Nach Bawag-Debakel: ÖGB-Chef Verzetnitsch ist zurückgetreten  

erstellt am
27. 03. 06

Wien (öj) - Es ist jetzt bald zwölf Jahre her, daß die Bawag, Bank für Arbeit und Wirtschaft AG, in die Schlagzeilen geriet und sich aus umstrittenen Sondergeschäften in der Karibik zurückziehen mußte. Der Sohn des damaligen "Generals" Wolfgang Flöttl, Walter, soll, so hieß es, mit Bawag-Geldern in Milliarden-Höhe (damals allerdings noch Schilling) zweifelhafte und ebenso riskante Spekulationsgeschäfte betrieben haben.

Jetzt, das heißt am 24. März, stellte sich heraus, daß die Bawag im Jahr 2000 beinahe hätte Insolvenz anmelden müssen, war doch ein uneinbringlicher Verlust von rund einer Milliarde Euro entstanden. Um nun die Bank vor dem sicheren Konkurs zu retten (eine Veröffentlichung der damaligen wirtschaftlichen Lage hätte mit Sicherheit den Vertrauens- verlust
vor allem der Sparer und der Wirtschaft bewirkt, die ihre Gelder sofort abgezogen hätten), beschlossen der Finanz-Chef und Vize-Präsident des Mehrheitseigentümers ÖGB, Günter Weninger, und ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch, die dem Vernehmen nach prall gefüllte Streikkasse des ÖGB als Besicherung für die Bawag heranzuziehen. Ohne allerdings andere darüber zu informieren.

Zwischenzeitlich steht die Bawag wieder wirtschaftlich hervorragend da, was aber nichts an der Tatsache ändert, daß sich Staatsanwaltschaft und Finanzmarktaufsicht dringend für die hier nur kurz angedeuteten Abläufe interessieren.

Als erste Folge erklärten ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch am Montag (27. 03.), Günter Weninger schon vergangene Woche, ihre Rücktritte, Verzetnitsch legt sogar sein Mandat als Abgeordneter zum Nationalrat nieder.

Erst die nächsten Wochen bzw. die Ergebnisse der laufenden Untersuchungen werden zeigen, ob es sich "nur um schiefe Optik" handelte, oder ob weitere Konsequenzen aus dem Handeln entstehen, das – immerhin, man kann es sehen, wie man will –, die heute viertgrößte Bank Österreichs vor dem wahrscheinlichen Konkurs gerettet hat. (mm)

   
 BK Schüssel zum Rücktritt ÖGB-Präsident Verzetntisch
Wien (övp-pd) - Die Entscheidung von ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch nach Bekanntwerden der Details BAWAG-Geschäfte war notwendig und richtig. Dieser Rücktritt kann aber kein Schlußstrich sein, sondern es muss für alle Mitglieder des ÖGB und für die Öffentlichkeit eine nachvollziehare Aufklärung aller Vorgänge geben.

Fritz Verzetnitsch war ein Vertreter der Sozialpartnerschaft im positiven Sinn. Er hat für die Anliegen der Arbeitnehmer gekämpft, gleichzeitig aber immer an das volkswirtschaftlich Mögliche gedacht. Mit dieser Haltung hat er als ÖGB-Präsident auch Anteil an der positiven Entwicklung Österreichs im Standortwettbewerb. Er war es auch, der bei den Verhandlungen über die große Pensionsreform die konstruktive Rolle des ÖGB geführt hat, die jedoch aufgrund der Ablehnung durch die SPÖ letztlich nicht mitgetragen werden konnte.

Ich bedaure die Umstände seines Rücktritts, weil ich Fritz Verzetnitsch immer als moderaten, vertrauenswürdigen Gesprächspartner erlebt habe. Es zeigt sich aber, dass die Ideologie und die Praxis der BAWAG-Geschäfte in der Realität nicht vereinbar waren. Nun geht es primär darum, dass eine ganz genaue Prüfung durch die Finanzmarktaufsicht und die Justiz erfolgen. Es braucht jetzt dringend die notwendige Transparenz und die rückhaltlose Aufklärung aller Details der Geschäftsvorgänge. Dass eine österreichische Bank international mit negativen Schlagzeilen ins Gerede kommt, ist äußerst bedauerlich und für den österreichschen Wirtschafts- und Finanzstandort schädlich. Die österreichischen Banken genießen international einen ausgezeichneten Ruf und sie sind gerade was den wirtschaftlichen Aufbau und die Entwicklung in Mittel- und Südosteuropa betrifft Vorreiter und sehr erfolgreich.

