Koalition vertagt Entschließungsanträge der Grünen
Wien (pk) - Der Konflikt um die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten
beschäftigte auch den Verfassungsausschuss des Nationalrats. Anlass dafür waren zwei an die Adresse der
Bundesregierung gerichtete Entschließungsanträge der Grünen (732/A[E] und 791/A[E]). Zum einen
regen Abgeordnete Terezija Stoisits und ihre FraktionskollegInnen darin an, eine Anklage des Kärntner Landeshauptmanns
Jörg Haider beim Verfassungsgerichtshof wegen Gesetzesverletzung zu prüfen, zum anderen fordern sie die
Regierung auf, die neuerliche Aufstellung einsprachiger Ortstafeln in Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf beim Verfassungsgerichtshof
anzufechten.
Beide Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien mehrheitlich vertagt. Die Abgeordneten von ÖVP
und F argumentierten, der Verfassungsgerichtshof habe zur Umsetzung des Erkenntnisses eine Frist bis zum 30. Juni
2006 gesetzt, weshalb derzeit keine ausreichende Begründung für die beiden Anträge vorliege. So
wies Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) darauf hin, dass es eine Vielzahl informeller Gespräche gebe
und man um eine gemeinsame Vorgangsweise der Betroffenen bemüht sei, eine konsensuale Lösung herbeizuführen.
Uneinigkeit zwischen Opposition und Regierungsfraktionen gab es vor allem in der Frage der Zuständigkeiten.
Während die Abgeordneten des Freiheitlichen Parlamentsklubs in der aktuellen Causa eine Frage des Straßenverkehrs
und damit eine Landeszuständigkeit in der mittelbaren Bundesverwaltung sahen, vertraten Grüne und SPÖ
die Auffassung, dass es hier um Minderheitenfragen und damit um eine Bundeskompetenz gehe.
Abgeordneter Josef Bucher (F) hielt fest, dass laut Kärntner Verfassung Landesrat Dörfler für den
Verkehr zuständig sei und Landeshauptmann Haider formalrechtlich nichts damit zu tun habe. Dieser habe daher
auch keine Verordnung erlassen oder Weisungen erteilt, er habe lediglich das VfGH-Erkenntnis im Landesgesetzblatt
veröffentlicht. Die mit gravierenden Mängeln behaftete Verordnung aus dem Jahr 1998 gebe es nicht mehr,
denn Landesrat Dörfler habe in der Zwischenzeit eine neue Verordnung erlassen. Bucher sah daher für die
vorliegenden Anträge keine rechtliche Grundlage, da seiner Rechtsauffassung nach Landeszuständigkeit
vorliegt.
Auch F-Klubobmann Herbert Scheibner schloss sich dieser Meinung an und erinnerte daran, dass der Anlass für
das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis eine Verkehrsübertretung gewesen war. Das Erkenntnis sei auch seitens
der Wissenschaft kritisiert worden, fügte er mit einer Randbemerkung hinzu. Er zeigte auch kein Verständnis
dafür, die Ortstafelfrage aufgrund von Geschwindigkeitsübertretungen zu lösen, und warf dem Kläger
vor, die Ortstafelfrage wieder emotionalisiert zu haben. Er, Scheibner, trete für einen emotionsfreien Zugang
ein und wolle an die Fortschritte in der Minderheitenpolitik der letzten Jahre erinnern. Die Konsenskonferenz sei
auch nicht am Landeshauptmann gescheitert, sondern an anderen Gruppierungen. Scheibner kritisierte die beiden Anträge
der Grünen als "Politaktionen", bei denen er nicht mitspielen wolle. Er hoffe noch immer auf eine
einvernehmliche Lösung bei den noch ausstehenden Verhandlungen und Gesprächen.
Dem konnten sich weder Abgeordneter Walter Posch (S) noch Terezija Stoisits anschließen. Es sei bekannt,
wer "zündelt", sagte Posch und warf Kärntner Politikern eine nationalistische Politik vor.
Seine Vorredner machten es sich allzu einfach, meinte er. Es gehe nicht um Topographie oder Schnellfahren, sondern
um kulturelle Rechte; es gehe um die Grundsatzfrage, wie sich Minderheiten, die endlich ihr Recht bekommen wollen,
wehren können. Die Kärntner Landesregierung habe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes kundgemacht
und damit anerkannt. Deshalb sei aus seiner Sicht eine Ministeranklage möglich. Auch Abgeordnete Stoisits
(G) unterstrich, dass es hier in keiner Weise um Straßenverkehrskompetenzen und damit um mittelbare Bundesverwaltung
gehe, sondern um die Minderheitenfrage, die allein in der Kompetenz des Bundes liege. Zweisprachige Ortstafeln
seien keine Angelegenheit des Verkehrs, sondern eine Angelegenheit des Minderheitenwesens, weshalb eine Anklage
gegen den Landeshauptmann zulässig sei, und ihr Antrag ziele darauf ab, eine Anklage zu prüfen.
Die Stellungnahmen der Abgeordneten von ÖVP und F veranlassten Abgeordnete Terezija Stoisits zur Frage, was
denn nun gelte: gehe es darum, die Frist bis Ende Juni abzuwarten, dann vertrete man doch offensichtlich die Meinung,
dass Landeshauptmann Haider Unrecht habe und dann müsse man dem Antrag der Grünen zustimmen; oder man
vertrete die Auffassung, dass mit der Versetzung der Ortstafeln dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis Rechnung
getragen worden sei.
Jedenfalls hätten die Grünen die Anregung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes aufgegriffen,
denn man wolle nicht untätig zusehen, wie der Verfassungsgerichtshof und der Rechtsstaat mit Füßen
getreten werden. Das demokratische System baue auf dem Vertrauensgrundsatz auf, und das sei die Verfassung. Rüttle
man an deren Grundfesten, so untergrabe man die Demokratie, konstatierte Abgeordnete Stoisits.
Staatssekretär Franz Morak warnte in einer kurzen Stellungnahme vor der Zuspitzung der Situation und sprach
sich für eine politische Lösung aus.
Sektionschef Georg Lienbacher nahm aus der Sicht des Verfassungsdienstes zu den beiden Anträgen Stellung und
vertrat in Hinblick auf den darin zitierten Artikel 142 Abs. 2 lit. e B-VG die Rechtsauffassung, dass dieser auf
diese Frage nicht angewendet werden könne, weil es sich bei der Erlassung von Verordnungen zur Aufstellung
von Ortstafeln um eine selbständige Vollzugskompetenz der Länder handle. Damit liege keine mittelbare
Bundesverwaltung vor, weshalb seitens der Bundesregierung keine Anklage gegen den Landeshauptmann erhoben werden
könne. Hinsichtlich der nun erlassenen Verordnung bestehe die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle
durch Antragstellung der Bundesregierung oder der Volksanwaltschaft beim Verfassungsgerichtshof. |