Dringlicher Antrag der SPÖ bei Sondersitzung
Wien (pk) - Die Gleichzeitigkeit von Rekorden bei der Arbeitslosigkeit wie bei der Beschäftigung
bildete den Hintergrund der Debatte des Nationalrats bei dessen Sondersitzung am Montag (13. 02.). Die Sitzung
fand auf Verlangen der sozialdemokratischen Fraktion statt, die einen Dringlichen Antrag betreffend Rekordarbeitslosigkeit
in Österreich einbrachte.
Abgeordneter VERZETNITSCH (S) begründete den dringlichen Antrag seiner Fraktion mit dem Hinweis auf Millionen
von Menschen in Europa, die auch am heutigen Tag vergeblich versuchten, einen Arbeitsplatz zu finden und nur feststellen
konnten, dass man sie nicht brauche. Daher brauche es einen Kurswechsel in der Politik, auch in Österreich.
380.000 Menschen sind derzeit ohne Beschäftigung, 53.000 befinden sich auf Schulung, 71.000 Absolventen einer
Ausbildung haben keinen Arbeitsplatz. Und von den 15.000 Menschen, die als zu alt für einen Arbeitsplatz gelten
und deshalb einen Pensionsantrag gestellt haben, werden zwei Drittel eine Ablehnung erhalten.
Die Menschen erwarten eine andere Politik und keine Vertröstungen darauf, dass Österreich im internationalen
Vergleich nicht schlecht liege, sagte der Abgeordnete und identifizierte die große, mittlerweile auf 1 Million
gewachsene Zahl von Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen als ein besonderes Problem. 148.000
dieser Arbeitnehmer arbeiten weniger als 12 Stunden pro Woche. Beim AMS werden immer häufiger Halbtagsarbeiten
für Stundenlöhne zwischen 5,35 € und 5,80 € angeboten, Entlohnungen also, die weit vom 1000-€-Mindestlohn
pro Monat entfernt sind. Betroffen sind vor allem Frauen.
Man sollte auch nicht vergessen, wie viele Belastungen die Regierung den Arbeitnehmern aufgebürdet habe, erinnerte
Verzetnitsch. Auch deshalb sei eine Politik für Vollzeitarbeitsplätze notwendig und mehr Kinderbetreuungseinrichtungen,
wie dies die EU mit Bezug auf Österreich kürzlich unterstrichen hat.
Zwei Drittel der österreichischen Arbeitnehmer arbeiten mit flexiblen Arbeitszeiten, jeder vierte samstags,
jeder siebente auch sonntags - es mangelt den Österreichern also nicht an Flexibilität, sondern an Arbeitsplätzen,
hielt der Redner fest. Dies zeige auch das Verhältnis offene Stellen/Arbeitsuchende. 2000 kamen sechs Arbeitsuchende
auf eine offene Stelle, im Vorjahr waren es bereits 12.
Abgeordneter Verzetnitsch schilderte auch Einzelschicksale, etwa das einer 45jährigen hochqualifizierten Frau,
die 100 erfolglose Bewerbungen hinter sich habe. In seinem eigenen Lehrberuf als Gas- und Wasserleitungsinstallateur
werden derzeit von 100 offenen Stellen 94 in Deutschland angeboten.
Seine zentrale Forderung nach einem Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik begründete der Redner mit dem rückläufigen
Wirtschaftswachstum, den stagnierenden Reallöhnen und einer Steuerreformpolitik, von der kleine Einkommen
nur wenig Vorteile haben. Weiters klagte Verzetnitsch über zu geringe Kaufkraft, zu wenige Investitionen und
das unterdurchschnittliche Beschäftigungswachstum der letzten Jahre. "Wir haben heute besser ausgebildete
Arbeitslose, aber nicht mehr Beschäftigte". Daher sei es notwendig, in der Europäischen Union eine
Wachstumspolitik durchzusetzen. Dazu gehöre auch eine bessere Dienstleistungsrichtlinie mit mehr Rechtsschutz
für Arbeitnehmer - vor allem aber: "Mehr Arbeit für die Menschen".
