Deutsch-Italienischem Forscherteam gelingt entscheidender Schritt zur Herstellung organischer
Halbleiter aus synthetischen Makromolekülen
München (mpg) - Elektronische Chips sind heute schon Massenware. Und sie sollen noch preiswerter
werden: Die organische Elektronik soll es möglich machen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für
Polymerforschung in Mainz haben jetzt zusammen mit italienischen Forschern eine Methode entwickelt, um organische
Moleküle verarbeiten zu können, die nicht löslich sind und sich auch nicht verdampfen lassen. So
ließen sich aus ihnen beispielsweise elektronische Bauteile herstellen.
Abb. 1: Unter dem Rastertunnelmikroskop offenbaren die Molekülschichten ihre Struktur.
Die Pfeile markieren die unterschiedlichen Orientierungen der Moleküle.
Bild: Max-Planck-Institut für Polymerforschung |
Die Forscher haben große Graphit-Moleküle mit einer speziellen Methode der Massenspektroskopie verdampft
und anschließend sanft landen lassen. Dabei ordneten die Teilchen sich in leitfähigen Schichten an.
(Nature Materials, 12. März 2006)
Computerchips und andere elektronische Bauelemente bestehen heute noch größtenteils aus Silizium
- einem anorganischen Halbleiter. Für neue Anwendungen müssen sie aber noch preiswerter werden: Dann
könnten sie sich hinter jedem Preisschild verstecken, als Sensoren in unserer Kleidung arbeiten oder als elektronische
Wasserzeichen Dokumente sichern. Chips aus organischen Materialien könnten das ermöglichen. Denn auch
viele organische Moleküle taugen als Leiter oder Halbleiter. Dabei gilt: Je größer die Teilchen,
umso leitfähiger. Große organische Moleküle weisen jedoch eine starre und komplexe Struktur auf,
die sie unlöslich macht und die beim Verdampfen zerstört wird. Um aus ihnen Bauelemente produzieren zu
können, müssen Moleküle aber im gelösten oder gasförmigen Zustand vorliegen. Wenn Wissenschaftler
also die elektrischen Eigenschaften von Molekülen verbessern, erschweren sie sich somit automatisch die Handhabung.
Die Forschungsgruppe von Prof. Klaus Müllen und Dr. Hans Joachim Räder vom Max-Planck- Institut für
Polymerforschung hat jetzt eine Methode entwickelt, um extrem große polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
zu verarbeiten. Dazu entwickelten die Mainzer Wissenschaftler zunächst eine modifizierte Methode der Matrix-unterstützten-
Laserdesorptions/Ionisations (MALDI) Massenspektrometrie, mit der die unlöslichen Riesenmoleküle schon
heute zuverlässig nachgewiesen und charakterisiert werden können. Die MALDI-Massenspektrometrie ermöglicht
es, auch große Moleküle unzersetzt als geladene Teilchen in die Gasphase zu überführen. Dabei
werden die Moleküle von einer Matrix anderer Teilchen umhüllt, die mit ihnen verdampfen und die überschüssige
Energie schlucken, die das Molekül sonst zerstören würde. Die dabei gebildeten Ionen werden anschließend
in einem elektrostatischen Feld beschleunigt und in einem Magnetfeld nach ihrem Molekulargewicht aufgetrennt. Das
geschieht im Grunde in jedem Massenspektrometer.
Abb. 2: Die sechseckigen Moleküle stehen nach der sanften Landung mit ihren Kanten auf dem leitfähigen
Untergrund und ordnen sich wie Dominosteine in Reihen an. Dabei stellen sie sich in zwei verschiedenen Richtungen
auf.
Bild: Max-Planck-Institut für Polymerforschung |
Um die Moleküle wohlbehalten auf einer Oberfläche abzuscheiden, bremsen die Polymerforscher die mit
mehrfacher Schallgeschwindigkeit fliegenden Moleküle wieder ab. Sie lassen die Moleküle auf einer Oberfläche
sanft landen, so dass sie nicht wie üblich zerschellen, wenn sie auf einen Detektor prallen. Möglich
wird diese sanfte Landung, weil ein elektrostatisches Bremsfeld die Moleküle verlangsamt. Den Max-Planck-Forschern
gelang es damit jetzt erstmals, ultradünne kristalline Schichten auch von sehr großen Molekülen
auf einem leitfähigen Substrat herzustellen. So erzeugten sie Filme, die jeweils aus aromatischen Molekülen
mit 42 und 96 Kohlenstoffatomen bestanden. Die größeren der beiden Moleküle haben sie so zum ersten
Mal zu Schichten aneinander gelagert. Filme aus den Graphit-Molekülen mit 42 Kohlenstoffatomen ließen
sich zwar auch schon mit den gängigen Methoden produzieren, die mit gasförmigen oder gelösten Teilchen
arbeiteten. Anders als bei diesen landeten die plättchenförmigen Moleküle bei dem neuen Verfahren
aber nicht flach auf dem leitfähigen Untergrund, sondern mit ihren Kanten. Sie ordneten sich also nicht wie
die Teile eines Puzzles an, sondern eher wie Dominosteine in einer Reihe.
Das stellten italienische Wissenschaftler des Consiglio Nazionalle delle Ricerche in Bologna fest, als sie die
Schichten mit einem Rastertunnelmikroskop charakterisierten. Für mögliche Anwendungen als Halbleiter,
ist es sehr günstig, dass sich die Moleküle hintereinander aufreihten. Dann sind die Ladungsträger
nämlich besonders beweglich, weil die Elektronenwolken dabei sehr gut überlappen.
Da ein Massenspektrometer die ionisierten Moleküle nach ihrem Masse/Ladungsverhältnis trennt, liegen
sie außerdem in hochreiner Form vor. Somit gelang es den Forschern, isotopenreine Proben der großen
Graphitmoleküle zu erzeugen. Gerade um elektronische Bauteile herzustellen, ist diese Reinigung von enormer
Bedeutung, da unlösliche und nichtflüchtige Verbindungen mit konventionellen Methoden nicht zu reinigen
sind. Mit dem neuentwickelten Verfahren lassen sich nun auch neue Substanzklassen in der organischen Elektronik
einsetzen. Außerdem könnte es zukünftig helfen, die bisher wenig zugängliche Chemie von Makromolekülen
im festen Zustand besser zu erforschen.
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