 

Gusenbauer: "Zeichen höchster politischer Verantwortung"
Wien (sk) - Gegenüber dem Pressedienst der SPÖ gab SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer zum Rücktritt von ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch am Montag (27. 03.) eine Erklärung ab: "Fritz Verzetnitsch setzt mit seinem Rücktritt ein Zeichen höchster politischer Verantwortung.

Er wurde vor sechs Jahren von einigen Bankmanagern mit einer Entscheidung konfrontiert, die weit reichende Auswirkungen auf hunderttausende Sparer, tausende Beschäftigte, den Fortbestand der viertgrößten österreichischen Bank und die wirtschaftliche Zukunft des ÖGB hatte.

Wie man nun angesichts der aktuellen Bilanz der BAWAG weiß, hat er damals die wirtschaftlich richtige Entscheidung getroffen: Kein Sparer kam zu Schaden, die BAWAG steht heute besser da als zuvor und der ÖGB hat seine volle Handlungsfähigkeit erhalten.

Es ist ein Zeichen der Größe der Persönlichkeit von Fritz Verzetnitsch, dass er, ohne sich selbst das Geringste zu Schulden kommen zu lassen, die Verantwortung übernimmt, um so von der Österreichischen Gewerkschaftsbewegung jeden Schaden abzuwenden.

Dieser Schritt sollte dennoch nicht davon ablenken, die wahren Verantwortlichen für die Riesenverluste der BAWAG zu ermitteln und von Ihnen auch einen persönlichen Beitrag zur Schadenswiedergutmachung zu verlangen.

Namens der SPÖ danke ich Fritz Verzetnitsch für seine jahrzehntelange erfolgreiche Tätigkeit für die Österreichische Arbeiterbewegung. Es ist heute noch viel zu früh, seine Verdienste umfassend zu würdigen, dazu wird es noch sowohl im Rahmen der Gewerkschaft, aber natürlich ganz besonders innerhalb der Sozialdemokratischen Partei genügend Gelegenheiten geben.

Wir sind stolz auf Fritz Verzetnitsch; darauf, wie er stets mit vollem Einsatz gearbeitet hat und darauf, was er unter politischer Verantwortung versteht."

 

Gorbach zu Verzetnitsch-Rücktritt: Späte Einsicht
Wien (bzö) - Als "späte Einsicht" bezeichnete der geschäftsführende BZÖ-Obmann, Vizekanzler Hubert Gorbach, den Rücktritt des ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch. "Mit diesem Schritt ist es allerdings für den ÖGB und die SPÖ nicht getan. Das sage ich für den Fall, dass die Damen und Herren in der Löwenstraße glauben, damit sei alles erledigt", so Gorbach über die Entscheidung Verzetnitschs, die offensichtlich nur auf großen Druck zustande gekommen ist, nachdem sich der ÖGB-Chef erst gestern noch völlig unwillig gezeigt hatte, Konsequenzen zu ziehen. Dieser Schritt könne folglich nur den Anfang einer lückenlosen Aufklärung der "Machenschaften des roten Netzwerks" sein.

Nach wie vor sei ungeklärt, welche Rolle etwa Ex-Bundeskanzler Viktor Klima oder andere hochrangige SPÖ-Vertreter im BAWAG-Verlust-Skandal gespielt hätten. Ebenso stünde der Verdacht des Verstoßes gegen das Bankengesetz, des Körperschaftssteuerbetrugs, der Vorspiegelung falscher Tatsachen und jener der Vorteilnahme im Raum. Gorbach: "Die wahren Eigentümer der BAWAG - nicht etwa die SPÖ-ÖGB-Bonzen, wie diese offenbar selbst immer der Meinung waren - sondern die kleinen Gewerkschaftsmitglieder haben ein Recht darauf, alles zu erfahren".

Die alles entscheidende Frage für die SPÖ und Alfred Gusenbauer sei spätestens jetzt beantwortet: Wenn die Sozialisten nicht einmal eine Bank führen können, wer sollte ihnen zutrauen, einen Staat zu lenken? "Ob Konsum-Pleite, Verstaatlichten-Skandale, Bank Burgenland-, ARBÖ- und BAWAG-Fiasko - die SPÖ beweist in beängstigend regelmäßigen Abständen, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Der Wähler sollte ihr deshalb zum eigenen und zum Schutze Österreichs nicht die Gelegenheit dazu geben", schloss der geschäftsführende BZÖ-Obmann.

