Moskau - Melnikow  

erstellt am
08. 02. 06

Architektur und Städtebau von Konstantin Melnikow 1921-1937 von 16. Februar bis 13. April im Ringturm
Wien (wr. städtische) - Nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 setzte eine Entwicklung radikaler Projekte in Kunst und Kultur ein, die zu den interessantesten Perioden der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts zählt. Konstantin Melnikow hat diese Epoche durch sein beeindruckendes Werk entscheidend mitgeprägt. Von scheinbar einfachen Ausstellungspavillons über sein eigenes, ungewöhnliches Haus in Form eines Doppelzylinders bis hin zu städtebaulichen Entwürfen zählen seine Arbeiten zu den kreativsten Architekturleistungen. "Architektur im Ringturm" präsentiert anhand zahlreicher Modelle, Fotos und Pläne die Hauptwerke Melnikows.

Konstantin Stepanowitsch Melnikow (Moskau 1890 - Moskau 1974), einer der bedeutensten Vertreter der russischen Avantgarde, entwickelte in den zwanziger Jahren eine revolutionäre Sicht in der Architektur - eine neue Ästhetik des architektonischen Raumes. In nur 20 Jahren entstanden außergewöhnliche Projekte und Bauten. Seine Arbeiten erinnern häufig eher an abstrakte Skulpturen, denn an Zweckgebäude.

Bereits mit 13 Jahren arbeitete Melnikow im Büro des renommierten Heizungsingenieurs Wladimir Chaplin. Dieser erkannte schnell sein Talent und schickte ihn an die Moskauer Schule für Bildende Kunst und Architektur. Melnikow studierte erst Malerei, dann Architekur. 1917 beendete er sein Studium und wurde in die Stadtplanungsabteilung von Moskau berufen, wo bis 1920 der Plan für ein "Neues Moskau" unter der Leitung von Sholtowski und Stschussew entstand.

Kurz darauf begann Melnikow seine Lehrtätigkeit an der Moskauer WChUTEMAS (Kunsthochschule, an der sich die neue Ausrichtung der sowjetischen Architektur vollzog). Er machte als Architekt durch Wettbewerbsentwürfe, die formal und räumlich äußerst originell waren, auf sich aufmerksam. Das Experimentieren mit geometrischen Formen - Dreieck, Trapez, Pyramide, Zylinder -, deren Anwendung er allerdings immer auf funktionelle Analyse zurückführte sowie die dynamische Erscheinung seiner Bauten wurden bald zum Markenzeichen.

Es entstanden die Projekte für Arbeiterwohnungen an der Serpuchow-Straße (1922-23), der Palast der Arbeit (1923) und der Moskauer Sitz der Tageszeitung "Leningrader Prawda" (1924). Sein Durchbruch gelang ihm aber mit dem kantigen Holzpavillon für die Machorka-Tabakgesellschaft (1924 und 1926), der anlässlich der ersten Pansowjetischen Landwirtschafts- und Handwerksmesse am ebenfalls von ihm gestalteten Neuen Sucharewsker Markt in Moskau entstand. Ein eigenwillig gestaltetes Holzgerüst, das Melnikow auf Grund knapper Ressourcen und einfacher Montage wählte und in dem Bezüge zu den einfachen, ländlichen Holzbauten Russlands anklingen.

Sein Sowjetischer Pavillon auf der Pariser Kunstgewerbe-Ausstellung 1925 erregte internationale Aufmerksamkeit: eine expressive Raumhülle aus Holzbrettern. Das Gebäude, eine Verbindung von Glas und Holzskelett-Elementen, war die Sensation der Ausstellung. Die in Glas ausgeführten Außenwände gaben der Konstruktion eine zu der Zeit ungewöhnliche Leichtigkeit und Transparenz. Dass er in der Lage war, kostengünstig zu bauen, hatte Melnikow bereits beim Machorka-Pavillon bewiesen und war ein Hauptgrund für die Wahl seines progressiven Entwurfes. Der Sowjetische Pavillon war die einzige Arbeit außerhalb der Sowjetunion.

Während seines Aufenthalts in Paris wurde Melnikow von der Pariser Stadtverwaltung mit der Planung einer Garage für 1000 Autos beauftragt, die allerdings Projekt blieb. Schon hier versuchte Melnikow seine Idee einer vertikalen Organisation der Stadt umzusetzen. Die Ausführung war überraschend neu, die Automobile in einem Parkhaus übereinander zu stationieren und noch dazu auf einer Brücke über die Seine. Die für damalige Verhältnisse extrem dimensionierte Garage war mittels Stützen vom Boden abgehoben, um den Verkehrsraum darunter frei zu halten. Nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion war dann der Auftrag für eine Garage seine erste herausragende Arbeit.