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL (V) räumte ein, dass in Österreich Rekordarbeitslosigkeit herrsche, hielt
dem Bild, das Abgeordneter Verzetnitsch von Österreich zeichnete, aber dennoch gute Nachrichten entgegen:
In Österreich herrscht Rekordbeschäftigung, sagte der Regierungschef und vermisste neue Ideen in der
Rede Verzetnitschs. Die 290 Mill. €, die die SPÖ für den Arbeitsmarkt verlange, habe der Nationalrat
im Herbst bereits einstimmig beschlossen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden 2006 auf 5,7 Mrd.
€ steigen, sagte der Bundeskanzler und appellierte an die Opposition, die österreichische Bewerbung um das
Europäische Institut für Technologieentwicklung zu unterstützen. Jedenfalls liege Österreich
unter den ersten fünf Forschungsstandorten in Europa. In diesem Zusammenhang berichtete der Bundeskanzler
auch von erfolgreichen Verhandlungen mit Deutschland und der EU-Kommission zur Lösung des Problems wachsenden
Zahlen deutscher Studenten an heimischen Universitäten.
Die Klage des Abgeordneten Verzetnitsch wegen zu geringer Infrastrukturinvestitionen korrigierte der Bundeskanzler,
indem er verlangte, bei der Investitionsquote auch die Investitionen von ÖBB, BIG und ASFINAG zu berücksichtigen.
Als Erfolg der Bundesregierung nannte der Bundeskanzler auch die Senkung der Abgabenquote von 43,7 % auf 40,7 %,
was einer Entlastung der Steuerzahler um 7 Mrd. € gleichkomme. Außerdem zähle Österreich zu den
reichsten Ländern der EU und habe sein Pro-Kopf-Einkommen seit 1999 um 25 % auf 30.600 € gesteigert. Der ÖGB-Präsident
sollte darauf verzichten, seine eigenen Erfolge klein zureden, sagte der Kanzler pointiert.
Die oft genannten Beispiele Finnland und Schweden seien in der Forschungs- und in der Finanzpolitik tatsächlich
Vorbilder - bei den Daten zu Kaufkraft, Exporten, Arbeitsmarkt, Unternehmensgründungen und insbesondere bei
der Jugendbeschäftigung liege Österreich aber wesentlich besser. Erfolge verzeichne Österreich seit
2000 auch in der Armutsbekämpfung, Mindestrentner haben heute um 17 % und Familien um 30 % mehr Einkommen
als im Jahr 1999. Die Sozialquote sei gestiegen, führte Schüssel weiter aus. "Österreich hält
bei sozialen Kriterien jedem Vergleich in der EU stand." Man müsse mehr für die KMU und gegen die
Arbeitslosigkeit - dabei seien neue Ideen gefragt und alle herzlich eingeladen, sich am Ideenwettbewerb zu beteiligen,
schloss der Bundeskanzler.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) meinte, die Ausführungen des Bundeskanzlers entsprächen nicht der Lebensrealität
der 380.000 Arbeitslosen. Die Menschen spürten nichts von den Zuwächsen, die der Bundeskanzler genannt
habe, weil er brutto mit netto verwechsle und vergessen machen wolle, dass die Belastungen der Bundesregierung
jede Bruttolohnerhöhung der Arbeitnehmer aufgefressen habe. Es herrsche die höchste Arbeitslosigkeit
und die höchste Jugendarbeitslosigkeit in der Geschichte der Zweiten Republik - die Rede Schüssels sei
eine Verhöhnung der Menschen, die von diesem Schicksal getroffen sind. "Österreich ist nicht sozialer,
sondern arbeitsloser geworden", formulierte der SPÖ-Vorsitzende.
Der Bundeskanzler übersehe zudem, dass es nicht nur darum gehe, Arbeit zu haben, sondern auch darum, von seiner
Arbeit leben zu können. Wer von der jüngsten Steuerreform spreche, müsse auch hinzufügen, dass
sie großen Unternehmen Vorteile von 1 Mrd. €, Kleinverdienern aber wenig oder gar nichts gebracht habe. 20
% der Beschäftigten haben weiterhin weniger als 1000 € Lohn im Monat, 460.000 Menschen sind arm und über
eine Million armutsgefährdet. Der Bundeskanzler spreche von sicheren Pensionen, ohne zu erwähnen, dass
die Pensionen um 22 % gekürzt wurden.
