60 Lebensjahre, 10 Schwerarbeitsjahre, 1,8 % Abschlag pro Jahr
Wien (pk) - Im Mittelpunkt des Ausschusses für Arbeit und Soziales stand das von der Regierung
vorgelegte Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2006 (SVÄG). Demnach können Personen, die in den
letzten 20 Jahren vor dem Pensionsstichtag mindestens 10 Jahre Schwerarbeit geleistet haben, ab Vollendung des
60. Lebensjahres (und bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen) mit einem Abschlag von 1,8 % pro Jahr (das
sind bei fünf Jahren 9 %) in Pension gehen. Damit werde u.a. dem Umstand Rechnung getragen, dass die
gesundheitliche Belastung der Versicherten gerade im fortgeschrittenen Alter besonders hoch ist, heißt es
in dem Entwurf. Eine "vorzeitige Alterspension auf Grund besonders belastender Tätigkeiten" nach
dem ASVG konnte bisher nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Hälfte der erforderlichen Beitragsmonate
als Schwerarbeit gewertet wurde.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzespakets ist die Ausweitung des Beobachtungszeitraums für die Berechnung
der Witwen-/Witwerpension auf vier Jahre. In Hinkunft werden auch so genannte Administrativpensionen bei der Einkommensermittlung
berücksichtigt. Darunter versteht man jene Leistungen des Dienstgebers (insbesondere im Bankenbereich), die
dieser im Fall einer Arbeitgeberkündigung gewährt. Oft beträgt die Administrativpension lediglich
einen Bruchteil dessen, was zuvor als Einkommen erzielt wurde. Der Gesetzentwurf enthält auch neue Bestimmungen
hinsichtlich der befristeten Bestellung von leitenden Sozialversicherungsbediensteten.
In einem Abänderungsantrag wird das zusätzliche Kriterium, dass Zeiten der Schwerarbeit im Inland erworben
werden müssen, gestrichen. Zudem wird die Bestimmung, dass ein Bediensteter, der mit einer leitenden Funktion
betraut wird, nach Ablauf der Befristung auf einen Dienstposten versetzt werden kann, der mit einer Verschlechterung
der Entgelt- oder Arbeitsbedingungen verbunden ist, auch für das gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und
das Bauern-Sozialversicherungsgesetz gelten.
In der Diskussion wies Abgeordneter Franz Riepl (S) darauf hin, dass ein Arbeitnehmer, der Schwerarbeit leistet,
nicht erfahre, ob eine entsprechende Meldung durch den Arbeitgeber abgegeben wurde. Daher trat er für mehr
Rechtssicherheit ein.
Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, unter den gegebenen Rahmenbedingungen sei eine gerechte Lösung
im Bereich der Schwerarbeit kaum möglich. Auch machte er darauf aufmerksam, dass schwer arbeitende Menschen
in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst wissen, dass sie als Voraussetzung für die Schwerarbeitsregelung
das 60. Lebensjahr nicht erreichen. Ferner kritisierte er, dass schwer arbeitende Menschen, die 20, 30 Jahre schwere
Arbeit geleistet haben, nicht unter diese Regelung fallen, sehr wohl aber jene, die 10 Jahre Schwerarbeit geleistet
haben. Aus diesem Grund forderte er eine saubere Lösung; sollte es diese nicht geben, sollte die vorzeitige
Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wieder eingeführt werden.
Abgeordneter Walter Tancsits (V) bemängelte, dass seitens der Opposition kein einziger konstruktiver Vorschlag
gekommen sei. Auch wies er darauf hin, dass Belastungen im Laufe eines Lebens anders wahrgenommen werden. Abgeordnetem
Riepl warf er vor, mit seinem Vorschlag eines Bescheidverfahrens mehr Bürokratie einführen zu wollen.
Die Regierungsparteien seien für eine praktikable Lösung.
Abgeordneter Dietmar Keck (S) strich heraus, dass erst mit der Pensionsreform das Problem der Schwerarbeit aufgetreten
sei. Auch er meinte, dass schwer arbeitende Menschen das Pensionsantrittsalter von 60 Jahren nicht erreichen werden.
