Wien (wifo) - Der WIFO-Konjunkturtest zeigt im I. Quartal 2006 eine merkliche Aufhellung des Geschäftsklimas
in Sachgütererzeugung und Bauwirtschaft. Allerdings fehlen die Hinweise darauf, dass bereits ein Investitionsaufschwung
in Gang gekommen wäre. Die Stimmung der Verbraucher verbessert sich nur verhalten, die Umsätze im Einzelhandel
verliefen bis Ende 2005 enttäuschend. Hingegen begann die Wintersaison im Tourismus günstig. Die Inflation
schwächt sich ab. Bei steigender Zahl der Beschäftigten erreicht die Zahl der Arbeitslosen im Winter
einen neuen Höchstwert.
Die heimische Konjunktur weist Anfang 2006 eine anhaltende Tendenz zur Erholung auf. Dies kommt vor allem in den
WIFO-Konjunkturumfragen für die Sachgütererzeugung und die Bauwirtschaft zum Ausdruck. Die Industrieunternehmen
erwarten überwiegend eine Zunahme der Produktion und beurteilen ihre Auftragseingänge und Geschäftslage
günstig. Der saisonbereinigte Saldo zwischen dem Anteil der optimistischen und der pessimistischen Produktionserwartungen
erhöhte sich im I. Quartal 2006 auf +14,5 Prozentpunkte. Besonders stark verbesserte sich das Geschäftsklima
in der chemischen Industrie und in der technischen Verarbeitung (dazu zählen der Maschinen- und Fahrzeugbau,
die Metall- und Elektroindustrie). Produktions- und Exportzahlen stehen erst bis November 2005 zur Verfügung;
der Warenexport übertraf demnach das außergewöhnlich hohe Niveau des Vorjahres von Jänner
bis November 2005 nominell um 4,5%. Der arbeitstägig bereinigte Produktionsindex der Sachgütererzeugung
lag kumuliert um 4,7% über dem Vorjahreswert.
Die Betriebe der Sachgütererzeugung profitieren von der Erholung der Konjunktur im Euro-Raum. Begünstigt
von der Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar im Laufe des Jahres 2005 zog die Exportkonjunktur in der Mehrzahl
der Länder der Währungsunion merklich an, das Industrievertrauen ist deutlich gestiegen. Die erhöhte
Nachfrage nach Investitionsgütern und dauerhaften Konsumgütern kommt besonders den deutschen Unternehmen
zugute. Allerdings hat die Belebung der Exportnachfrage im Euro-Raum noch keine stabile Investitionskonjunktur
ausgelöst. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen verstärkte sich zwar, sie bleibt aber anfällig
für Rückschläge. In diesem Zusammenhang kommt der Entwicklung der Rohstoffpreise und des Wechselkurses
erhebliche Bedeutung zu: Während der Wechselkurs bei etwa 1,20 $ je Euro verharrt, tendierten die Rohölpreise
auf den Weltmärkten im Jänner wieder deutlich aufwärts, sie lagen zuletzt bei etwa 65 $ je Barrel.
Die Weltpolitik ist von großen Unsicherheiten geprägt (mögliche Sanktionen der internationalen
Staatengemeinschaft gegen den Iran, "Karikaturenstreit"). Damit besteht die Gefahr eines starken Anstiegs
der Erdölpreise, der die Konjunktur in der EU in einer wenig gefestigten Ausgangslage treffen würde.
Auch in Österreich haben die Investitionen bis zum Jahresende 2005 trotz wachsender Industrieproduktion, verbesserten
Geschäftsklimas und günstiger Gewinnlage noch nicht angezogen. Darauf weisen der schwache Import an Maschinen
und Fahrzeugen sowie die verhaltenen Umsätze im Großhandel hin. Die Ergebnisse des WIFO-Investitionstests
lassen aber für das Jahr 2006 auf eine Belebung der Investitionstätigkeit schließen.
Neben der Sachgütererzeugung ist die Stimmung auch in der Bauwirtschaft gut. Die Betriebe des Hoch- und Tiefbaus
melden eine günstige Auftragslage, erwarten, höhere Preise durchsetzen zu können, und beabsichtigen,
ihren Personalstand auszuweiten. Die Baukonjunktur wird vom erhöhten Bedarf an Wohnungen und der günstigen
Auftragslage im Straßen- und Schienenbau getragen.
Die von der Konsumnachfrage der privaten Haushalte abhängigen Wirtschaftsbereiche leiden weiterhin unter einem
verhaltenen Geschäftsgang. Im Einzelhandel überstiegen die realen Umsätze das Vorjahresniveau im
November um 1,5%, insgesamt dürften sie 2005 um etwa 1¼% zugenommen haben. Die Nachfrage nach Kfz war
weiterhin sehr gedrückt. Kfz-Handel und Tankstellen setzten von Jänner bis November real um 1,5% weniger
um als im Vorjahr, die Neuzulassungen von Pkw blieben im Jahr 2005 um 1,1% hinter dem hohen Wert des Vorjahres
zurück. Im Jänner verbesserte sich die Verbraucherstimmung etwas. Dazu dürften höhere Gehaltsabschlüsse
und die Dämpfung des Preisauftriebs beigetragen haben. Angesichts der anhaltend ungünstigen Lage auf
dem Arbeitsmarkt sind die Konsumenten in der Anschaffung insbesondere von Pkw zurückhaltend.
Günstig verlief der Beginn der Wintersaison im Tourismus, die Umsätze überstiegen das Vorjahresergebnis
im November und Dezember um 5,8%, die Zahl der Nächtigungen um 4%. Zur positiven Bilanz trug vor allem der
frühe Schneefall bei. Aus den meisten Regionen wird weiterhin eine sehr gute Buchungslage gemeldet, die Wintersaison
verspricht kräftige Zuwächse.
Der Preisauftrieb auf der Verbraucherebene ließ gegen Jahresende 2005 nach. Im Dezember betrug die Inflationsrate
1,6%. Die Verteuerung von Verkehrsleistungen und Wohnungsaufwand schwächte sich gegenüber dem hohen Niveau
des Vorjahres ab. Im Jahresdurchschnitt 2005 entsprach der Anstieg des Verbraucherpreisindex mit +2,3% dem des
Tariflohnindex.
Auf dem Arbeitsmarkt ist bislang keine Trendwende zu erkennen. Sowohl die Zahl der Arbeitslosen als auch jene der
aktiv Beschäftigten wachsen kräftig. Im Jänner waren 327.000 Personen als arbeitslos gemeldet (+11.000
gegenüber dem Vorjahr); die Zahl der Personen in Schulungen, die nicht in die offizielle Zahl der Arbeitslosen
eingeht, betrug 54.000 (+5.500). Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der aktiv unselbständig Beschäftigten
um 30.000 gegenüber dem Vorjahr. Zusätzliche Arbeitsplätze entstehen insbesondere im heterogenen
Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen. Die Sachgüterproduktion schränkt ihren Personalstand
nur noch wenig ein.
Quelle: WIFO
Autoren: Markus Marterbauer, Sandra Steindl |