Die SPÖ hingegen verfolge das Ziel, die Jugendarbeitslosigkeit zu beseitigen, durch einen Lehrlingsfonds Ausbildungsplätze
zur Verfügung zu stellen, durch den Einsatz von mehr Lehrern die Ausbildungsqualität zu heben und endlich
die Husch-Pfusch-Politik an den Universitäten zu beenden.
Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) warf seinem Vorredner vor, aus dem Schicksal arbeitsloser Menschen politisches Kleingeld
schlagen zu wollen, ohne auch nur einen Vorschlag zur Lösung der Arbeitsmarktproblematik vorzulegen. Das seien
taktische Spielchen der SPÖ, die abzulehnen seien. Molterer unterstrich folgende Fakten: Österreich verzeichnet
Rekordbeschäftigung, von den 370.000 Arbeitslosen haben 113.137 eine Wiedereinstellungsgarantie und 53.000
seien in Schulung, was als ein Erfolg der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mitwirkung des ÖGB zu betrachten
sei. Österreich nütze seine EU-Präsidentschaft für wirtschaftspolitische Initiativen und habe
für eine Überarbeitung der Dienstleistungsrichtlinie gesorgt, die auch vom sozialdemokratischen Europa-Abgeordneten
Swoboda begrüßt wurde.
Molterer machte weiters darauf aufmerksam, dass die österreichische Investitionsquote mit 2,6 % über
dem EU-Schnitt liege und das Gruppenbesteuerungsmodell eine sehr erfolgreiche Headquarter-Politik darstelle. Den
dringlichen Antrag der SPÖ qualifizierte Molterer als eine Art "Misstrauensantrag gegen den ÖGB",
von dem sich Verzetnitsch distanzieren sollte. Schließlich merkte der VP-Klubobmann an, dass die Arbeitslosigkeit
im "roten" Wien am schnellsten steige. Diese Bundesregierung bringe hingegen Leistungsorientierung und
Sozialpartnerschaft unter einen Hut. Der ÖGB-Präsident Verzetnitsch sollte sich nicht vor den SPÖ-Karren
spannen lassen, den Gusenbauer in die falsche Richtung lenke.
Auch Abgeordneter WALCH (F) hat, wie er sagte, von den Sozialdemokraten nichts Neues zum Thema Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik gehört. Um zu verdeutlichen, welche Politik Gusenbauer machen würde, seien die Wähler
laut Walch daher auf die Vergangenheit verwiesen, in der die sozialistische Politik dazu geführt habe, dass
76.000 Arbeitnehmer in der Verstaatlichten Industrie ihren Arbeitsplatz verloren haben, die DDSG auf Sand lief,
der Konsum Pleite ging und im Pensionssystem Privilegien herrschten. Der ÖGB müsse sich fragen lassen,
warum er den 1000-€-Mindestlohn noch nicht erreicht habe, und das AMS habe zu erklären, warum es Hilfskräfte
aus Nürnberg für Tourismusbetriebe in Österreich anheuere. Die Bundesregierung lobte Abgeordneter
Walch für ihre Lehrlingspolitik, die Beschäftigungsoffensive und das 30-Mrd.-€-Infrastrukturpaket für
den Straßen- und Schienenausbau. Und nicht zuletzt verwies der Abgeordnete auf die beiden Etappen der Steuerreform,
Fortschritte für die Pensionisten und ihre erfolgreiche Familienpolitik.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) machte geltend, Österreich würde ein jährliches Wirtschaftswachstum
von 2,5 % bis 3 % benötigen, um die Situation am Arbeitsmarkt zu verbessern und die Arbeitslosigkeit nachhaltig
zu senken. Das sei die einhellige Meinung aller Expertinnen und Experten. Auch er stimme dieser Analyse zu, sagte
Van der Bellen, für ihn stelle sich gleichzeitig aber die Frage, wer die "Bremser" in der Politik
seien.
Die Hauptverantwortung trägt seiner Ansicht nach die Regierung und hier insbesondere Bildungsministerin Elisabeth
Gehrer und Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die zu wenig für Bildung und Weiterbildung sowie für Forschung
und Entwicklung täten. Aber auch die SPÖ und die Gewerkschaft würden in manchen Punkten bremsen.
