstitut für Freizeit
und Tourismus (FIF) warnt vor dem Wildwuchs der Tourismusindustrie und deren Folgen für die Umwelt. Prinzipiell
geht es um das Wohin und das Wie. Müller klagt im pressetext-Interview darüber, dass die Destinationswahl
sich ausschließlich über den Preis definiere und die Energiebilanz außer Acht lasse.
"Die Energiebilanz des Reisenden geht alle etwas an", meint Müller. Es gebe in der Zwischenzeit
zahlreiche Informationsquellen, die ziemlich genau darüber Aufschluss geben, wie hoch der Energieaufwand der
jeweiligen Transportmittel sei. "Die westliche Welt hat den Massentourismus entdeckt und konsumiert diesen
Fastfood-mäßig", so Müller. Es sei eine Unkultur, die Wahl der Reisedestination ausschließlich
über den Verkaufspreis zu definieren. Als erstes Ende des Wildwuchses sieht der Experte die gesetzliche Regelung,
Flugpreise nur noch als Inklusivpreise deklarieren zu dürfen. "Es ist notwendig Kerosin zu besteuern",
führt Müller aus. Es sei nicht einsehbar, dass alle Treibstoffe mit zum Teil erheblichen Steuern belegt
sind, Kerosin aber steuerfrei sei. Das zugrunde liegende Vertragswerk stammt aus den 40-er Jahren und entspricht
heute nicht mehr den Anforderungen. Müller sieht hingegen keinen Sinn in der Besteuerung von Flugtickets.
Auf die Frage, wie mit dem Thema wirtschaftliche Abhängigkeit der Volkswirtschaft von Tourismus in Übersee
umzugehen sei, meint der Experte: "Das Reisen muss zu einer bewussten Entscheidung werden. Es muss mehr Zeit
in Anspruch genommen werden, wenn man eine Fernreise antritt." Nur so können die negativen Folgen der
weiten Anreise in irgendeiner Art kompensiert werden. "Warum nicht 14 Tage, drei Wochen oder sogar einen Monat
lang verreisen?", fragt Müller. Es gehe nämlich auch darum, sich ernsthaft mit dem jeweiligen Reiseziel
auseinander zu setzen. Generell sieht Müller eine Verminderung der Qualität im derzeitigen Reisetrend.
Müller hat bei der Konferenz "Umweltfreundlich Reisen" in Wien erneut wesentliche Handlungsfelder
der Tourismusindustrie dargelegt: Der Tourismus muss umweltverträglicher werden: das bedeutet, dass die ökologischen
Gefahrenherde der touristischen Entwicklung, die ohnehin längstens bekannt sind, ernst zu nehmen und präventiv
zur Durchsetzung kommen müssen. Dazu zähle etwa eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs,
eine konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips, die Förderung schadstoffarmer Fahrzeuge sowie ein optimiertes
Verkehrsmanagement. "Tourismus muss entschleunigt werden", fordert Müller. Die Ökoeffizienz
insbesondere des Straßen- und Luftverkehrs sei trotz langjähriger Bemühungen sehr unbefriedigend.
Die Antwort liege in der von Schallaböck 1993 aufgestellten Formel: 400 km/h in der Luft, 200 km/h auf der
Schiene, 100 km/h auf der Straße und 50 km/h innerorts würden die Umweltverträglichkeit des Reisens
entscheidend verbessern. Auf die Frage wie das Reisen in der Luft aussehen würde, meint der Experte: "Dazu
ist die Innovationskraft der Industrie gefragt." Der Komfort würde sich bei der Verlangsamung zugunsten
der Passagiere entwickeln. "Die Industrie ist dumm. Sie reagiert falsch", kritisiert Müller. Das
sei auch bei der Einführung der Katalysatoren nicht anders gewesen. Die Automobilindustrie hat sich so heftig
dagegen gewehrt. Heute sei das Standard. "Der Staat ist aufgefordert Grenzwerte zu setzen", fordert der
Fachmann.
"Um umweltschonenderes Reisen zu fördern, sind die Anreize zu verstärken und das Verursacherprinzip
durchzusetzen", so Müller. Am effizientesten wäre hier, die Geschwindigkeit aus dem System zu nehmen.
Dazu zähle eben die Aufwertung des öffentlichen Verkehrs bezüglich Fahrplandichte, Qualität
und Preis. "Es ist für ein Reisebüro immer noch einfacher ein Flugticket zu reservieren als ein
Bahnticket", kritisiert Müller. Zu den größten Verlierern der vergangenen 20 Jahre an immer
länger werdenden Reisedistanzen gehört die Bahn.
"Aufzuhalten ist das Reise- und Mobilitätsbedürfnis der Menschen nicht", so Müller. Es
sei aber möglich die in die falsche Richtung gehenden Tendenzen zu verzögern. "Dies ist aber nur
über die Kostenwahrheit möglich", erklärt Müller abschließend. |