Außenministerin präsentiert Zwischenbilanz des Ratsvorsitzes
Wien (pk) - Mehr Klarheit, mehr Vertrauen und mehr Dynamik sind nach den Worten von Außenministerin
Ursula Plassnik die zentralen Aspekte der gegenwärtigen EU-Politik unter österreichischer Präsidentschaft.
In einer Zwischenbilanz meinte sie vor der Konferenz der Vorsitzenden der Außenpolitischen Ausschüsse
im Parlament am Montag (27. 03.), Österreich sei bemüht, die EU wieder stärker an die Bürger
heranzuführen und dabei die Kontakte zu den Menschen auf den verschiedensten Baustellen der Union zu intensivieren.
Es gehe vor allem darum, auf die Anliegen der Bevölkerung zu reagieren und die Themen Beschäftigung,
Wachstum, Jugend und Energie als Prioritäten ins Zentrum der Politik der Union zu rücken, dabei aber
klar zu stellen, was auf EU-Ebene und was auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten getan werden kann.
Die österreichische Präsidentschaft sah Plassnik derzeit von zwei Punkten geprägt, der Diskussion
um die Zukunft Europas nach den Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden sowie der Frage der Erweiterung
der EU. Plassnik trat dafür ein, hinsichtlich des Verfassungsvertrages die Nachdenkpause zu nützen, um
die Gespräche mit den Bürgern zu verstärken. Sie rechnete nicht mit konkreten Lösungen während
der österreichischen Präsidentschaft und betonte, vielmehr gelte es jetzt, sich auf einen gemeinsamen
Arbeitsplan zu einigen und "ganz prosaisch" die nächsten Schritte zu planen.
Rückblickend auf die ersten drei Monate des österreichischen Ratsvorsitzes hob Plassnik zunächst
die Krise um die Gaslieferungen Russlands an die Ukraine als erste Herausforderung hervor, auf die die EU erfolgreich
reagiert hatte. Im Atomstreit mit dem Iran wiederum sah sie es als Hauptaufgabe der Union an, Teheran gegenüber
auf die Notwendigkeit von vertrauensbildenden Maßnahmen zu pochen und darüber hinaus die Autorität
der IAEO zu stärken. Die volle Einstellung der Anreicherung von Uran wäre eine solche vertrauensbildende
Maßnahme, fügte sie an.
Was die Krise anlässlich der Mohammed-Karikaturen betrifft, betonte sie, es gehe darum, Missverständnisse
auszuräumen. Österreich habe den Stellenwert von Meinungsfreiheit in Verantwortung als Schlüsselelement
des Wertesystems der EU betont. Die Präsidentschaft habe ihre diplomatischen Bemühungen eingesetzt und
die Notwendigkeit des Dialogs herausgestrichen. Dialog dürfe sich aber nicht nur auf die internationale Ebene
beschränken, er müsse auch innerhalb unserer eigenen Gesellschaften geführt werden, betonte Plassnik,
die überdies den Umgang Österreichs mit seiner islamischen Bevölkerung als vorbildhaft bezeichnete.
Als weitere Herausforderung des EU-Vorsitzes nannte Plassnik schließlich die Lage im Nahen Osten nach dem
Wahlsieg der Hamas. Die EU habe eine klare Position formuliert und der Hamas eine konsequente Botschaft übermittelt.
Ziel der Union ist es, so Plassnik, zu einer friedlichen Entwicklung auf Basis einer ausverhandelten Lösung
beizutragen, deren Grundpfeiler die Anerkennung des Existenzrechtes Israels, die Absage an Gewalt sowie die Einhaltung
der internationalen Abkommen sind. Die Union wolle die Hamas ermutigen, die notwendigen Schritte in die richtige
Richtung zu setzen. Eine Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung hielt Plassnik auch weiterhin
für wichtig, sie gab aber zu bedenken, die EU werde nicht Terrorismus und Gewalt finanzieren.