Melnikow realisierte zwischen 1926 und 1936 vier Garagen: die Bachmetewski Garage, die Noworjasanski Garage, die Inturist Garage und die Gosplan Garage. Von 1927 bis 1930 entstanden Projekte für Arbeiterklubs für verschiedene Berufsgewerkschaften in Moskau, von denen sechs realisiert wurden (Russakow-Klub, Klub "Kautschuk", Klub "Frunse", "Sturmvogel"-Klub, Prawda-Klub, Gorki-Klub). Zusammen mit dem eigenen Wohn- und Atelierhaus in Moskau (bestehend aus den zwei berühmten zylindrischen Türmen unterbrochen von sechseckigen Fenstern) sind diese Bauten die berühmtesten Werke des Meisters.

Melnikow überzeugte auf allen Gebieten architektonischen Schaffens - von der Stadtplanung bis zum Monument. Er nahm an vielen großen Wettbewerben teil: Kolumbusdenkmal in Santo Domingo (1929), Plan für die "Grüne Stadt" (1929), Theater MOSPS (Moskauer Gebietssowjet der Gewerkschaften, 1931-32), der Arbat-Platz (1931), Palast der Sowjets (1931-33). Die Wettbewerbe gaben ihm Gelegenheit, sich bei Planungsproblemen neuen Maßstabs, die mit der Festlegung eines Diskurses des Monumentalen verbunden waren, zu behaupten.

1933 gestaltete Melnikow die Architektur-Ausstellung der Sowjetunion auf der Triennale von Mailand und wurde zudem mit der Leitung des Ateliers Nr. 7 des Moskauer Sowjet (Mossowjet) betraut. Die Ateliers wurden von anerkannten Persönlichkeiten der sowjetischen Architektur - wie Iwan Sholtowski, Alexej Stschussew und Ilja Golossow - geleitet und befassten sich mit der Neuplanung Moskaus. Melnikow entwarf hier (1933 bis 1936) die Garagen Inturist und Gosplan, die Bebauung des Kotelnitscheski- und Gontscharni-Ufers in Moskau, den Wohnkomlex für die Angestellten der Iswestija, das Volkskommisariat für die Schwerindustrie.

In der Sowjetunion ging in den dreißiger Jahren die Blütezeit der Avantgarde zu Ende. Melnikow wurde als "Formalist" zunehmend kritisiert, dies erreichte 1937 den Höhepunkt. Auf den ersten Blick scheint es als Ironie, dass gerade der Modernist Melnikow, der im Moskau der zwanziger Jahre am meisten baute, so vehement angegriffen wurde. Eines seiner spektakulärsten Projekte, der Turm für die Leningrader Prawda, erklärt dies retrospektiv. Die rotierenden Etagen der Leningrader Prawda überstiegen die technologischen Möglichkeiten der damaligen Sowjetunion bei weitem.

Melnikow wurde als praxisferner Individualist denunziert und sein Berufstitel aberkannt. Er lebte zurückgezogen und widmete sich der Malerei. Erfolglos versuchte er in den fünfziger und sechziger Jahren bei Wettbewerben an seine frühe Karriere anzuschließen (Pantheon der UdSSR, 1955; Pavillon der UdSSR für die Weltausstellung in New York, 1962, Kino-Theater für Kinder an der Arbat-Straße, Moskau, 1960).

Als Mitte der sechziger Jahre das wiederaufblühende Interesse an der sowjetischen Avantgarde zur ersten Veröffentlichung seiner Arbeiten führte ("Architekt Konstantin Melnikow" von Iurii Gerchuk, in "ArchSSSR, 1966, Nr. 8) nahm das Interesse an seinen Bauten und Ideen wieder zu. In den achtziger Jahren erfolgte eine Neubewertung seiner Arbeit und es kam schließlich zur internationalen Anerkennung.

Die Ausstellung. Rund 30 Modelle geben Einblick in die Komposition der Hauptwerke Konstantin Melnikows und verdeutlichen die komplexen räumlichen Vorstellungen eines außergewöhnlichen Architekten. Abbildungen und Pläne machen den Aufbruchsgeist Melnikows und einer jungen Generation in der nachrevolutionären Ära Moskaus spürbar.

Die Ausstellung resultiert aus einer Zusammenarbeit der Fakultät für Architektur am Polytechnikum Mailand mit der Fakultät für Baukunde der Technischen Universität Delft und den Instituten für Architekturgeschichte sowie für Darstellen und Gestalten an der Universität Stuttgart.

Katalog (in englischer Sprache): Konstantin S. Mel'nikov and the Construction of Moscow. Hg. Mario Fosso, Otakar Mácel, Maurizio Meriggi. Über 300 Seiten mit zahlreichen Abbildungen in schwarz-weiß. Skira, Milano 2000. Preis: 50 Euro.

Kuratoren: Otakar Mácel (Delft), Maurizio Meriggi (Mailand)
Dietrich Schmidt (Stuttgart)

Eröffnung: Mittwoch, 15. Februar 2006, 18.30 Uhr

Ausstellungsort:
Wiener Städtische Allgemeine Versicherung AG
Ausstellungszentrum im Ringturm
A-1010 Wien, Schottenring 30
T: +43 (0)50 350-21115 (Brigitta Fischer)
F: +43 (0)50 350-99 21115

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 9.00 bis 18.00 Uhr; freier Eintritt
(Geschlossen an Feiertagen)
     
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