Dopingverdacht bei Österreichs Olympioniken  

erstellt am
24. 02. 06

Schüssel: "Lückenlose Aufklärung aller Fälle"
Wien (bpd) - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gratulierte am Donnerstag (23. 02.) im Anschluss an den Ministerrat den österreichischen Sportlerinnen und Sportlern zu ihren Erfolgen bei den Olympischen Spielen in Turin. „Es freut mich sehr, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits 19 Medaillen gewonnen haben. Das ist das erfolgreichste Olympiateam aller Zeiten. Diese Erfolge zeigen, dass wir eine Sportnation sind, die mit den weltbesten Ländern mithält. Unsere Sportlerinnen und Sportler haben damit auch für tausende Jugendliche und Sportbegeisterte eine wichtige Vorbildfunktion“, so Schüssel.

Der Bundeskanzler betonte auch die ausgezeichneten Rahmenbedingungen in den Verbänden und beim Bundesheer, die solche Leistungen mit ermöglicht hätten. „Auch der Bund hat hier seinen Beitrag dazu geleistet. Die Förderung des Bundes für die Olympische Familie wurde seit 2000 auf 1,9 Mio EUR verdoppelt. Wir investieren in die Topsport-Förderung 2,7 Mio EUR jährlich. Beim Bundesheer, an den 108 Sporthauptschulen und 20 Sportgymnasien, 13 Oberstufenrealgymnasien, 5 Sporthandelsschulen für Leistungssportler sowie 11 Hauptschulen und 6 Höhere Schulen ausschließlich für Schisport wird erfolgreiche Nachwuchsarbeit geleistet“, so der Bundeskanzler.

Das Verhalten von ÖSV-Trainer Walter Mayer und das von einigen Teilnehmern bezeichnete Schüssel als verantwortungslos. „Eines muss klar sein: Null Toleranz gegen jene, die dopen. Denn wer dopt, fliegt! Die ausgezeichneten Leistungen unserer Sportlerinnen und Sportler werden dadurch abgewertet. Zum Schutz der Sportler, die sich nichts zu Schulden kommen haben lassen, kann es nur ein Ziel geben: Die lückenlose Klärung aller Vorwürfe“, stellte der Bundeskanzler fest. Es müsse klar sein, das der Ruf hunderter tadelloser Athleten und auf dem Spiel stehe. Es gelte, die internationale Reputation Österreichs als Sportnation aufrechterhalten.

Der Bundeskanzler begrüßte die Einsetzung einer Untersuchungskommission durch das Österreichische Olympische Komitee in Abstimmung mit dem IOC. Diese solle alle Vorfälle aufklären und Vorschläge zur Verbesserung unterbreiten. „Unter der Leitung von Dieter Kalt hat die Kommission ihre Arbeit bereits aufgenommen. Es ist wichtig, dass wir von uns aus einen ernstzunehmenden Beitrag leisten, um hier alles aufzuklären. Es muss höchstes Interesse daran geben, rasch alle Fakten auf den Tisch zu legen und dann die Konsequenzen zu ziehen“, so der Bundeskanzler.

Die Bewerbung der Stadt Salzburg für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 2014 sieht Schüssel nicht gefährdet. „Ich war am vergangenen Wochenende in Turin und Sestriere, habe mit vielen Funktionären des IOC, auch mit Präsident Jacques Rogge gesprochen und Werbung für die Olympiabewerbung Salzburg 2014 gemacht. Mein Eindruck war, dass Salzburg hier durchaus gute Chancen hat, im Juni den Kandidatenstatus zugesprochen zu bekommen“, so der Bundeskanzler abschließend.

 

 Cap: SPÖ fordert raschen Beschluss von Anti-Dopinggesetz
Cap: Regierung lässt anständige Sportler im Stich - Kritik am "katastrophalen Krisenmanagement" des ÖSV
Wien (sk) - "Ziemlich verärgert" ist der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap darüber, dass die tollen Erfolge der österreichischen Sportler bei den olympischen Spielen in Turin durch die Dopingaffäre verdeckt werden. Sein Ärger richtet sich hier insbesondere gegen die verantwortlichen Regierungspolitiker, namentlich Sportminister Schüssel und Sportstaatssekretär Schweitzer, "die längst schon Schritte hätten setzen müssen, um die Sportler zu schützen". In einer Pressekonferenz am Donnerstag (23. 02.) forderten Cap und der Salzburger SPÖ-Abgeordnete und Doping-Experte Johann Maier den raschen Beschluss des Anti-Dopinggesetzes.

