Innsbrucker Physiker bestätigen 35 Jahre alte Theorie von Vitali Efimov
Innsbruck (universität) - Aus dem Labor von Wittgenstein-Preisträger Rudolf Grimm und Start-Preisträger
Hanns-Christoph Nägerl gibt es erneut Erstaunliches zu berichten: Den Innsbrucker Experimentalphysikern ist
es erstmals gelungen, so genannte Efimov-Zustände zu beobachten. Diese wurden vor über 35 Jahren vom
Russen Vitali Efimov theoretisch vorhergesagt und waren seither begehrtes Objekt zahlloser Forschungsgruppen. Die
Zeitschrift Nature berichtet darüber in ihrer aktuellen Ausgabe.
Das Zusammenspiel von drei Objekten mathematisch zu beschreiben, gilt in der Physik als schwere Aufgabe. So erwies
sich schon die Berechnung der Umlaufbahnen von drei sich gegenseitig anziehenden Himmelskörpern seit den Entdeckungen
von Johannes Kepler und Nikolaus Kopernikus als eines der schwierigeren mathematischen Probleme. Die Physiker sprechen
deshalb auch vom Dreikörperproblem. Umso überraschender war es denn auch, als der Russe Vitali Efimov
Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts Dreikörpersysteme in der Quantenwelt beschrieb, deren theoretische
Lösung verblüffend einfach war. Er prophezeite, dass sich drei Teilchen unter Ausnutzung der quantenmechanischen
Eigenschaften zu einem Objekt vereinen können, obwohl sie paarweise zu keiner Verbindung imstande sind. Noch
erstaunlicher: Wenn man die Entfernung zwischen den Teilchen jeweils um den Faktor 22,7 vergrößert,
ergeben sich unendlich viele solcher Efimov-Zustände. Seine scheinbar widersprüchlichen Vorhersagen wurden
in den ersten Jahren von den Koryphäen der Physik zunächst stark angezweifelt. In den folgenden Jahrzehnten
versuchten sich weltweit zahllose Forschungsgruppen an dem Nachweis dieser mysteriösen Quantenzustände.
Das Interesse der Wissenschaft an diesem physikalischen Phänomen ist deshalb so groß, weil es laut Efimov
universellen Charakter hat. So gilt das Gesetz in der Kernphysik, wo die so genannte starke Wechselwirkung für
die Bindung der Teilchen in den Atomkernen verantwortlich ist, ebenso wie bei molekularen Verbindungen, die auf
elektromagnetischen Kräften beruhen.
Weltweit erste Beobachtung
Am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck ist es Forschern um Rudolf Grimm
und Hanns-Christoph Nägerl nun erstmals gelungen, diese Efimov-Zustände experimentell nachzuweisen und
damit ein Stück Physik-Geschichte zu schreiben. Sie beobachteten dazu ein ultrakaltes Gas aus freien Cäsiumatomen,
das bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ein Bose-Einstein-Kondensat bildet. Dieser neue Materiezustand
hat quantenmechanische Eigenschaften und die Kräfte zwischen den einzelnen Teilchen können von den Innsbrucker
Physikern sehr exakt kontrolliert werden. In den letzten Jahren haben sie in diesem Gas erstmals auch Moleküle
gebildet. Mit Hilfe so genannter Feshbach-Resonanzen lassen sich die Abstände zwischen den Teilchen genau
einstellen und so auch die Bedingungen für die Dreiteilchenbindung nach Efimov schaffen. Die entstehenden
Efimov-Objekte werden dabei nicht direkt beobachtet, sondern indirekt durch einen starken Verlust von Teilchen
nachgewiesen. "Wir können diese drei schwach aneinander gebundenen Teilchen nicht einfangen", erläutert
Prof. Rudolf Grimm. "Wir sehen sie aber indirekt als sehr drastischen Verlust von Teilchen in unserem ultrakalten
Gas, wenn wir ganz bestimmte Magnetfelder anlegen. Ihr charakteristisches Verhalten zeigt sich dann in Efimov-Resonanzen.
Eine solche Resonanz haben wir jetzt beobachtet."
Auf der Suche nach weiteren Efimov-Resonanzen
"Der Efimov-Zustand ist ein schwer zu veranschaulichendes Phänomen, er gilt aber seit Jahrzehnten
als eines der größten Geheimnisse der Quantenmechanik", erzählt Hanns-Christoph Nägerl.
"Das Interesse an unseren Daten ist deshalb in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auch enorm groß.
Nun liegt es an den Theoretikern, mit unseren neuen Daten das Verständnis des Dreikörperproblems zu vertiefen."
Die Innsbrucker Experimentalphysiker wollen unterdessen weiter mit ihren ultrakalten Cäsiumatomen experimentieren
und noch andere Efimov-Resonanzen nachweisen. Sie werden dabei vom Österreichischen Wissenschafts-fonds (FWF),
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Europäischen Union unterstützt.
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