Staatssekretär Hans Winkler im Plenum des Europäischen Parlaments am 15. Februar
In der Erklärung des Rates über die Konfrontation des Iran gegenüber der internationalen
Gemeinschaft werde ich zu folgenden Themen Stellung nehmen: zur Nuklearfrage, zu den Beziehungen zwischen der EU
und dem Iran, sowie zu den jüngsten Ausschreitungen in Teheran
a) Nuklearfrage
Eine Lösung der iranischen Atomfrage ist ein zentrales Anliegen der internationalen Gemeinschaft, die ernste
Bedenken hinsichtlich der friedlichen Natur des iranischen Atomprogramms hat. Im Laufe der letzten Jahre hat die
EU keine Anstrengungen gescheut, eine Lösung auf dem Verhandlungsweg zu finden und den Iran zu vertrauensbildenden
Maßnahmen hinsichtlich seines Atomprogramms zu drängen.
Der Iran hat sich in jüngster Vergangenheit durch einseitige Schritte - wie zuletzt die Wiederaufnahme von
Urananreicherungsaktivitäten in Natanz und die Aussetzung der Anwendung des IAEA Zusatzprotokolls - in die
falsche Richtung bewegt.
Der IAEA-Gouverneursrat hat mit der Annahme der Resolution vom 4. Februar, die die Angelegenheit dem Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen zur Kenntnis bringt, ein klares Signal an den Iran gegeben. Die breite Mehrheit, mit der
die Resolution angenommen wurde, ist der Beweis dafür, dass die tiefe Besorgnis Europas über das iranische
Atomprogramm von der gesamten internationalen Staatengemeinschaft geteilt wird.
Die EU stellt das Recht Irans auf Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken keinesfalls in Frage. Die Ursache
dieses Konfliktes ist darin zu suchen, dass der Iran bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht genug unternommen hat, um
das notwendige Vertrauen in den friedlichen Charakter seines Atomprogramms zu schaffen. Im Gegenteil, der Iran
hat im Laufe der letzten 18 Jahre einen wesentlichen Bestandteil seines sehr umfangreichen Atomprogramms nicht
der IAEA deklariert und verweigert der IAEA bis zum heutigen Tage wichtige Informationen. Dies betrifft insbesondere
das Ausmaß der Entwicklung von Urananreicherungstechnologie und den Bereich der "weaponisation",
d.h. der Militarisierung seines Atomprogramms.
Das Ziel der EU ist es nach wie vor, eine Lösung der Angelegenheit durch Verhandlungen zu erreichen. Dies
erfordert aber ein ausreichendes Maß an Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Transparenz von iranischer Seite,
insbesondere gegenüber der IAEA, und zu dringend notwendigen vertrauensbildenden Maßnahmen, wie die
Aussetzung von sensiblen Nuklearaktivitäten von iranischer Seite. Der russische Vorschlag zum Aufbau einer
russisch-iranischen Urananreicherungskapazität auf russischem Boden als Alternative zur Anreicherung im Iran
ist ein wichtiger Beitrag und wird von der EU voll und ganz unterstützt.
Die EU bleibt einer diplomatischen Lösung der iranischen Atomfrage verpflichtet, bei der die IAEA eine zentrale
Rolle spielen muss. Die Befassung des Sicherheitsrates ist nicht gleichbedeutend mit einer Schmälerung der
Rolle der IAEA, sondern soll vielmehr die Autorität der IAEA stärken und eine Umsetzung der in den Resolutionen
des IAEA Gouverneursrates geforderten Maßnahmen ermöglichen.
b) Beziehungen EU-Iran
Die EU betrachtet die Menschenrechtslage in Iran weiterhin mit großer Sorge. Die Lage verschlimmert
sich, und seitens der iranischen Behörden werden keine konkreten Ma߬nahmen für eine Gesetzesreform
und eine Reform der offiziellen Praktiken ergriffen. Trotz wiederholter Anfragen der EU hat Iran keine erneute
Zusage für eine Fortsetzung des Menschenrechtsdialogs, der derzeit unterbrochen ist, gegeben. Die EU wird
ihre Menschenrechtsanliegen weiter¬hin sowohl direkt gegenüber der iranischen Staatsführung als auch
in öffentlichen Erklärungen und in internationalen Gremien zur Sprache bringen.
Die Äußerungen des iranischen Präsidenten zu Israel sind von der EU und der gesamten internationalen
Gemeinschaft in aller Deutlichkeit und Schärfe verurteilt worden. Die Haltung Irans zum Nahen Osten gibt Grund
zu ernsthafter Besorgnis. Iran unterstützt nach wie vor palästinensische Gruppierungen, die von der EU
als terroristische Organisationen eingestuft sind. Mit Besorgnis nehmen wir die Tatsache zur Kenntnis, dass sich
der iranische Präsident vor kurzem in Syrien mit einigen Anführern solcher Gruppierungen getroffen hat,
und fordern Iran auf, derartige Kontakte zu beenden. Wir rufen Iran ferner auf, sich dem internationalen Konsens
über die Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung im Nah¬ostkonflikt anzuschließen.
Wiederholte Versuche des iranischen Präsidenten, die Verbrechen des Holocaust in Abrede zu stellen und Forderungen,
den Staat Israel „zu beseitigen“, müssen scharf zurückgewiesen werden. Derartige Aussagen sind völlig
inakzeptabel. Sie stehen außerdem in einem vollkommenen Widerspruch zu den Bemühungen zahlreicher politischer
und religiöser Führer, die sich gerade nach den Ereignissen der jüngsten Tage allseits gezielt für
einen Dialog zwischen den Kulturen einsetzen, der vom gegenseitigen Respekt geprägt ist.
Die Beziehungen der EU zu Iran werden von den Fortschritten bei sämtlichen Problem¬punkten abhängen:
der Atomfrage und anderen Anliegen in Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen, den Menschenrechten, der Terrorismusbekämpfung
und der Haltung zum Nahen Osten. Die Optionen für das Vorgehen der EU werden weiter¬hin genauestens überprüft
und im Licht des Vorgehens und der Erklärungen der irani¬schen Seite abgewogen werden.
c) Ausschreitungen
Die Angriffe gegen Einrichtungen der Europäischen Union sind durch nichts zu rechtfertigen und völlig
unannehmbar. Die Präsidentschaft der EU verurteilte diese Angriffe und forderte den Iran auf, seinen Verpflichtungen
im Sinne des in der Wiener Konvention über Diplomatische Beziehungen von 1961 festgeschriebenen Schutzes,
nachzukommen. |