Ende des billigen Geldes in USA, Europa und Japan. Asynchrone Konjunkturentwicklung. Erholung
des USD ist vorbei. Zeitweise Druck auf Aktienmärkte durch US-Konjunktur.
Wien (rzb) - Stand die weltweite Konjunkturentwicklung im vergangenen Jahr noch stark unter dem Einfluss
externer Schocks, bestimmt nunmehr der globale Zinszyklus die Richtung der internationalen Kapitalmärkte.
Folgende Faktoren stehen dabei im Blickpunkt der aktuellen Entwicklung: Die übliche Verzögerung der Preisentwicklung
hinter der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung, die mehrjährig zeitversetzte Geldpolitik der drei wichtigsten
Notenbanken Federal Reserve (Fed), Europäische Zentralbank (EZB) und Bank of Japan (BoJ) sowie die abnehmende
Überschussliquidität auf den Kapitalmärkten weltweit.
Fed dämpft Auswirkungen der Finanzmarktentwicklungen auf Konsumentenpreise
„Die zentrale Aufgabe einer Notenbank ist die Gewährleistung der Preisstabilität“, erklärt
Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB). Die Inflation folgt normalerweise
dem Wirtschaftszyklus mit Verzögerung. Seit Juni 2004 hat die Fed daher auf die extremen realen Wachstumsraten
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von teilweise mehr als 4,0 Prozent mit insgesamt 15 Zinsanhebungen (von 1,0 auf
4,75 Prozent) reagiert. „Denn Inflation hat es in
den USA seit Ende 2002 von Immobilien bis Rohstoffen überall gegeben, außer bei den Güterpreisen“,
so Brezinschek weiter. „Folglich ist das prinzipielle Anliegen der Fed ein Einbremsen der Preisüberwälzungen
auf die Konsumentenpreise.“
EZB zieht nach
Im Zuge dieses Phänomens hat sich auch die EZB entschlossen, die mehrjährige expansive Geldpolitik an
die geänderten Wachstumsaussichten anzupassen. Mit zwei Zinsanhebungen auf 2,5 Prozent reagierte sie auf die
seit den deutschen Wahlen markant verbesserten Stimmungsindikatoren, wobei der IFO-Index seit 1991 nicht mehr so
viel Optimismus ausstrahlte. Da jedoch die Teuerungsrate in der letzten Stagnationsphase ein um gut 1,5 Prozentpunkte
höheres Ausgangsniveau aufweist als Ende der Neunziger Jahre, muss die EZB die kräftig anziehenden Kreditwachstumsraten
mit weiter steigenden Zinsen kontern. „Immerhin“, so Brezinschek, „ist die Liquiditätsausstattung der Wirtschaft
mit einem Geldmengenwachstum von 8,0 Prozent pro Jahr nach wie vor üppig.“ Angesichts der Belebung der Ausleihungen
von Unternehmen (plus 9,5 Prozent pro Jahr) sowie der Konsumentenkredite (plus 8,2 Prozent pro Jahr) scheint das
"billige Geld" zunehmend den Weg in die Realwirtschaft zu finden. Auf Grund der von der verstärkten
Finanzaufnahme ausgehenden Überhitzungsgefahr sehen die Experten der RZB den begonnen Zinsaufwärtstrend
daher bis zumindest Mitte 2007 vorprogrammiert.
Ende des „kostenlosen“ Geldes in Japan
In Japan ist die Deflation erst zur Jahreswende zu Ende gegangen, weshalb die BoJ verspricht, den Leitzins
vorerst weiterhin noch bei Null zu belassen. Die üppige Versorgung des japanischen Bankensektors mit Liquidität
wird aber über die nächsten Monate schrittweise abgebaut. Auf Grund des robusten Wirtschaftswachstums
– die RZB erwartet heuer ein reales BIP-Wachstum von rund drei Prozent begleitet von einer Inflationsrate von nachhaltig
über Null – steht einer Liquiditätsreduktion in den kommenden Monaten und einer ersten Zinsanhebung von
25 Basispunkten spätestens im vierten Quartal (gefolgt von weiteren Anhebungen 2007) damit nichts mehr im
Weg. Damit hat nach der US-Notenbank und der EZB nun auch die letzte große Notenbank ein Ende ihrer Tiefzinspolitik
eingeleitet, die den Investoren weltweit in den letzten Jahren via Verschuldung in JPY billiges Geld zur Verfügung
stellte.
