… die verbraucherrechtlichen Instrumente der Unterlassungsklage und der Gruppenklage"
Wien (bmaa) - "Recht haben und Recht erhalten sind zwei Seiten einer Medaille. Konsumentenpolitik
muss sich beiden Fragestellungen in gleicher Weise widmen. Was nützen dem Einzelnen die besten Schutzgesetze,
wenn sie in der Praxis nicht eingehalten werden und Konsumenten angesichts des Prozesskostenrisikos vor einem Gerichtsverfahren
zurückschrecken", betonte Konsumentenschutzstaatssekretär Sigisbert Dolinschek in seiner Eröffnungsrede
der Konferenz "Effektiver Rechtsschutz - die verbraucherrechtlichen Instrumente der Unterlassungsklage und
der Gruppenklage".
Die effektive Durchsetzung von Verbraucherrechten sei daher sowohl Anliegen der einzelnen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union als auch der Gemeinschaft. Das Vertrauen der Bürger in grenzüberschreitende Geschäfte
- und damit das Funktionieren des Binnenmarktes - hänge nämlich im besonderen Maße von Fragen der
Rechtsdurchsetzung ab. "Es war daher nur nahe liegend, dieses grundlegende Thema zum Gegenstand einer EU-Konferenz
im Rahmen der Österreichischen Präsidentschaft zu veranstalten", sagte der Staatssekretär.
Die Tagung widmete sich den besonderen Formen der kollektiven Rechtsdurchsetzung in den Mitgliedsstaaten und der
Gemeinschaft. Es handelt sich dabei um Instrumente, die sicherstellen, dass Verstöße, von welchen eine
Vielzahl von Verbrauchern in gleicher Weise betroffen ist, abgestellt werden können. Im speziellen betrifft
dies Unterlassungsklagen und Gruppenklagen.
Aufgrund einer einschlägigen EU-Richtlinie existiert das Instrument der Unterlassungsklage in allen Mitgliedsstaaten.
Verbände (in Österreich u.a. der VKI und die Bundesarbeitskammer) haben das Recht gegen Unternehmen klagsweise
vorzugehen, die gesetzwidrige Klauseln in Verbraucherverträgen verwenden, durch sonstiges Verhalten gegen
Gesetze verstoßen, mit denen EU-Verbraucherschutz-Richtlinien umgesetzt werden oder die wettbewerbswidrig
agieren (z.B. sittenwidrige oder Irreführende Werbung). STS Dolinschek hatte im Vorfeld dieser Tagung eine
Studie in Auftrag gegeben, die untersuchte, inwieweit in den Mitgliedstaaten die Unterlassungsklagen in der Praxis
auch durchgeführt werden. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass klagsbefugte Verbände in Ermangelung finanzieller
Mittel in manchen Mitgliedsstaaten diese Klagsbefugnis nicht oder unzureichend nutzen. Österreich hat - aufgrund
der finanziellen Unterstützung des Konsumentenschutzressorts für die Klagstätigkeit des VKI - sicher
Vorbildwirkung, werden dadurch doch jährlich ca. 120 Unterlassungsklagen ermöglicht. Für den grenzüberschreitenden
Bereich ist zu hoffen, dass die Umsetzung der EU-Verordnung zur "Behördenkooperation" die effektive
Rechtsdurchsetzung ab 2007 maßgeblich befördern wird.
Im Bereich der Gruppenklagen geht es im wesentlichen darum, prozessuale Instrumente zu etablieren, damit Großschadensereignisse
(Unfälle wie z.B. Kaprun, Flugzeugkatastrophen etc.) oder sonstige Sachverhalte (Zinsanpassungskauseln in
Kreditverträgen, Brechdurchfall-Epidemie im Reiseclub etc.), durch die eine große Zahl von Personen
in gleicher Weise geschädigt wurden, in einem einheitlichen Verfahren prozessökonomisch abgehandelt werden
können. Einige Mitgliedsstaaten haben bereits einschlägige Gesetze dazu erlassen, in anderen wird intensiv
über Regelungen diskutiert. Auch die EU-Kommission hat dieses Thema aufgegriffen. Im Rahmen der Tagung fand
ein Informationsaustausch darüber statt.
"In Österreich ist das Thema "Gruppenklagen" im Zusammenhang mit dem WEB-Prozess einer breiten
Öffentlichkeit bekannt geworden. Dieses Verfahren - mit über 3.000 Klägern und Prozesskosten für
einen einzigen Verhandlungstag in Höhe von ca. EUR 400.000 - wurde zwischenzeitlich zwar vergleichsweise abgeschlossen,
hat jedoch einen dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt", unterstrich Dolinschek. Der Justizausschuss hat einstimmig
die Bundesministerin für Justiz ersucht, Regelungen zur ökonomischen und sachgerechten Bewältigung
von Sammelklagen zu diskutieren. Die daraufhin eingerichtete Arbeitsgruppe ist seit September 2005 damit befasst.
Dolinschek: "Die Diskussion in der Arbeitsgruppe war sehr konstruktiv; ich plädiere an das Justizministerium,
möglichst rasch einen Gesetzesentwurf zu erstellen und in Begutachtung zu schicken". |