Wie geht es den Männern in Österreich?
1. Männerbericht gibt Antwort
Wien (pk) - Erstmals haben die Parlamentarier und Parlamentarierinnen nun die Möglichkeit, sich
einen umfassenden Überblick über die Situation der Männer in Österreich zu verschaffen. Die
Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, Ursula Haubner, hat nämlichen
den 303 Seiten starken 1. Österreichischen Männerbericht (III 209 d.B.) vorgelegt, der zu einem besseren
Verständnis der Geschlechter füreinander als auch zur Verwirklichung einer familienfreundlichen Vereinbarkeitspolitik
in Österreich und Europa beitragen soll. Damit werde auch die Vorreiterrolle Österreichs auf dem Gebiet
der Männerpolitik bestätigt, betont sie im Vorwort. Der Bericht soll in Hinkunft alle fünf Jahre
präsentiert werden.
In Auftrag gegeben wurde der Bericht von der Männerpolitischen Grundsatzabteilung (Sektion V, Abteilung 6),
die im März 2001 vom damaligen BM Herbert Haupt als eigene Organisationseinheit eingerichtet wurde. Der Leiter
dieser Abteilung, Johannes Berchtold, weist im Vorwort darauf hin, dass der Bericht "die wesentlichen Inhalte
der von der Männerabteilung herausgegebenen Studien" umfasst. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei
die zeitgleich mit diesem Bericht erscheinenden Studien zur "Buben- und Burschenarbeit in Österreich"
und zum Thema "Positive Väterlichkeit und männliche Identität", der Männergesundheitsbericht
(2004) sowie ein Bericht über im Herbst 2004 stattgefundene "1. Europäische Väterkonferenz"
(2004). Jede Zusammenfassung der einzelnen Studien schließt mit politischen Handlungs- oder Forschungsempfehlungen,
erläutern die Autoren des Berichts, Peter Ballnik (Institut für psychosoziale Gesundheit, Salzburg) und
Doris Palz (Palz & Partner KEG, Baden).
Drei Phasen männlicher Entwicklung: Buben/Burschen, Männer, Väter
In den Kapiteln zum ersten Bereich "Buben und Burschen" wird die Sozialisation und geschlechtergerechte
Erziehung näher untersucht. Dabei geht es um Fragen wie die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen und Potentiale
sowie Interessenlagen von Buben, Burschen und Mädchen, das spezifische Gruppenverhalten von Burschen, die
Entwicklung der männlichen Identität, um die möglichen Auswirkungen eines weiblich dominierten Erziehungsstils
sowie um Väter und Männer als Vorbilder für Erfolg bei Jugendlichen.
Aus Buben werden Männer
Die nächsten 55 Seiten sind der zweiten Entwicklungsphase ("Männer") gewidmet. Es finden sich
dort die Ergebnisse des ersten österreichischen Männergesundheitsberichts, in dem die geschlechtsspezifisch
männlichen Risikofaktoren und Problemlagen hinsichtlich Lebenserwartung, Morbidität und Todesursachen
ausführlich dargestellt wurden. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Studie über "Suizide von Männern
in Österreich". Es sollte der Frage auf den Grund gegangen werden, welches die statistisch-epidemiologischen
Faktoren für das erhöhte Suizidaufkommen von Männern in Österreich sind, und zwar im Vergleich
zu dem der Frauen unter Bedachtnahme auf das Alter, den Familienstand und das Wohngebiet als Grundlage für
präventive Maßnahmen. Unter dem Titel "Männerarbeit in Österreich" wird die Frage
beantwortet, wie sich das Angebot und der Bedarf im Bereich Männerarbeit (Beratung, Bildung und Begegnung)
in Österreich sowie im Vergleich zur Situation in Deutschland und der Schweiz verhält.
In Österreich gibt es 3,1 Mill. Männer, davon 1,4 Mill. Väter
Der dritte Teil, der unter dem Titel "Väter" subsumiert ist, befasst sich zunächst mit dem
Thema "Jugendliche Familienfähigkeit mit besonderer Berücksichtigung der Väterthematik".
Wie sehen junge Erwachsene Ehe und Familie? Welche Wünsche, Erwartungen und Sehnsüchte verbinden sie
damit? Außerdem werden die Lebenswelten Vater und Kind sowie die Scheidungsfolgen für Männer näher
beleuchtet. Rezipiert werden auch die Studien "Positive Väterlichkeit und männliche Identität"
sowie "Vaterentbehrung".
In einem eigenen Kapitel werden die Ergebnisse der "1. Europäischen Väterkonferenz" resümiert.
Führende Experten nehmen dabei zu folgenden Themen Stellung: Vaterschaft und männliche Identität,
Triade Vater-Mutter-Kind sowie Vaterschaft und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Auf den letzten Seiten findet sich eine kurze Zusammenfassung der politischen Handlungsempfehlungen der im Bericht
eingearbeiteten Publikationen.