Ein Anti-Dopinggesetz wird von der SPÖ seit Jahren gefordert; nach etlichen Entschließungsanträgen der SPÖ sei man im Parlament schließlich im Mai 2004 sogar zu einer Vier-Parteien-Entschließung gekommen, mit der die Regierung aufgefordert wird, ein Anti-Dopinggesetz vorzulegen. Aber: Schüssel und Schweitzer haben seither nichts getan, kritisiert Cap, der es für ganz unverständlich hält, dass Schweitzer selbst nach den Vorfällen in Turin weiter "abwarten" will.

Die SPÖ fordert mit Nachdruck, dass man jetzt rasch das Anti-Dopinggesetz beschließt. Denn man wisse, was getan werden muss. Mit dem Gesetz auf Basis der Global Convention der UNESCO soll das Reglement der WADA (World Anti Doping Agency) übernommen werden. Das hätte freilich schon geschehen können, betonte Cap. Daher seine Kritik: "Schüssel und Schweitzer haben unsere anständigen Sportler ziemlich lang im Stich gelassen."

Der rasche Beschluss eines Anti-Dopinggesetzes wäre das richtige und notwendige Signal, "damit die Sportwelt und die Sportweltöffentlichkeit sieht, dass wir rasch reagieren", erklärte Cap. Der Salzburger Abgeordnete Johann Maier ergänzte dazu, dass dies auch im Hinblick auf die Olympia-Bewerbung von Salzburg für 2014 von großer Bedeutung sei - als Signal an das Internationale Olympische Komitee, dass Österreich für sauberen Sport eintrete.

Cap bezog seine Kritik aber auch auf den Präsidenten des Österreichischen Schiverbands, Peter Schröcksnadel. Die Reaktionen auf die Doping-Affäre im Lager der österreichischen Langläufer und Biathleten von ÖSV-Funktionären hätten den Eindruck entstehen lassen, dass Doping eine Art Kavaliersdelikt wäre. Besonders bemerkenswert in dem Zusammenhang sei gewesen, dass der ÖSV-Präsident nichts von der Anwesenheit des umstrittenen ÖSV-Trainers Walter Mayer in Turin habe wissen wollen, obwohl dies öffentlich bekannt war.

Auf die Frage, ob er den Rücktritt des ÖSV-Präsidenten fordere, sagte Cap: Das muss der ÖSV regeln, "wäre ich Mitglied im ÖSV, würde ich mich an dieser Diskussion aktiv beteiligen". Es sei nicht akzeptabel, dass das Reglement des IOC und die gesetzlichen Regelungen in Italien nicht ernst genommen wurden. Diese Kritik richtete Cap auch an Innenministerin Prokop, die "nicht verstanden hat, dass Turin in Italien liegt und dass die spezielle Regelungen haben". Den Sportpolitikern der Regierung wirft Cap vor, dass sie den "Schlendrian fortsetzen" und die ehrlichen Sportler im Regen stehen lassen. Daher brauche es das Signal, dass die Politik zum Schutz der anständigen Sportler etwas unternimmt.

Der SPÖ-Abgeordnete Johann Maier begrüßte nachdrücklich die Feststellung des Doppelolympiasiegers in der Nordischen Kombination, Felix Gottwald, der gestern in der "ZiB-2" für schärfere Doping-Kontrollen plädiert hatte. Maier, der auch Vorstandsmitglied der Österreichischen Anti-Doping-Kommission ist, sagte: "Seit Jahren beschäftige ich mich schon mit dem Thema, und es hat sich nichts verändert." Die Sportverbände müssten das endlich ernst nehmen, die Mentalität des "Augenzwinkerns" müsse beseitigt werden.

Und auch Maier sieht beim ÖSV ein "katastrophales Krisenmanagement". Er verlangte eine lückenlose Aufklärung und begrüßte die Einsetzung der Untersuchungskommissionen vom IOC und vom ÖOC. Maier machte überdies klar, dass die UNESCO-Convention schon im Oktober 2005 beschlossen wurde (allerdings wegen eines formalen Fehlers, der freilich nichts an den Inhalten ändere, noch einmal beschlossen werden müsse). Kanzler Schüssel hat auf eine parlamentarische Anfrage von Maier, wann das österreichische Anti-Dopinggesetz beschlossen werde, beschieden, sobald die UNESCO-Convention beschlossen sei.

Maier erhob weiters eine Reihe von Forderungen. Die SPÖ will eine Zuständigkeit des Bundes für die Doping-Bekämpfung, die Doping-Bekämpfung muss auf Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention verrechtlicht werden (damit nicht mehr Sportverbände über Berufsverbote entscheiden). Ob es eine gerichtliche Verfolgen von Dopern geben solle, sei zu prüfen. Hier will Maier die Ergebnisse der Untersuchungskommissionen abwarten. Eine Verfolgung der Dealer solle es geben und gebe es auch schon, betonte Maier. Er forderte auch eine personelle Aufstockung des Österreichischen Anti-Doping-Komitees, das derzeit zweieinhalb Mitarbeiter hat. Die Devise müsse lauten: "Null-Toleranz beim Doping".