Zum Thema Westbalkan stellte die Außenministerin fest, im laufenden Jahr stünden wichtige Entscheidungen
über Statusfragen an. Es gehe darum, ein möglichst stabiles Ambiente zu schaffen und den Partnern eine
europäische Perspektive mit einer Mitgliedschaft als letztem Ziel anzubieten. Dieser Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozess sei ein adäquates Instrument, die Länder dieser Region an europäische Standards
heranzuführen.
In einer anschließenden Diskussionsrunde kam Serge Vincon (Frankreich) auf die institutionelle Zukunft Europas
und den Erweiterungsprozess zu sprechen und stellte dabei auch die Möglichkeit einer privilegierten Partnerschaft
in den Raum. Jos Van Gennip (Niederlande) wiederum erkundigte sich nach dem Stand der Beitrittsverhandlungen mit
Kroatien. Solomon Passy (Bulgarien) appellierte an die EU-Staaten, den Beitrittsvertrag mit Bulgarien und Rumänien
rasch zu unterzeichnen und nicht mit dem diesbezüglichen Fortschrittsbericht der Kommission zu verknüpfen.
Francois Roelants Du Vivier (Belgien) brachte das Verhältnis der Türkei zu Zypern zur Sprache und meinte,
die Türkei müsste ihre Verpflichtungen gegenüber dem EU-Mitglied Zypern einhalten. Liisa Jaakonsaari
(Finnland) rief hinsichtlich des Verfassungsvertrages zu einem politischen Ruck auf, um die "Siesta"
abzukürzen. Urban Ahlin (Schweden) schlug ebenso wie Pawel Zalewski (Polen) kreative Maßnahmen gegenüber
Weißrussland vor. Es gehe darum, die Menschen zu gewinnen und vor allem die positiven Aspekte der EU herauszustreichen.
Ahlin konnte sich vor allem Austauschprogramme für weißrussische Studenten vorstellen. Enn Eesmaa (Estland)
meinte wiederum, die EU sollte die Opposition ermutigen, konstruktive, konzertierte Politik zu betreiben.
Außenministerin Ursula Plassnik stellte zum Verfassungsvertrag klar, dass es keine Patentlösung gibt
und vor allem nicht darum geht, kreativ zu sein und einen neuen Text zu offerieren. Vielmehr sei die Union aufgerufen,
in der gegenwärtigen Nachdenkphase Punkt für Punkt Lösungen zu finden und auf die Befürchtungen
der Bürger einzugehen. Ein Beitrag dazu sei bereits mit der Aufnahme der Themen Energie und Beschäftigung
gemacht worden. Ziel Plassniks ist ein schrittweises Vorgehen, das einem Europa der Projekte den Vorrang gibt.
Zu Weißrussland bemerkte die Außenministerin, die Wahlen hätten grundsätzliche Mängel
aufgewiesen, die EU habe strukturelle Bedenken. Der Rat habe an die Behörden in Minsk appelliert, nicht in
das Recht der Versammlungsfreiheit einzugreifen, nun würden konkrete Aspekte, etwa restriktive Maßnahmen
gegen den Präsidenten geprüft.
Was die Erweiterung betrifft, zeigte sich Plassnik skeptisch hinsichtlich der Bereitschaft der Union, ein Modell
einer privilegierten Partnerschaft zu entwickeln. Klar war für die Außenministerin aber, dass die Aufnahmefähigkeit
der EU keine blockierende Auflage für die Türkei sein dürfe, sondern als Ausdruck einer wichtigen
Vorbedingung zu verstehen sei. Sollte sich der Vollbeitritt nicht verwirklichen lassen, dann müsste eine differenzierte,
nuancierte Form für die Türkei gefunden werden, meinte sie. Mit Kroatien befinden sich die Beitrittsverhandlungen,
wie Plassnik mitteilte, derzeit in einer technischen Phase, der Vorgang laufe regulär ab. Vor einem Beitritt
Kroatiens müssten aber auf institutioneller Ebene entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, gab die Ministerin
zu bedenken. |