Die Neuregelung gehe, unterstrich er, von der Formel "45 Versicherungsjahre, 60 Lebensjahre und 10 Jahre Schwerarbeit
in den letzten 20 Jahren" aus. Was ist mit den Beschäftigten, die bereits mit dem 15. Lebensjahr mit
der Schwerarbeit angefangen haben?, fragte er die Ministerin. Auch machte er darauf aufmerksam, dass jährlich
zwischen 300 und 500 Personen bis zum Jahr 2010 die Schwerarbeitspension in Anspruch nehmen können. Selbst
wenn alle Kriterien erfüllt sind, gibt es zusätzlich Abschläge in der Höhe von 9 %. Zu einer
solchen Regelung könne man, so Keck, nur nein sagen.
Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) sprach davon, dass es keinen Lehrling gibt, der Schwerarbeit leistet, da
Schutzvorschriften zu beachten sind. Er sah großen Informationsbedarf, um die Menschen bei der Pensionierung
nicht zu enttäuschen, soll es doch von den 600.000 bis 800.000 Personen, die Schwerarbeit leisten, nur 3.000
bis 4.000 Begünstigte pro Jahr geben. Auch trat er dafür ein, dass der Mitarbeiter eine Einsichtsmöglichkeit
erhält, ob er vom Arbeitgeber gemeldet wurde oder nicht.
Abgeordneter Richard Leutner (S) strich heraus, dass mit dem vorliegenden Gesetz die Erwartungen der Arbeiter und
Angestellten nicht erfüllt werden. Bonifikationen für Schwerarbeit lassen sich seiner Ansicht nach nicht
über Abschläge regeln, sondern nur über höhere Steigerungsbeträge. Nicht an der Definition
der Schwerarbeit sei ein gemeinsamer Vorschlag gescheitert, sondern vielmehr an den rigiden pensionsrechtlichen
Rahmenbedingungen, so Leutner.
Abgeordneter Maximilian Walch (F) räumte ein, dass die Wirtschaft zusätzliche Arbeit bekomme, fügte
aber hinzu, die Administration der Meldung sei "watscheneinfach", da es einen Jahreslohnzettel gäbe.
Nach der Lösung für zivilbehinderte Personen, die bereits vor Beginn ihrer Berufstätigkeit behindert
waren, erkundigte sich G-Abgeordnete Theresia Haidlmayr.
Abgeordnete Marialuise Mittermüller (F) sah in der Regelung Vorteile für die Frauen, zumal die Pflegeberufe
in der Schwerarbeiterregelung aufgenommen werden.
Abgeordneter Karl Öllinger (G) replizierte auf Reinhold Mitterlehner und wies darauf hin, dass in den nächsten
10 Jahren Personen in Pension gehen, die in den beginnenden siebziger Jahren, in denen es keine Schutzbestimmungen
für Lehrlinge gegeben hat, ins Arbeitsleben eingetreten sind.
Abgeordneter Dietmar Keck (S) schnitt die Kalorienregelung an und wies darauf hin, dass dieser Arbeitskalorienverbrauch
gemessen werden muss.
Sozialministerin Ursula Haubner sah in der Vorlage einen sozialpolitischen Fortschritt. Man habe versucht, eine
ausgewogene und gerechte Lösung zu finden, vor allem was die Tätigkeiten betrifft. Die Experten der AUVA
haben ein Modell für eine Kalorienmessung zu erarbeiten. Auch sie unterstrich, dass es um Arbeitskalorien
gehe. Im Zusammenhang mit der Meldepflicht finden erste Gespräche mit dem Hauptverband statt. Auch die Sozialpartner
sollen sich in diese Verhandlungen einbringen. Im Hinblick auf die genannten Zahlen sprach die Ressortleiterin
von Schätzungen. Sie hob auch hervor, dass das Regelpensionsalter nicht erhöht wurde und man nur die
Frühpension abgeschafft habe.