Burschen lernen anders als Mädchen
Die Sozialisation der Jungen erfolgt weithin in einer frauenbestimmten Umwelt, heißt es in den Schlussfolgerungen
zur Studie "Buben- und Burschenarbeit in Österreich". Zur Entwicklung der eigenen männlichen
Identität benötigen Jungen aber männliche Bezugspersonen. Der männliche Identifikationsprozess
beginnt bereits im dritten Lebensjahr. Der deutliche Mangel an männlichen Bezugspersonen sollte in den Mittelpunkt
der Maßnahmen gerückt werden: So sollten Anreize gesetzt werden, um gut ausgebildete und geschlechterperspektivisch
reflektierende Männer für die Pädagogik und die Arbeit mit Burschen zu gewinnen. Weiters wird empfohlen,
die Lehr- und Lernmaterialien auf burschengerechte Sprache, Gestaltung und Pädagogik zu überprüfen.
Generell müssen Lehrer und Lehrerinnen berücksichtigen, dass Burschen signifikant mehr Pausen, mehr Bewegung,
mehr Aufmerksamkeit, mehr Kontrolle und klarere Instruktionen benötigen als Mädchen. Es habe sich auch
gezeigt, dass eine Geschlechtertrennung in spezifischen Unterrichtsfächern positive Effekte sowohl für
Mädchen als auch Burschen mit sich bringt, urteilen die Autoren.
Bessere Bewusstseinbildung im Bereich der Gesundheitsprävention
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Männergesundheit erfordere eine Berücksichtigung der spezifisch
männlichen Psychologie, meint der Schweizer Psychologe Allan Guggenbühl. Auffallend sei zum Beispiel,
dass bei Männern im Gegensatz zu Frauen Gesundheit kein unmittelbares Thema ist. Ein wichtiges Kennzeichen
der männlichen Psyche sei die Suche nach dem Risiko, wobei Männer kaum Bereitschaft zeigen, ihr Risikoverhalten
zu ändern. Männer können "ihre Grenzen nicht sehen" und verfügen über "keine
realistische Selbstbeurteilung". Auch das Essverhalten von Männern sei problematischer. Die meisten Männer
sind auch überzeugt, dass ein großes Körperbewusstsein und Körperpflege feminine Eigenschaften
sind.
Unter den empfohlenen Aktivitäten finden sich medizinische Maßnahmen (z.B. Erhöhung der Treffsicherheit
und Akzeptanz von Vorsorgemaßnahmen), psychosoziale und pädagogische Maßnahmen (z.B. stärkere
Forcierung der Gesundheitserziehung im Kindesalter, Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz gesundheitsbewusster
Männer), politische Maßnahmen (z.B. Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Buben- und Männergesundheitsfragen),
mediale Begleitmaßnahmen sowie "settingbezogene Gesundheitsförderungsmaßnahmen" aus
den Bereichen Verkehr, Arbeitsumfeld und Sport.
Eine verstärkte Bewusstseinbildung für männerspezifische Themen und eine intensive Aufklärungsarbeit
sei nicht nur aufgrund der Defizite im Gesundheitsbewusstsein der Männer notwendig, sondern auch aufgrund
der höheren Suizidrate, geben die Autoren zu bedenken.
Neue Formen der Elternschaft sind gefragt
Wenn Männer zu Vätern werden, dann gehe es vor allem darum, "passende Rahmenbedingungen für
verschiedenartige Wege der elterlichen Komplementarität" zu schaffen, fordern die Autoren. So sei beispielsweise
die Gewährung von Väterkarenz für manche Männer zu wenig, für andere Väter gar nicht
notwendig. Für die kindliche und auch für die väterliche Entwicklung sei es wichtig, dem Kind, nicht
nur unmittelbar nach der Geburt, sondern auch bei anderen Übergängen der Kindheit und Jugend (zum Kindergarten,
in die Schule, in den Beruf) verstärkt zur Seite stehen zu können. Dafür gelte es, flexible Modelle
bereit zu stellen, z.B. Lebensarbeitszeitmodelle, flexible Arbeitszeitgestaltung, Möglichkeit zur Heimarbeit
etc. Es sollte den Vätern möglich sein, ihre individuellen Bedürfnisse direkt mit ihrem Betrieb,
ihrer Institution auszuhandeln, ohne um ihren Arbeitsplatz fürchten oder sich zwischen Familie und beruflichem
Aufstieg entscheiden zu müssen.
Wenn mehr Kinder erwünscht sind, dann müsse – durch Einstellungswandel und Schaffung von geeigneten Infrastrukturen
– den Elternpaaren ermöglicht werden, jene Form von Elternschaft zu wählen, mit der sie gut leben können.
Dazu sind auch die Lohnniveaus oder Lohnersatzleistungen (Familieneinkommen) notwendig, die es auch einem Alleinverdiener
– sei es nun Vater oder Mutter – gestatten, die Familie zu ernähren.
Unter Bezug auf die Ergebnisse der Studie "Scheidungsfolgen für Männer" geben die Autoren zu
bedenken, dass die rechtliche Zulässigkeit, das Existenzminimum bei Unterhaltszahlungen um 25 % zu unterschreiten,
aus sozialer Sicht sehr kritisch zu bewerten ist. Es sollte auch überlegt werden, die gemeinsame Obsorge verpflichtend
in Österreich einzuführen. Die Erfahrungen in Deutschland hätten gezeigt, dass Eltern, die auch
gegen ihren Willen die gemeinsame Obsorge leben müssen, erheblich bessere Werte in der Kommunikation, im Umgang
mit den Kindern und im Unterhalt haben, als Eltern mit dem alleinigen Sorgerecht. |