Debatten um EU-Frühjahrsgipfel  

erstellt am
23. 03. 06

 Einem: "Europa braucht merkbare Reformen statt schwammiger Worte"
Wien (sk) - "Es setzt sich fort, was auch bisher zu sehen war: Es passiert nichts, was man nicht ohnehin gemacht hätte", so die Kritik von SPÖ-Europasprecher Caspar Einem in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit gf. SPÖ-Klubobmann Josef Cap, zum österreichischen Reformprogramm, das beim Frühjahrsgipfel des Rates vorgelegt werden solle. "19 Millionen Arbeitslose in Europa und 30 Millionen Arbeitssuchende wollen aber konkrete Maßnahmen sehen, nicht schwammige Erklärungen", so Einem. Die Sozialdemokratie habe klare Maßnahmen vorgelegt, die auf die Stärkung der Binnennachfrage abzielen. "Wir wollen das Vertrauen der Konsumenten stärken und das geht nur über glaubwürdige Investitionen in die wichtigen Lissabonziele", betonte Einem.

In den wesentlichen Punkten von Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Bildung und Nachhaltigkeit gäbe es nur zwei konkrete Maßnahmen, die in den Unterlagen zum Frühjahrsgipfel zu finden seien. "Es ist okay, dass bei der Jugendarbeitslosigkeit messbare Ziele und ein definierter Zeitraum festgelegt wurden. Bei der Bildung und beim allgemeinen Arbeitsmarkt kann man die aber leider nicht finden", kritisierte Einem, der festhielt: "Unsere Sorge ist, dass wieder keine konkreten Selbstbindungsmaßnahmen beschlossen werden, die auch wirklich etwas verändern." Schöne Erklärungen würden nicht reichen, um etwas zu verändern. "Da brauch es schon konkrete und messbare Maßnahmen", so Einem.

Deshalb verlange die SPÖ ein Selbstbindungsprogramm mit konkreten Investitionen in die Bereiche Forschung und Entwicklung, Bildung, Arbeitsmarkt und Nachhaltigkeit. "Wir wollen eine systematisch messbare Steigerung der Ausgaben in diesen Bereichen – und zwar über fünf Jahre um jeweils ein Prozent", präzisierte Einem. Ein solches Programm würde die Haushalte nicht überstrapazieren. "Nur so kann man das Vertrauen der Konsumenten wieder gewinnen und wir brauchen das Anspringen der Binnenkonjunktur", so Einem. "Wenn man Wachstum will, dann muss man auch Geld in die Hand nehmen."

"Nur wenn es Schüssel gelingt, zu mehr als zu schwammigen Erklärungen zu kommen, wird man von einem Erfolg des Gipfels sprechen können. Europa braucht jetzt Maßnahmen, die auch erkennbare Wirkungen zeigen, sonst ist das ganze Projekt in Gefahr", formulierte Einem seine Anforderung an die österreichische Ratspräsidentschaft abschließend.

 

Lopatka: Der Lack ist ab
Wien (övp-pk) - "Wann sind Ihnen eigentlich die Inhalte abhanden gekommen?", stellte ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Mittwoch (22. 03.) anlässlich der "Doppelmoderation" von Cap und Einem die Frage. Das gemeinsame Rudern um eine einheitliche Linie in zentralen europäischen Zukunftsthemen sei zwar begrüßenswert, "wir überlassen die Inhalte aber lieber der Hand von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel". Das Frühlingserwachen der SPÖ knapp vor dem Frühjahrgipfel sei jedenfalls zu spät. "Eine EU-Fahne auf dem Tisch macht noch keinen Europäer. Der Lack ist ab", so Lopatka.

Bundeskanzler Schüssel habe die Ziele für den Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs mehrmals klar definiert: Ein Prozent Beschäftigungswachstum bzw. zwei Millionen Beschäftigte mehr pro Jahr für die nächsten fünf Jahre. Wenn die SPÖ sich nun auf europäischer Ebene für zusätzliche Arbeitsplätze einsetze, sei sie daran erinnert, dass sie auf nationaler Ebene immer wieder gegen Wachstums- und Beschäftigungsmaßnahmen wie die Steuerreform und Teile der Konjunkturpakete gestimmt habe. "Wo verantwortungs- volle Politik klein und Populismus groß geschrieben wird, ist die Gusenbauer-SPÖ zu Hause", so der ÖVP-Generalsekretär.