 

Strache: Nach Verzetnitsch-Rücktritt jetzt auch Verantwortung Gusenbauers klären
Wien (fpd) - "Mit dem Rücktritt Verzetnitschs ist der BAWAG-Skandal noch lange nicht vom Tisch", sagte heute FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache. Mit dem Rücktritt des ÖGB-Chefs könne die Angelegenheit nicht abgehakt werden. Es sei außerdem völlig absurd, daß Verzetnitsch jetzt für seinen Rücktritt auch noch gelobt werde. "Daß jemand, der in Machenschaften dieses Ausmaßes verwickelt ist, zurücktritt, sollte sich von selbst verstehen", erklärte Strache. "Verzetnitsch hätte sofort nach Bekanntwerden des Skandals die Konsequenzen ziehen müssen."

Strache vermutet, daß bisher nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs bekannt geworden sei. Auch die Verantwortung der SPÖ sei zu klären. "Egal ob Konsum, Bank Burgenland, ARBÖ, BAWAG - die SPÖ hat überall federführend ihre Finger im Spiel", meinte Strache. Es könne kein Zufall sein, daß andauernd SPÖ-nahe Organisationen und Unternehmen in Finanzskandale verwickelt seien.

Daher sei jetzt auch SPÖ-Obmann Gusenbauer unmittelbar betroffen, betonte Strache. Verzetnitsch sei schließlich einer der höchsten SPÖ-Führungsfunktionäre und quasi Gusenbauers "Synchronschwimmer". Die beiden seien auf Gedeih und Verderb aneinandergekettet und so etwas wie die siamesischen Zwillinge der SPÖ. Es könne kaum sein, daß Gusenbauer über die Machenschaften Verzetnitschs nicht informiert gewesen sei.

Der BAWAG-Skandal müsse lückenlos aufgeklärt werden, forderte Strache, der auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß für ein geeignetes Mittel hält. "Verzetnitsch soll nicht glauben, daß ihn ein Rücktritt vor seiner Verantwortung rettet. Und Gusenbauer und Co. sollen nicht glauben, daß die Angelegenheit für sie ausgestanden ist." Viele Dinge wie etwa die Abfertigung Elsners seien noch zu klären.

 

Van der Bellen: Verzetnitsch-Rücktritt angesichts Bawag-Debakels logischer Schritt
Wien (grüne) - "Angesichts der Hintergründe und Ausmaßes des Bawag-Debakels ist der Rücktritt des ÖGB-Präsidenten ein logischer Schritt", so der Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, zum Rücktritt von Fritz Verzetnitsch. "Es muss die Aufgabe der jeweils Verantwortlichen in den kommenden Monate sein, dass Vertrauen der Kunden in die Bawag sowie der Gewerkschaftsmitglieder in den ÖGB wiederherzustellen. In beiden Fällen gibt es noch eine Reihe offener Fragen, die zu beantworten sein werden", so Van der Bellen in einer ersten Reaktion.

 

Sorger: Mit Fritz Verzetnitsch geht verlässlicher Partner der Industrie
Wien (pdi) - "Mit Fritz Verzetnitsch geht ein verlässlicher Partner der Industrie als Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes", betonte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Dr. Veit Sorger, am Montag (27. 03.). Die Industrie habe in Fritz Verzetnitsch einen Diskussions- und Arbeitnehmerpartner europäischen Formats gehabt, was insbesondere in Zusammenhang mit dem EU-Beitritt sowie in den vergangenen Jahren, die durch die wachsende globale Herausforderung für die österreichischen Unternehmen geprägt waren, von besonderer Bedeutung war. "Bei allem Diskurs und unterschiedlichen Meinungen, stand Fritz Verzetnitsch immer für Dialogbereitschaft und Augenmaß", betonte Sorger.

 

Finanzministerium erteilt FMA Auftrag zur umfassenden Vor-Ort Prüfung der BAWAG…
… in allen rechtlichen und wirtschaftlichen Belangen
Wien (bmf) - Bundesminister Karl-Heinz Grasser erteilte am Montag (27. 03.) aufgrund der aktuellen Situation, in Ergänzung zur Prüfung zum Fall Refco aus dem Vorjahr, der FMA den Auftrag zu einer umfangreichen Prüfung der BAWAG in sämtlichen Belangen rückreichend bis in die 90er Jahre. Ebenso wurde die FMA aufgefordert, einen Wirtschaftsprüfer beizuziehen.

Dazu Finanzminister Grasser: "Es ist notwendig, dass hier endlich die notwendige Transparenz geschaffen wird und sämtliche Details aufgeklärt werden. Ich gehe auch davon aus, dass hier so schnell als möglich die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden."

"Es ist nun aber auch wichtig, Ruhe zu bewahren, den Kunden der BAWAG zu sagen, dass ihre Spareinlagen nicht gefährdet sind, und überdies alles zu tun, um die Stabilität des Finanzplatzes Wien zu gewährleisten." schloss Grasser.
     
zurück