Wien (imba) - Ein internationales Forscherteam um den österreichischen Molekularbiologen Josef Penninger
identifizierte ein Molekül, das entscheidend an der Entstehung von Knochenmetastasen bei Krebs beteiligt ist.
Die Arbeiten werden in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature veröffentlicht.
In Untersuchungen an Mäuseknochen fanden die Wissenschaftler ein Protein namens RANKL, das mit Rezeptoren
von Krebszellen in Verbindung steht. Tumore der Brust, der Prostata und der Haut werden auf diese Weise zum Einwandern
in den Knochen angeregt. Ein bereits bekannter Wirkstoff, der die Aktivität von RANKL hemmt, könnte bei
Tumorpatienten die Entstehung von Knochenmetastasen bremsen.
Sekundärtumore oder Metastasen – entstanden durch die Streuung von Krebszellen in entfernte Körperregionen
– töten wesentlich mehr Menschen als die sogenannten Primärtumore, die häufig einer Operation zugänglich
sind. Knochengewebe scheint besonders anfällig für die Ansiedlung von Metastasen zu sein. Etwa 70 Prozent
der Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und 84 Prozent der Prostatakarzinom-Patienten entwickeln im Spätstadium
der Erkrankung Knochenmetastasen.
Bereits vor 120 Jahren erkannte der englische Chirurg Stephen Paget, dass bestimmte Krebsarten bevorzugt in bestimmte
Gewebe metastasieren, und formulierte die „seed and soil“ - Hypothese. Schon damals vermutete man, dass gewebespezifische
Moleküle im Spiel sind, die Tumorzellen anlocken und damit zum Beispiel Knochen zu einem besonders fruchtbaren
„Boden“ für ausgesäte Brustkrebszellen machen. Diese Annahme wird durch die neuen Arbeiten bestätigt.
Josef Penninger und seine Mitarbeiter konnten bereits 1999 – damals noch an der Universität von Toronto -
das Gen RANKL als wichtigsten Faktor beim Knochenabbau identifizieren. Im Jahr darauf fanden sie eine weitere Funktion
des Gens: in der Schwangerschaft regt es das Wachstum der Brustdrüse an, indem es Epithelzellen stimuliert.
Da auch Brustkrebs von den Epithelzellen ausgeht, vermuteten die Wissenschaftler einen Zusammenhang und beschlossen,
das System intensiv zu studieren.
Holstead Jones und Tomoki Nakashima, Postdocs in Penningers Labor, untersuchten in einem internationalen Team Knochenmetastasen
bei Mäusen mit Hautkrebs. Sie behandelten einen Teil der Tiere mit Osteoprotegrin (OPG), einer Sustanz, die
als RANKL-Hemmer bekannt ist. Unbehandelte Mäuse entwickelten Sekundärtumore in Röhrenknochen, Wirbeln,
Eierstöcken, Nebennieren und Gehirn; die Wucherungen in der Wirbelsäule führten schließlich
zu Lähmungserscheinungen. Bei OPG-behandelten Mäusen kam es zu einer wesentlich geringeren Metastasierung
in Knochen und Wirbel, Lähmungen wurden nie beobachtet.
Nach weiteren Untersuchungen in Toronto und in Wien, wo Josef Penninger mittlerweile das Institut für Molkulare
Biotechnologie leitet, können die Forscher nun folgendes Bild zeichnen: Zellen epithelialer Tumore, wie Prostata-
oder Brustkrebs, produzieren ein Rezeptormolekül RANK. Diese Zellen wandern bevorzugt zur Quelle des Proteins
RANKL in den Knochen. Das System RANK/RANKL entspricht damit dem legendären „Saat und Boden“ – Konzept.
Die Arbeiten der Forschergruppe werden in der Zeitschrift NATURE vom 30. März im Detail beschrieben. Neben
der Freude darüber, ein altes wissenschaftliches Rätsel zumindest teilweise gelöst zu haben, verbindet
Josef Penninger mit den Ergebnissen auch die Hoffnung auf therapeutischen Nutzen. „Knochenmetastasen sind ein riesiges
Problem. Jährlich sind etwa eine Million Menschen davon betroffen und müssen mit extremen Schmerzen zurechtkommen.
Wir sind immer sehr zurückhaltend, wenn wir Studien an Mäusen auf die Verhältnisse beim Menschen
üertragen. In diesem Fall gibt es aber bereits eine Sustanz in der klinischen Erprobung, die in das System
RANK/RANKL eingreift. Wenn es uns gelänge, die Ausbildung von Knochenmetastasen bei Krebspatienten zu reduzieren,
so könnten wir diesen Menschen zumindest zu einer erheblich verbesserten Lebesqualität verhelfen.“
Die Arbeiten wurden von folgenden Organisationen unterstützt: Österreichische Akademie der Wissenschaften,
Österreichische Nationalbank, Marie Curie Programm der Europäischen Kommission, Canadian Institutes of
Health Research, Canadian Arthritis Network, National Cancer Institute of Canada.
IMBA
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
kombiniert Grundlagen- und angewandte Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin. Interdisziplinär zusammengesetzte
Forschergruppen bearbeiten funktionsgenetische Fragen, besonders in Zusammenhang mit der Krankheitsentstehung.
Ziel ist es, das erworbene Wissen in die Entwicklung innovativer Ansätze zur Prävention, Diagnose und
Therapie von Krankheiten einzubringen.
IMP- IMBA Research Center
Zwischen dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), das 1988 von Boehringer Ingelheim
gegründet wurde, und dem seit 2003 operativen Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (IMBA) wurde eine enge Forschungskooperation vereinbart. Unter dem Namen “IMP-IMBA
Research Center” greifen die beiden Institute auf eine gemeinsame Infrastruktur im wissenschaftlichen und administrativen
Bereich zu. Die beiden Institute beschäftigen insgesamt über 300 Mitarbeiter aus 30 Nationen und sind
Mitglied des Campus Vienna Biocenter.
Josef Penninger
Josef Penninger wurde 1964 in Oberösterreich geboren und studierte Medizin und Kunstgeschichte in
Innsbruck. Nach der Promotion verbrachte er vier Jahre als Postdoc am Ontario Cancer Institute in Toronto und ging
danach als Principal Investigator ans Amgen Research Institute an der University of Toronto. Seit 2002 ist er wissenschaftlicher
Direktor des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
(IMBA).
Josef Penninger ist Professor am Department of Immunology and Medical Biophysics der Universität Toronto,
Honorarprofessor für Genetik an der Universität Wien und Honorarprofessor der Chinesischen Akademie der
Medizinischen Wissenschaften. |