Der Abgeordnete machte überdies auf das Dopingproblem im Freizeit- und Amateursport aufmerksam. Dieser Aspekt werde normalerweise ausgeblendet, aber: "Hier liegen die großen Probleme." Weitgehend unkontrolliert werden über das Internet ein Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln "mit absoluter Dopingrelevanz" betrieben, erläuterte Maier. Er will in dem Zusammenhang Gespräche mit Justizministerin Gastinger aufnehmen.

 

 Schweitzer: Österreichisches Anti-Doping Gesetz liegt vor
Strenges Dopinggesetz alleine verhindert Doping nicht - Dopingprävention muss bereits in den Sportverbänden beginnen
Wien (bpd/sts) - Sportstaatsekretär Karl Schweitzer weist die Kritik von Klubobmann Cap zurück. Der Entwurf für ein Anti-Doping Gesetz sei fertig, ist auch bereits durch die Begutachtung gegangen. Was fehle, so Schweitzer, ist ein von der UNESCO autorisierter Text mit der korrekten Dopingliste. Ohne diese, so Schweitzer, ist eine Umsetzung in Österreich sinnlos.

Schweitzer berichtet jedoch, dass der Europarat sich im Rahmen seiner Legal Advisory Group am 1.3.2006 mit der dieser Situation befassen wird, um die Verfahrenslage klar zu stellen und einen Weg zu finden, um den Ländern die korrekte und vervollständigte Konvention rasch zukommen zu lassen. Danach werde dem österreichischen Parlament ein am letzten Stand adaptierter Gesetzesentwurf vorgelegt.

Darüber hinaus betont Schweitzer, dass noch so strenge Dopinggesetze Doping nicht verhindern. Gesetze können nur Verstöße sanktionieren. Dopingprävention, so Schweitzer, müsse jedoch bereits in den Sportverbänden bei der Jugendarbeit beginnen. Es gelte das Unrechtsbewusstsein zu schärfen, aufzuklären und den Schutz der Gesundheit als absolut prioritär zu behandeln. Die Bekämpfung des Dopings ist eine Aufgabe die der Leistungssport mit seinen Fachverbänden insgesamt zu bewältigen habe.

Abschließend kündigt Schweitzer in diesem Zusammenhang entsprechende Maßnahmen an, die nun auch im Zusammenwirken mit der Bundessportförderung-neu umgesetzt werden könnten, da für die Umsetzung weit reichender Anti-Dopingmaßnahmen den Sportverbänden auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stünden.

 

 Brosz: Anti-Doping-Gesetz muss kommen
Sportminister Schüssel seit Jahren säumig
Wien (grüne) - "Seit mehr als zwei Jahren hat die Regierung den Auftrag ein Anti-Doping-Gesetz auf Basis eine Parlamentsbeschlusses zu erarbeiten. Ich erwarte, dass die Regierung Parlamentsbeschlüsse umsetzt", erklärt der Sportsprecher der Grünen, Dieter Brosz.

"Bei einem Anti-Doping-Gesetz geht es nicht ums Strafrecht", ergänzt Brosz, insbesondere in Richtung Ministerinnen Gastinger und Prokop, sondern: "Der zentrale Punkt eines Anti-Doping-Gesetzes ist es, sicher zu stellen, dass international gültige Sperren auch durch die österreichische Rechtsordnung abgedeckt werden. Somit wäre es nicht möglich, dass ein österreichisches Gericht eine internationale Sperre aufhebt, wie das im Fall von Walter Mayer geschehen ist."

Brosz erwatet sich umgehend "Aufklärung darüber, ob Sportminister Schüssel tatsächlich eine Wiederholung des Falles Mayer bei eventuell jetzt betroffenen Trainer verantworten will. Wenn ja, dann verantwortet er auch die Konsequenzen, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) ziehen wird." Brosz verweist darauf, dass aus dem IOC vom Ausschluss Österreichs in einzelnen Sparten zu hören sei.

"BK Schüssel hat angesichts des Medaillen-Erfolges in Turin seine Sportminister-Kompetenz entdeckt und sich medial inszeniert. Ich erinnere an seine Aussage 'Wer dopt, der fliegt' und erwarte, dass er auch in der gravierenden Frage eines Anti-Doping-Gesetzes derartige Aktivitäten an den Tag legt und nicht weiterhin den Kopf in den Sand steckt. Alles andere wäre fahrlässig", fordert Brosz abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

     
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