Wohin die SPÖ-Politik nach dem Motto "Darf's a bisserl mehr sein" führe, hätten die Milliarden-Verluste und die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze der SPÖ bei der Verstaatlichten, der Bank Austria, ARBÖ und BAWAG gezeigt. Daher klinge ein SPÖ- Wirtschaftsprogramm auf nationaler wie auf europäischer Ebene wie eine "gefährliche Drohung. Es ist und bleibt eine Tatsache: Die SPÖ kann nicht wirtschaften", so Lopatka abschließend.

 

Strache: "Aktionsphase" Schüssels ist gefährliche Drohung
Wien (fpd) - Als gefährliche Drohung wertet FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache die Ankündigung von Bundeskanzler Schüssel, beim am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel in die "Aktionsphase" kommen zu wollen.

"Wie man den Bundeskanzler kennt, versteht er darunter wahrscheinlich Aktionen zur Zerstörung österreichischer Arbeitsplätze oder deren Verlagerung ins Ausland. Es ist auch völlig grotesk, wenn jemand, der die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik zu verantworten habe, jetzt auf europäischer Ebene für mehr Beschäftigung sorgen wolle.

Wenn Schüssel ankündige, dass er sich vorgenommen habe, in Brüssel "sehr konkret" von "Beschäftigungschancen und Zukunftsmöglichkeiten der europäischen Wirtschaft" zu sprechen, muss er sich die Frage gefallen lassen, was er bisher eigentlich gemacht hat. Offenbar ist während der österreichischen EU-Präsidentschaft neben den üppigen Büffets und den diversen Selbstbeweihräucherungsfestivitäten keine Zeit zum Arbeiten geblieben", meint Strache. "Wobei man ja direkt froh sein muss, dass die Regierung untätig ist. Denn wenn sie nichts tut, macht sie wenigstens nichts kaputt.

Insgesamt ist die österreichische EU-Präsidentschaft ein einziges Desaster", betont Strache. "Die Kritik aus dem Ausland mehrt sich auch zusehends. Schüssel soll endlich seinen Kopf aus den Wolken nehmen, dann wird er auch bemerken, dass sich mittlerweile ganz Europa über ihn lustig macht."

 

 Glawischnig: Atomlobby droht sich bei EU-Rat durchzusetzen
Wien (grüne) - "Der Atomlobby ist es gelungen, sich beim Ratstext zur EU-Energiepolitik durchzusetzen. Werden diese Schlussfolgerungen beim EU-Gipfel abgesegnet, so ist das eine glatte Anti-Atom-Niederlage für BK Schüssel", kritisiert Eva Glawischnig, stv. Bundes- und Umweltsprecherin der Grünen. In den ursprünglichen Entwurf der österreichischen Präsidentschaft wurde in den letzten Tagen an drei Stellen der Begriff 'low emission technologies' verankert. "Dieser Begriff – 'Technologien mit niedrigen Emissionen' - ist nichts anderes als ein Deckname für Atomkraft", warnt Glawischnig. "Die Atomlobby will Atomenergie auf eine Stufe mit erneuerbaren Energieträgern stellen", so Glawischnig. Damit drohe einerseits die Festschreibung einer fixen Atomquote innerhalb des EU-Energiemixes und andererseits die Ausweitung der ungerechtfertigten Subventionen und Forschungsgelder für die Atomkraft. Letztlich würden so die Weichen für den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa gestellt.

"Wenn Ratsvorsitzender Schüssel diesen Pro-Atom-Beschluss zulässt, ist seine Präsidentschaft im Anti-Atombereich gescheitert", so Glawischnig. Dass BK Schüssel und die ÖVP kein Interesse an einer zukunftsorientierten Neuausrichtung der Energiepolitik hätten, wurde erst neuerlich gestern im parlamentarischen Hauptausschuss klar, wo die Regierungsparteien einen diesbezüglichen Antrag der Grünen abgelehn hatten. Massive Kritik übt Glawischnig auch an EU-Kommissionspräsident Barroso, der gestern einem Ausbau der Atomkraft das Wort geredet hatte und meinte, Atomenergie werde seiner ‚persönlichen Ansicht’ nach in Zukunft immer mehr ein Thema werden. "Es ist untragbar, dass ein EU-Kommissionspräsident sich auf die Seite der Atomlobby stellt, wenn eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten und der Bevölkerung Atomkraft ablehnen", so Glawischnig. "Auch 20 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl sind sichere AKW ein Mythos und der europaweite Atomausstieg ohne Alternativen", schließt Glawischnig.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

     
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