So zeigte Van der Bellen etwa Unverständnis dafür, dass trotz einer "blendenden Marktposition"
Österreichs im Bereich der Umwelttechnologie alle anderen Parteien die Förderung erneuerbarer Energie
um 80 % kürzen wollten.
Für verfehlt hält Van der Bellen darüber hinaus, wie er sagte, die Verlängerung der Übergangsfristen
in Bezug auf die Öffnung des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Mitglieder. Er erachte diese Übergangsfristen
für wirtschafts- und wachstumshemmend, betonte er, zudem förderten sie Scheinselbständigkeit, Schwarzarbeit
und Saisonierbeschäftigung.
Sozialministerin HAUBNER ortet Konsens darüber, dass soziale Sicherheit eng mit der Schaffung und Sicherung
von Arbeitsplätzen verbunden sei. Die Bundesregierung habe gerade auf diesem Gebiet in den letzten Jahren
agiert, bekräftigte sie. Auch ihr wäre es lieber, wenn man schon am Ende des Weges zur Vollbeschäftigung
angelangt wäre, erklärte Haubner, das, was im Bereich der Arbeitsmarktpolitik investiert worden sei,
könne sich aber sehen lassen. "Wir wollen sicher keine jungen Menschen auf der Strasse", versicherte
sie.
Haubner verwies u.a. auf die Steigerung der Forschungsquote, die "enormen" Investitionen in das hochrangige
Straßen- und Schienennetz und in Lärmschutzmaßnahmen sowie auf die von der Regierung gestartete
Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderung. So gehe der öffentliche Dienst mit der Beschäftigung
von Behinderten mit gutem Beispiel voran. Großes Augenmerk lege die Regierung, so Haubner, zudem auf die
Balance zwischen Familie und Beruf.
Abgeordnete BURES (S) unterstrich, 380.000 arbeitslose Menschen seien Grund genug für eine Sondersitzung des
Nationalrates. Sie qualifizierte es als "beschämend", wie "unernst" ÖVP und Freiheitliche
mit der Situation am Arbeitsmarkt umgingen. Bundeskanzler Schüssel habe sich in seiner Rede nicht ein einziges
Mal mit der Lebenssituation von Arbeitslosen beschäftigt, klagte sie. Bures zufolge tragen die Regierungsparteien
die politische Verantwortung dafür, dass es in Österreich den höchsten Arbeitslosenstand in der
Zweiten Republik gebe. Tausende Menschen seien Opfer von schlechter Wirtschaftspolitik, schlechter Arbeitsmarktpolitik
und leerer Versprechungen.
Abgeordneter KOPF (V) hielt fest, Arbeitslosigkeit sei ein Problem, das man nicht ernst genug nehmen könne.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei in der Tat bedrückend, sagte er, die Frage sei aber, wie man mit dieser
Situation umgehe. Für ihn ist es "beschämend", dass die SPÖ politischer Profiteur der
dramatischen Lage sein wolle.
Kopf verwies darauf, dass die Regierung in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Beschäftigungs- und Konjunkturpaketen
geschnürt habe. Folge sei, dass es in Österreich derzeit so viele Beschäftigte wie nie zuvor gebe.
Auch sei es gelungen, die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit auf 99 Tage zu drücken. Darüber hinaus
hob Kopf die öffentliche Investitionsquote von 2,3 % und die wachstumsfördernde Steuerpolitik der Regierung
hervor.
Abgeordneter SCHEIBNER (F) wies den Vorwurf von Abgeordneter Bures zurück, die Regierungsparteien würden
die Lage am Arbeitsmarkt nicht ernst genug nehmen. Er bezichtigte seinerseits die SPÖ, nicht die richtigen
Prioritäten zu setzen und wertete das vorgelegte Zehn-Punkte-Programm als Programm der Vergangenheit. "Das
ist alles umgesetzt", sagte Scheibner und nannte als Beispiele mehr Geld für Forschung, Entwicklung und
Infrastruktur. Generell gab er allerdings zu bedenken, dass der Staat nur entsprechende Rahmenbedingungen zur Verfügung
stellen könne, die Arbeitsplätze könnten nur von der Wirtschaft geschaffen werden. |
Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) befasste sich mit der Frauenarbeitslosigkeit und rechnete vor, dass es seit Amtsantritt
der Regierung Schüssel im Jahr 2000 im Schnitt pro Tag 18 arbeitslose Frauen mehr gebe. Bundeskanzler Schüssel
versuche diese "unangenehme Wahrheit" mit "ein paar Parolen zuzukleistern", kritisierte sie.
