Superintendent Lein für eine neue Gedächtniskultur
Wien (epd Ö) - „Heute ist es wichtig, den Karfreitag neu zu deuten. Er gibt uns die Chance,
über das Thema Opfer nachzudenken. In der gleichen Weise, wie wir den Kreuzestod des Juden Jesus von Nazareth
in den Mittelpunkt stellen, ist es am Karfreitag auch wesentlich, an alle Opfer in der Welt zu denken.“ Das sagt
der Wiener Superintendent Mag. Hansjörg Lein in einer Stellungnahme zum bevorstehenden Karfreitag, die am
11. April veröffentlicht wurde. Lein: „Am Kreuz solidarisiert sich Gott mit den Opfern.“
Karfreitag nicht überspringen
Auch in Österreich habe die Frage nach Opfern und Tätern im Kontext der Diskussion über
die österreichische Unabhängigkeitserklärung Relevanz. „Der Skandal“, so Lein, „muss benannt werden,
wenn sich Täter als Opfer der Geschichte darstellen. Der Karfreitag fordert ein, Schuld zu bekennen und sich
der eigenen Verantwortung bewusst zu werden.“
Der Superintendent betont: „Wir haben es heute nötiger denn je, den Karfreitag zu würdigen. Unsere Kultur
neigt dazu, den Karfreitag zu überspringen und die Osterhasen zu feiern.“ Dass die offizielle Gedenksitzung
von Nationalrat und Bundesrat zur Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes am 5. Mai heuer aus „Gründen der
öffentlichen Wahrnehmbarkeit“ gestrichen worden sei, bezeichnet Lein als „unverständlich“. Gerade der
Karfreitag mache es erforderlich, Gedächtnisarbeit zu leisten.
Seit 1955 gesetzlicher Feiertag
In der Aussendung des Superintendenten wird auch darauf verwiesen, dass der Gottesdienstbesuch am Karfreitag in
der Evangelischen Kirche in Österreich noch immer wichtiger Bestandteil evangelischer Identität sei.
1955 habe der Sozialistische Parlamentsklub beantragt, für die Evangelische Kirche, die Methodistische Kirche
und die Altkatholische Kirche den Karfreitag als gesetzlichen Feiertag anzuerkennen, was auch beschlossen worden
sei. Federführend seien der evangelische Politiker und spätere Vizekanzler Dr. Bruno Pittermann und der
evangelische Nationalratsabgeordnete Bürgermeister Karl Spielbüchler aus Gosau gewesen. |