Wirtschaftliche Faktoren und Sorgen um die Zukunft lassen Europas Geburtenrate sinken
Brüssel (eu-int) -Ein von der Europäischen Kommission unterstütztes Projekt
zum Geburtenverhalten hat ergeben, dass die Hälfte der Befragten sich durchschnittlich mindestens zwei Kinder
wünscht. Allerdings haben viele Paare aufgrund von Sorgen um die Zukunft und angesichts der Kosten für
die Kindererziehung tatsächlich weniger Kinder. Im Rahmen des DIALOG-Projekts wurden Daten von 30.000 Menschen
in 14 europäischen Ländern erhoben, die zu ihrem Verhalten und ihren Einstellungen in Sachen Familiengröße,
Geburtenverhalten und demographischer Wandel befragt wurden. Mit 1,5 Millionen Euro aus dem 6. Forschungs- rahmenprogramm
gefördert bietet das Projekt eine für nationale und europäische politischen Entscheidungsträger
nützliche Momentaufnahme des Geburtenverhaltens in Europa.
Die Studie zeigt, dass im Durchschnitt der Kinderwunsch in Europa sich nach wie vor auf die Zwei-Kind-Familie orientiert.
Über die Hälfte der befragten Frauen und Männer wünschten sich zwei oder mehr Kinder. Allerdings
gab es auch Unterschiede zwischen der tatsächlichen und der gewünschten Kinderzahl in Ländern wie
Zypern, Polen, Finnland, Estland, Litauen, Ungarn und den Niederlanden. Auch fiel der Kinderwunsch in Deutschland,
Italien, Österreich, Belgien und der Tschechischen Republik unter die Zahl von zwei Kindern.
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass Länder mit einem niedrigen Kinderwunsch vor der Aufgabe stehen, nach
Konzepten zu suchen, die zu familienfreundlicheren Einstellungen führen. Die in einigen Ländern hohe
gewünschte Kinderlosigkeit (hier liegen Deutschland und die Niederlande an erster Stelle), wirft das Problem
auf, ob Familienpolitik noch in der Lage ist, geburtenfördernd zu wirken.
Gefragt nach ihren Erwartungen an die Familienpolitik zeigen die Unterschiede in den Antworten zwischen den Mitgliedstaaten,
dass es kein allgemeingültiges Rezept für Familienpolitik gibt. So befürworteten die Befragten in
westeuropäischen Ländern eher eine Kombination von finanzieller Unterstützung und flexiblen Arbeitszeiten,
während in den osteuropäischen Ländern eher die Vereinbarkeit von Vollzeitbeschäftigung und
Familie im Vordergrund steht.
Der Bedeutungsrückgang der Institution Ehe und der Anstieg der Scheidungsraten schlagen sich nicht unbedingt
in einem Rückgang der Geburten nieder. Die Geburtenrate blieb in den letzten zehn Jahren mit 1,2-1,4 Kindern
durchaus konstant, wobei der Anteil unehelich geborener Kinder auf 30-40 % stieg. Allerdings ist die auch weiterhin
bevorzugte Lebensform bei Kinderwunsch die Ehe, vor allem in Süd- und Osteuropa, wo die Zustimmungsraten in
Italien, Litauen und Polen bei 80 % lagen. Andererseits erfährt das Zusammenleben ohne Kinder eine immer größere
Akzeptanz, etwa mit 26-31 % in Ländern wie der Tschechischen Republik, Deutschland und den Niederlanden.
Weitere von dem Projekt behandelte Fragen betreffen berufstätige Frauen, geschlechtsspezifische Rollen und
die Verteilung der Hausarbeit innerhalb der Familien. Die Umfrage beleuchtet auch die Situation der älteren
Menschen in Europa und zeigt, dass ältere Menschen als ein Wert für die Gesellschaft geschätzt werden
und jüngere Generationen bereit sind, bei Bedarf den Älteren zu helfen.
Die Kommission wird im März eine Mitteilung zur Demographie vorlegen, die sich auf die im März 2005 mit
dem Grünbuch „Angesichts des demografischen Wandels - eine neue Solidarität zwischen den Generationen“
angestoßene Diskussion und den Gipfel in Hampton Court im Oktober 2005 stützt. |