Österreich sei aber das einzige EU-Land, in dem die Beschäftigung von Frauen umgerechnet auf Vollzeitjobs
in den letzten zehn Jahren deutlich abgenommen habe. Wirtschaftsminister Bartenstein warf Weinzinger vor, eine
Studie unter Verschluss zu halten, wonach 65 % der Frauen, die in Leiharbeit beschäftigt sind, akut armutsgefährdet
sind.
Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) führte aus, die Regierung habe es in der Vergangenheit verabsäumt, Maßnahmen
gegen die Konjunkturschwäche zu ergreifen. So habe es etwa in Schweden in den letzten Jahren ein durchschnittliches
Wirtschaftswachstum von 2,8 % gegeben, während dieses in Österreich nur bei 1,9 % gelegen sei. Auch in
Bezug auf die öffentliche Investitionsquote sei Österreich EU-weit an letzter Stelle, bemängelte
Matznetter.
Abgeordneter AMON (V) wertete es als "enttäuschend", dass die SPÖ das Thema Arbeitslosigkeit
wähle, um Wahlkampf zu betreiben. Sondersitzungen schafften jedoch keine Arbeitsplätze, betonte er und
hielt gleichzeitig fest, Bundeskanzler Schüssel und die Regierung würden dieses Thema ernst nehmen. Die
österreichische Arbeitsmarktpolitik sei, so Amon, erfolgreicher als in 21 anderen EU-Ländern. "Der
Kurs stimmt."
Abgeordneter DI SCHEUCH (F) bezeichnete das Zehn-Punkte-Programm der SPÖ als "Schall und Rauch"
und machte geltend, dass einige der Forderungen, wie die Verdoppelung von Infrastrukturausgaben, bereits umgesetzt
seien. Scharfe Kritik übte Scheuch am neuen steirischen Landeshauptmann Voves, der seiner Darstellung nach
keinen einzigen Arbeitsplatz in der Steiermark geschaffen, aber viele Posten mit Parteifreunden besetzt habe.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) meinte, er finde es "deprimierend", dass den Regierungsparteien zum Thema
Arbeitslosigkeit nicht mehr einfalle als "Schönfärberei". Die Grünen wollten die Regierung
nicht für jedes einzelne Arbeitsmarktproblem verantwortlich machen, erklärte er, für manche Bereiche
trage die Regierung aber eindeutig die Verantwortung. Als Beispiele nannte Öllinger Defizite im Bereich der
Bildung und fehlende Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Ihm zufolge verlässt ein hoher Prozentsatz
an jungen Menschen als Analphabeten die Schule.
Abgeordneter RIEPL (S) wies darauf hin, dass es der Wirtschaft gut gehe und die Aktienkurse steigen. Mit einer
solchen Entwicklung könne zwar ein Wirtschaftsminister, aber sicher nicht ein Arbeitsminister zufrieden sein.
Versprochen wurde nämlich, die Zahl der Arbeitslosen zu senken, das Gegenteil ist aber eingetreten. Seit fünf
Jahren gebe es täglich 38 Arbeitslose mehr. Diese Tatsache nahm der Redner zum Anlass, zu behaupten, die Regierung
habe versagt. In einem Entschließungsantrag wird die Reduzierung der Arbeitslosigkeit von LehrerInnen durch
Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen gefordert. Dies deshalb, argumentierte Riepl, da die Wiener ÖVP
die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl von 28 auf 22 fordert und somit ein Anliegen der SPÖ aufgreift.
Die Vorsitz führenden Präsidentin Mag. PRAMMER gab bekannt, dass G-Abgeordneter Öllinger beantragt
habe, einen Untersuchungsausschuss zur Durchführung des Projektes Chip-Karte/E-Card einzusetzen. - Debatte
und Abstimmung über diesen Antrag fanden nach Erledigung der Tagesordnung statt.
