Jarolim/Moser:
Schüssels Übernahmerecht benachteiligt Kleinaktionäre
Wien (sk) - Strikt gegen das neue Übernahmerecht sprachen sich am Dienstag (21. 02.) SPÖ-Justizsprecher
Hannes Jarolim und SPÖ-Wirtschaftssprecher Johann Moser in einer gemeinsamen Pressekonferenz aus. "Schüssels
Günstlingsgesetz fördert den Ausverkauf von österreichischen Unternehmen, schädigt den österreichischen
Kapitalmarkt und schwächt die Position der Kleinaktionäre am österreichischen Kapitalmarkt",
kritisierte Moser. "Dieses Gesetz ist schädigend für den Standort Österreich, kostet weitere
Arbeitsplätze und wird zum Verschwinden weiterer Unternehmen aus Österreich beitragen", warnte Moser.
Jarolim und Moser betonten unisono, dass die SPÖ, sollte sie an die Regierung kommen, dieses Gesetzt jedenfalls
rückgängig machen würde. Jarolim: "Das würde vor den europäischen Instanzen auch
nicht halten – wir machen uns damit zum Gespött."
Konkret soll mit dem neuen Gesetz die bisherige Regelung ausgehebelt werden, wonach bei einem Machtwechsel in einer
Gesellschaft durch einen neuen beherrschenden Aktionär den verbleibenden nicht beherrschenden Aktionären
die Möglichkeit gegeben werden soll, ihre Aktien dem neuen Beherrscher zu verkaufen. Dieser Verkauf musste
bisher zu dem Preis erfolgen, welchen der neue Beherrscher für seinen Erwerb bezahlt hat. Hintergrund dieser
Regelung ist, dass dem Aktionär ein angemessener Ausstieg ermöglicht werden soll, wenn er etwa befürchten
muss, dass die Gesellschaft aufgrund des Machtwechsels andere Unternehmensziele verfolgt oder eine andere Entwicklung
nimmt, als ursprünglich vorgesehen.
"Das Übernahmerecht ist eine Schutznorm für Kleinaktionäre und ist ein Indikator für die
Qualität eines Kapitalmarktes", betonte Jarolim. Nach dem neuen Übernahmerecht sollen etwa Beteiligungen
bis 26 Prozent definitiv als nicht beherrschend gelten. "Zynischerweise wird dieser neue Schutz von Großaktionären
als Safe Harbour-Lösung bezeichnet", sagte Jarolim, der darauf hinwies, dass dieser Umstand der klassischen
Intention der europäischen Übernahmerichtlinie widerspricht.
Diese Regelung gehe an der Realität vorbei, denn die gesellschaftsrechtliche Sperrminorität betrage zwar
25 Prozent plus eine Aktie, doch bereits ein geringer Aktienanteil kann beherrschend sein – und ist das in der
Regel auch, da die Anwesenheit bei Hauptversammlungen zählt. Und hier sind zumeist lediglich 12 bis 20 Prozent
der Streubesitzaktionäre anwesend. In Österreich liege daher üblicherweise bereits bei Anteilen
von 20 Prozent eine beherrschende Stellung vor. "Die Überprüfung nach unten, unterhalb der 25 Prozent
plus eine Aktie, wird mit den neuen Gesetzt schlichtweg ausgeschaltet", erklärte Moser. Jarolim: "Das
ist eine Aushebelung der europäischen Kapitalmarktgrundideen."
Die Folge dieser gesetzlichen Regelung wäre, dass der Beherrschende, der ja mit keinen Konsequenzen zu rechnen
hat, bei Weiterverkauf schnelles Geld durch einen "Beherrschungszuschlag" machen kann, von dem die Kleinaktionäre
nichts haben. Auch würde es sich herumsprechen, so Jarolim, dass man in Österreich günstig eine
beherrschende Stellung einkaufen kann, ohne dass die Schutzbestimmungen des Übernahmerechts zum Tragen kommen.
Moser schilderte plastisch die möglichen Folgen dieses "Günstlingsgesetzes". So könnte
etwa der Andritz-Chef Wolfgang Leitner bis zu 30 Prozent seines Anteils an Andritz an in- oder ausländische
Interessenten verkaufen. Und zwar ohne dass der Käufer ein Übernahmeangebot legen muss. Beim Verkauf
würde Leitner daher einen deutlich höheren Preis erzielen. "Das Gesetz erhöht den Anreiz zum
Verkaufen", so Moser.
Oder: Der Baustoffhersteller Lafarge kauft 30 Prozent von Wienerberger am Aktienmarkt. Er erwirbt damit auch die
strategische Kontrolle über das Unternehmen, damit wären auch gezielte Entscheidungen, die zum Kursverfall
führen, umsetzbar und ein anschließender billiger Erwerb auf Kosten der übrigen 70 Prozent Aktionäre.
Beispiel Post-Abverkauf: Die deutsche Post erwirbt im Rahmen der Verschleuderung der österreichischen Post
30 Prozent. Die deutsche Post hat über einen Aufsichtsrat Einsichtmöglichkeiten in das Unternehmen und
kann wichtige gesellschaftsrechtliche Veränderungen verhindern, zum Beispiel Kapitalerhöhung. "Schüssel
fördert mit dem Gesetz Spekulanten", so Moser weiter, der als Beispiel die Telekom Austria anführte.
US-Capital, die derzeit rund zehn Prozent an der Telekom hält, kann mit dem neuen Gesetz ohne Übernahme-Angebot
auf 30 Prozent aufstocken. Damit hätte die Capital Management ein Beherrschungs-Verhältnis. Sie könnte
30 Prozent für einen späteren strategischen Investor halten, der mehr bezahlen will. Oder sie könnte
das Unternehmen zerschlagen, wenn durch eine Zerschlagung mehr lukriert werden kann.
"Es gibt wohl kaum eine geballtere Phalanx von sachkundigen, außerhalb jeglicher Interessenlandschaft
stehenden Institutionen, die hier mit einer Eindringlichkeit vor diesem Gesetz und den Konsequenzen warnen",
verwies Jarolim auf die kritischen Stellungnahmen von der Rechtsanwaltskammer, dem OGH und der Übernahmekommission.
Jarolim forderte in diesem Zusammenhang, ein in Zukunft weiterhin flexibles Erhebungssystem durch die Übernahmekommission,
"das die beherrschenden Verhältnisse in den einzelnen Gesellschaften von Einzelfall zu Einzelfall feststellt".
"Es ist wichtig, dass Gesetze einen sicheren Zustand für die Kleinanleger und für die Unternehmen
bieten", betonte Moser. Es brauche auch ein Gesetz, das die österreichischen Interessen schützt,
und ein Gesetz, das für die Kalkulierbarkeit der Zukunft und für Transparenz bei Anlegern, Kleinanlegern
und Unternehmen sorgt. "Wenn man einen starken Kapitalmarkt haben will – und das ist auch Ziel der SPÖ
– braucht man klare Regeln mit Sanktionsmechanismen, damit dieser Markt auch funktioniert", so Moser weiter.
Der SPÖ-Wirtschaftssprecher sprach sich abschließend klar für eine Aufwertung der Übernahmekommission
aus. "Die Spielregeln müssen selbstverständlich klarer gemacht werden, wie es der Verfassungsgerichtshof
und die EU-Richtlinie fordern, aber das Ganze muss funktionieren. Daher: nicht amputieren, sondern ausbauen und
verbessern". |