Paris (esa) - Nach einer 153-tägigen, 400 Millionen km langen Reise durch das
innere Sonnensystem, die mit dem Start am 9. November 2005 begonnen hatte, hat die ESA-Sonde Venus Express am 11. 04.
morgen um 09.17 Uhr MESZ ihr Haupttriebwerk für die Dauer von 50 Minuten gezündet und ist dadurch auf
eine Umlaufbahn um die Venus gelangt. Mit der Zündung verringerte die Sonde ihre Geschwindigkeit von 29 000
auf 25 000 km/h und wurde vom Schwerefeld der Sonde erfasst. Dieses Manöver zur Einbringung in die Umlaufbahn
war ein voller Erfolg.
In den kommenden vier Wochen wird Venus Express eine Reihe weiterer Manöver absolvieren, die sie auf ihre
Einsatzbahn für ihre wissenschaftliche Mission befördern werden. Gegenwärtig befindet sie sich auf
einer stark elliptischen Bahn mit 9-tägigem Umlauf; ihre Zielbahn ist eine polare Umlaufbahn mit 24-stündigem
Umlauf und einem Apozentrum von 66 000 km. Von dieser Bahn aus wird die Sonde mindestens zwei Venustage (486 Erdtage)
lang eingehende Beobachtungen der Struktur, Chemie und Dynamik der Venusatmosphäre durchführen.
Rätselhafte Atmosphäre
Von früheren Missionen zur Venus sowie aus direkten Beobachtungen von der Erde wissen wir bereits,
dass unser Nachbarplanet in eine dichte Atmosphäre gehüllt ist, in der Temperatur- und Druckextreme vorherrschen.
Diese Atmosphäre erzeugt bei ihren nach wie vor mysteriösen „Super-Rotationen“ um den Planeten im Viertagesrhythmus
einen Treibhauseffekt von gewaltigem Ausmaß.
Die Mission von Venus Express sieht die eingehende Charakterisierung dieser Atmosphäre mit hochmodernen Sensoren
vor, um zur Beantwortung der Fragen und Lösung der Rätsel beizutragen, die in den ersten Forschungsvorhaben
nicht geklärt werden konnten bzw. von ihnen aufgeworfen wurden. Die Sonde wird außerdem dank der im
Infrarot-Spektrum entdeckten „Sichtbarkeitsfenster“ als erster Venus-Orbiter optische Beobachtungen der Oberfläche
durchführen.
Die Inbetriebnahme der wissenschaftlichen Bordinstrumente wird in Kürze beginnen; mit den ersten Rohdaten
ist bereits in wenigen Tagen zu rechnen. Die wissenschaftliche Gesamtnutzlast soll binnen zwei Monaten voll einsatzbereit
sein.
Europa erforscht das Sonnensystem
Mit diesem jüngsten Erfolg fügt die ESA ihrer Erforschung des Sonnensystems einen weiteren Himmelskörper
hinzu. Sie hat bereits die Sonden Mars Express um den Roten Planeten, SMART-1 um den Mond und - in Partnerschaft
mit der NASA - Cassini um den Saturn im Einsatz. Hinzu kommen ihr Kometenjäger Rosetta, der im Jahr 2014 sein
Ziel, den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, erreichen soll und dann als erste Sonde überhaupt den Kern
eines Kometen umrunden wird, und die Mission BepiColombo zum Merkur, mit deren Start im Jahr 2013 die Untersuchung
unserer Nachbarplaneten vervollständigt werden soll.
„Nach der Ankunft von Venus Express führt die ESA nun als einzige Raumfahrtagentur wissenschaftliche Missionen
um vier Planeten - Venus, Mond, Mars und Saturn - durch“, betont Professor David Southwood, der Direktor des ESA-Wissenschaftsprogramms.
„Wir sind wirklich stolz, der internationalen Wissenschaft eine solche Kapazität zur Verfügung stellen
zu können.“
„Um unseren eigenen Planeten besser zu verstehen, müssen wir andere Welten erforschen, vor allem diejenigen
mit einer Atmosphäre“, erklärt ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain. „Wir waren auf dem Titan, und
wir umrunden den Mars. Mit der Beobachtung der Venus und ihres komplexen Atmosphärensystems werden wir ein
besseres Verständnis der Mechanismen erlangen, die die Entwicklung einer großen Planetenatmosphäre
und die Klimaänderungen steuern. Letztendlich wird dies uns zu besseren Modellen der Vorgänge in unserer
eigenen Atmosphäre verhelfen, was allen Bürgern der Erde zugute kommen wird.“
Hochmoderne wissenschaftliche Instrumente
Venus Express wurde im Auftrag der ESA von einem europäischen Industriekonsortium unter der Leitung von EADS
Astrium gebaut, dem 25 Hauptauftragnehmer aus 14 europäischen Ländern angehörten. Ihr Entwurf leitet
sich aus dem ihres höchst erfolgreichen Vorgängers Mars Express ab, und ihre Nutzlast umfasst sieben
Instrumente, davon drei Mars-Express- und zwei Rosetta-Weiterentwicklungen.
Das Spektrometer PFS wird in sehr hoher Auflösung die Temperatur und Zusammensetzung der Atmosphäre bestimmen
und auch die Temperatur der Oberfläche messen und nach einer eventuellen vulkanischen Aktivität forschen.
Auch das Ultraviolett- und Infrarot-Spektrometer SpicaV/SOIR und das Experiment VeRa werden die Atmosphäre
sondieren, indem sie Verdeckungen von Sternen oder Funksignalen beobachten; SpicaV/SOIR wird insbesondere versuchen,
Wasser- und Sauerstoff-Moleküle sowie Moleküle von Schwefelverbindungen ausfindig zu machen, die in der
Atmosphäre der Venus vermutet werden. Das Spektrometer VIRTIS wird eine Karte der verschiedenen Atmosphärenschichten
erstellen und die Wolken in mehreren Wellenlängen beobachten und abbilden, um die atmosphärische Dynamik
aufzuzeigen.
Am äußeren Rand der Atmosphäre wird das Instrument ASPERA in Verbindung mit einem Magnetometer
die Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und dem Sonnenwind und das dabei erzeugte Plasma in einem offenen
Umfeld ohne den Schutz einer Magnetosphäre wie die der Erde untersuchen.
Die Mehrkanal-Weitwinkelkamera VMC schließlich wird Aufnahmen in vier Wellenlängen machen, insbesondere
in einem der Infrarot-Fenster“, dank derer man durch die Wolkenschicht auf die Oberfläche blicken kann. Sie
wird umfassende Bilder liefern und bei der Bestimmung von mittels der anderen Instrumente entdeckten Phänomenen
helfen. |