Auch Bundesminister Dr. BARTENSTEIN waren 326.000 arbeitslos gemeldete Menschen zu viel. Faktum sei, dass sich
54.000 Österreicher in Qualifizierung befinden; diese Menschen werden als Arbeit suchend geführt. Dass
es gegenüber dem Vorjahr 10.000 Arbeitslose mehr gibt, könne man laut Bartenstein nicht gut heißen.
Da die SPÖ mit den Arbeitslosenzahlen jongliere, vermutete der Minister, dass auf dem Rücken der Arbeitslosen
ein politisches Spiel getrieben wird; das habe auch ein unabhängiger Redakteur des ORF heute Mittag gemeint,
fügte er hinzu. In Zusammenhang mit dem Maßnahmenpaket der SPÖ meinte der Ressortchef, es enthalte
nicht viel Neues, im Großen und Ganzen gehe es um Punkte, die eins zu eins bearbeitet bzw. umgesetzt werden.
Kritisch setzte sich Bartenstein mit den Ausführungen von Gusenbauer auseinander und meinte in Hinblick auf
die Aussage Gusenbauers, 20 Prozent der Arbeitnehmer verdienen unter 1.000 €, wenn dies stimme, wäre das eine
massive Anklage des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Sozialpartner.
Zur Dienstleistungsrichtlinie, die morgen und übermorgen im Europäischen Parlament zur Diskussion stehen
wird, meinte der Ressortchef, vergangenen Donnerstag wurde ein Kompromiss zwischen den Christdemokraten und Sozialdemokraten
Europas erreicht. Am Freitag haben Hannes Swoboda und Othmar Karas in Wien den Vorschlag vorgestellt; Swoboda habe
auch darauf hingewiesen, dass es mit dieser Richtlinie kein Lohn- und Sozialdumping geben werde. Was denkt sich
die Sozialdemokratie in Österreich, wenn in einem Punkt ihres Pakets gesagt wird, die EU-Dienstleistungsrichtlinie
müsse überarbeitet und das angedachte Herkunftslandprinzip unbedingt verhindert werden?, so Bartenstein.
Das Herkunftslandprinzip stehe nicht mehr in der Richtlinie. Was drinnen steht, das sei von den Sozialdemokraten
akzeptiert worden, unterstrich der Minister.
Abgeordneter GRILLITSCH (V) sprach davon, dass die Bundesregierung hervorragende Arbeit leiste; gegenüber
Deutschland habe Österreich einen Wachstumsvorsprung von über 10 Prozent. Das bedeute, dass in den letzten
15 Jahren die Erwerbstätigen in Österreich im Durchschnitt pro Kopf über 50.000 € mehr Einkommen
erzielt haben. Das zeige auch, dass höheres Wirtschaftswachstum unmittelbar für mehr Einkommen und für
mehr Wohlstand stehe. Während die abgewählte rot-grüne Regierung in Deutschland 1.000 Jobs pro Tag
vernichtet habe, schaffe die österreichische Regierung durch die Steuerreform und durch Konjunkturpakete 100
Arbeitsplätze pro Tag, so Grillitsch.
Abgeordneter DI HOFMANN (F) sah keine Dringlichkeit für die heutige Sondersitzung, mahnte ein, Gleiches mit
Gleichem zu vergleichen, was im Fall der Zahl der Arbeitslosigkeit seitens der SPÖ nicht erfolgt sei, und
wies darauf hin, dass die Schulungen Sinn machen und man nicht die Absicht habe, in diesen Schulungen Arbeitslose
quasi zu verstecken. In Zusammenhang mit der Aussage der SPÖ, erst bei einem Wirtschaftswachstum von 2,5 %
bis 3 % könne man Arbeitslosigkeit reduzieren, machte Hofmann darauf aufmerksam, dass der Schwellenwert, ab
dem Arbeitslosigkeit reduziert werden kann, in Österreich derzeit bei 4 % liege.