Abgeordneter Fritz Neugebauer (V) betonte im Zusammenhang mit der neuen Bestimmung hinsichtlich der befristeten
Bestellung von leitenden Sozialversicherungsbediensteten, man wolle nicht haben, dass ein "hoch dotierter
Generaldirektor mit einer Riesengage spazieren gehe". Bis April sollten die Sozialpartner eine Lösung
vorlegen können.
Abgeordneter Karl Donabauer (V) fügte an, dieses Gesetz sei für die Zusammenlegung der gewerblichen mit
der bäuerlichen Sozialversicherungsanstalt nicht notwendig.
Das SVÄG wurde in Form des Abänderungsantrages mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien beschlossen.
Oppositionelle Anträge
Die Behandlung des S- Antrages, dem gemäß in das ASVG die Bestimmung aufgenommen werden soll, dass die
Dienstgeber jede bei ihnen beschäftigte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger
anmelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abmelden müssen, wurde mit der Mehrheit
von ÖVP und F vertagt.
S-Abgeordnete Mag. Lapp fordert in einem Entschließungsantrag die Enthebung von Mag. Haupt aus der Funktion
des Behindertenanwaltes. Sie argumentiert dass ein Behindertenanwalt seine Aufgaben völlig unabhängig,
insbesondere unabhängig von politischen Parteien, zu erfüllen habe. Dies treffe auf Mag. Haupt nicht
zu, habe er doch laut "Kleiner Zeitung" angekündigt, im kommenden NR-Wahlkampf für das BZÖ
wahlkämpfen zu wollen.
In der Debatte zu diesem Antrag hielt es Abgeordneter Josef Winkler (V) für demokratiepolitisch bedenklich,
wenn jemand, der einer Partei angehört, eine bestimmte Funktion nicht mehr wahrnehmen dürfe. Man solle
vielmehr froh sein, dass sich jemand, der sich über viele Jahre fachlich einschlägig mit der Materie
auseinander gesetzt hat, zur Verfügung stellt.
Abgeordnete Marialuise Mittermüller (F) hob die Leistungen von Haupt für die Behinderten hervor.
Abgeordneter Karl Öllinger (G) hielt es für angebracht, wenn eine Person, die eine öffentliche Funktion
bekleidet, parteipolitische Tätigkeit "mit Maß und Ziel" betreibt. Haupt sei auf Grund seines
Interviews "verdächtig", dass er seine Funktion ähnlich anlegt wie Volksanwalt Stadler, der
mit politischen Äußerungen an die Öffentlichkeit geht. Eine solche Vorgangsweise sei falsch und
nicht tragbar, so Öllinger.
Abgeordnete Christine Lapp (S) strich heraus, dass sich ein Behindertenanwalt an die Gesetze zu halten und unabhängig
von einer politischen Partei zu agieren habe. Die Äußerung von Haupt, er werde für das BZÖ
wahlkämpfen, sei mit der Funktion des Behindertenanwaltes nicht vereinbar.
Sozialministerin Ursula Haubner sprach von einer Unterstellung, dass Haupt seine Funktion für parteipolitische
Zwecke missbrauche. In einem Interview sei er um seine parteipolitische Meinung gefragt worden. "Haupt möge
man an seinen Taten und nicht an einmaligen Worten messen."
Der S-Antrag wurde von ÖVP und F abgelehnt.
In der Debatte zum G- Antrag betreffend die rechtliche Absicherung von ArbeitnehmerInnen mit intellektueller Beeinträchtigung,
die in "Beschäftigungstherapien" tätig sind, wies Ministerin Ursula Haubner darauf hin, dass
diese Beschäftigungstherapie kein Dienstverhältnis darstelle und es daher vom Gesetz her keine pensionsversicherungsrechtliche
Absicherung gebe. Ihrer Meinung nach sind die Länder gefordert. Daher beabsichtige sie, dieses Thema auf die
Tagesordnung der Länder-Sozialreferentenkonferenz zu setzen.
Mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien wurde ein Vertagungsbeschluss gefasst. |