Abgeordnete SBURNY (G) sprach von einer Herausforderung, in Zeiten wie diesen neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Aber sie bezweifelte die Seriosität der Aussage von Grillitsch, die Regierung schaffe 100 Arbeitsplätze
pro Tag. Stelle man nämlich eine Berechnung an, dann komme man in sechs Jahren auf 216.000 Arbeitsplätze;
zieht man davon die Kindergeldbezieherinnen, 140.000, und die Zivildiener, zirka 50.000, ab, bleiben nur mehr 26.000
Arbeitsplätze über, die unter Umständen durch das Teilen von Ganzzeitarbeitsplätzen geschaffen
wurden.
Abgeordnete SILHAVY (S) machte darauf aufmerksam, dass seit dem Jahr 2000 in Österreich die Armut steige.
Wenn in einem reichen Land wie Österreich über 1 Million Menschen armutsgefährdet ist, sollte der
Kanzler nicht von erfolgreicher Politik sprechen. Das sei eine "Politik des Versagens und nicht des Erfolges".
Sie beanstandete angesichts der derzeitigen tiefen Temperaturen, dass trotz dieser Armut kein bundeseinheitlicher
Heizkostenzuschuss zu Stande gekommen ist. Negativ äußerte die Rednerin sich auch zu den Maßnahmen
der Regierung für die Frauen.
Abgeordnete MIKESCH (V) meinte, mit Schlechtreden und Krankjammern schaffe man keinen Arbeitsplatz. Arbeit schafft
nur, wer arbeitet, und das tun wir, sagte die Abgeordnete. Der Zick-Zack-Kurs, den die SPÖ in den letzten
Jahren verfolgt habe, zeige, dass Gusenbauer auf dem Weg in die Regierung noch viele Lehrjahre zu absolvieren habe.
Die Rednerin brachte sodann ihren Entschließungsantrag, der korrigiert werden musste, abermals ein.
Abgeordneter WITTAUER (F): Wir in Österreich sind Spitzenreiter in der Umweltpolitik und bei Förderungen;
so werde in Österreich die alternative Energie weitaus höher gefördert als in Deutschland. Rot-Grün
habe es in Deutschland nicht geschafft, pro Kopf für alternative Energien mehr auszugeben als Österreich,
strich er heraus. Positiv sah der Redner auch, dass in unserem Land eine Wirtschaftspolitik unabhängig von
Deutschland betrieben werde.
Abgeordnete Dr. MOSER (G) befasste sich mit der thermischen Gebäudesanierung und sprach die Aussage des WIFO
an, dass 200 Millionen mehr für die thermische Gebäudesanierung pro Jahr 11.000 Arbeitsplätze bringen.
Das stütze die Klein- und Mittelbetriebe. Warum, fragte sie, sorgen Sie nicht dafür, dass verstärkt
in die thermische Sanierung investiert wird, zumal "mehr Öko Arbeit schaffe". Außerdem trat
die Rednerin dafür ein, mehr Geld in den öffentlichen Verkehr zu investieren und auch somit zusätzliche
Arbeitsplätze zu schaffen.
Abgeordnete TAMANDL (V) kam auf den "neuesten Skandal" in Wien zu sprechen, wo das AMS Jugendlichen rate,
die zehnte Schulstufe abzubrechen und einen AMS-Kurs zu besuchen, für den die Jugendlichen 130 € erhalten.
Diese Jugendlichen können damit aber keinen Hauptschulabschluss nachholen, klagte die Rednerin. Die Regierung
sei vielmehr auf dem richtigen Weg, mit dem Antrag der SPÖ könne kein einziger Arbeitsplatz geschaffen
werden.
Abgeordneter NEUDECK (F) meinte, von der Opposition seien die Arbeitslosen nach der heutigen Sondersitzung enttäuschter
als vorher.
Der S-Antrag 786/A(E) betreffend Rekordarbeitslosigkeit in Österreich fand im Rahmen der Abstimmung keine
Mehrheit. Der Entschließungsantrag der SPÖ hinsichtlich Reduzierung der LehrerInnen-Arbeitslosigkeit
durch Senkung der KlassenschülerInnenhöchstzahlen blieb ebenfalls in der Minderheit. Mehrheitlich angenommen
wurde der V-F-Entschließungsantrag bezüglich Maßnahmen der Bundesregierung für Wachstum und
Beschäftigung. |