Konjunktur in der Eurozone von Deutschland beflügelt
Nach Jahren äußerst schwacher wirtschaftlicher Entwicklung in der Eurozone scheint sich nunmehr der
lange erwartete Konjunkturaufschwung einzustellen. Ausgerechnet Deutschland, die größte europäische
Volkswirtschaft und lange Zeit Wachstumsbremse, könnte sich nach Ansicht Brezinscheks 2006 als Konjunkturmotor
etablieren. Neben den Exporten sind nunmehr die Investitionen als Wachstumstreiber angesprungen. Daher hat die
RZB die BIP-Schätzung für die Eurozone auf 2,3 % angehoben.
Allerdings dürfte angesichts der Konjunkturbelebung der Preissetzungsspielraum von Unternehmen etwas zunehmen
und anhaltend hohe Energiekosten weiterverrechnet werden. Zudem könnte die Mehrwertsteuererhöhung in
Deutschland zu Beginn 2007 ihre ersten Schatten bereits in dieses Jahr voraus werfen. Er geht daher für 2006
von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2,1 Prozent aus und auch nächstes Jahr dürfte die Teuerung
knapp über der EZB-Obergrenze von 2,0 Prozent liegen.
Konjunkturverlangsamung nach starkem Q1 in den USA
Alle relevanten Vorlaufindikatoren in den USA befinden sich auf sehr hohen Niveaus, und der Arbeitsmarkt präsentiert
sich weiterhin sehr fest. Die RZB erwartet dementsprechend ein reales BIP-Wachstum von annualisiert mindestens
4,0 Prozent im ersten Quartal, das sich in den folgenden Quartalen allerdings sukzessive verlangsamen dürfte.
Denn in dem Maße, wie der Immobilienmarktboom in den vergangenen Jahren den privaten Konsum angeheizt hat,
sollte ein Ende dieses Preisbooms zu einem Anstieg der derzeit bei praktisch Null liegenden Sparquote führen
und den Konsum künftig belasten. Dieses Szenario droht ab dem zweiten Halbjahr 2006 und 2007 auch für
die USA. Damit dürfte das Wachstum 2007 mit 2,6 Prozent deutlich unter den langjährigen Schnitt von über
drei Prozent fallen. Im zweiten Halbjahr 2006 könnte deshalb in den USA infolge abflauender Konjunktur das
erste Mal wieder über Zinssenkungen spekuliert werden, die dann 2007 auch tatsächlich folgen sollten.
Genug Liquidität für tiefe Anleihenrenditen
Ausgehend vom seinem Leitzinsszenario für 2006 rechnet Brezinschek damit, dass der Rentenmarkt ungeachtet
der sich abzeichnenden Konjunkturbelebung nach den starken Kursverlusten seit Jahresbeginn nicht unmittelbar weiter
unter Druck geraten wird. Etwas geringere Teuerungsdaten in den kommenden Monaten und die vorsorgende Inflationsbekämpfung
der EZB sollten die Kurse langjähriger Anleihen vorübergehend stützen. Nach einer Verflachung der
Renditekurve ist eine stabile Renditedifferenz zwischen zwei- und zehnjährigen Laufzeiten um die 40 Basispunkte
realistisch. „Zehnjährige“ sollten die 4-Prozent-Marke deshalb heuer zwar antesten, aber erst 2007 nachhaltig
überschreiten.
Gemäß den unterschiedlichen Zinszyklen dies- und jenseits des Atlantiks zeichnet sich auf Jahressicht
eine Einengung der EUR-USD Renditespreads quer über alle Laufzeiten ab.
Nach dem starken Renditeanstieg am US-Anleihenmarkt im ersten Quartal scheint der Markt jetzt wieder reif für
eine Erholung der Anleihenkurse. Immerhin preist der Zinsmarkt inzwischen bereits ein US-Leitzinsniveau von über
fünf Prozent bis zum Sommer ein – ein Überschreiten dieser Erwartung ist kaum wahrscheinlich. Hinzu kommt,
dass die vom Immobilienmarkt ausgehende Konjunkturabkühlung die Anleiherenditen über die niedrigeren
Zinserwartungen für 2007 deutlich unter das aktuelle Niveau drücken wird.
US-Konjunkturabflachung und Zinserhöhungszyklus schwächen Aktienmärkte vorübergehend
Die global bedeutendsten Aktienindizes haben in den letzten Wochen ihre höchsten Stände seit mehreren
Jahren erreicht. „Kein Wunder, denn das aktuelle Umfeld für die Aktienmärkte kann in der Tat als beinahe
ideal eingestuft werden“, erklärt Helge Rechberger, Leiter der RZB-Aktienmarktanalyse. „Das annualisierte
US-Wirtschaftswachstum dürfte im ersten Quartal 2006 wieder einmal über der 4-Prozent-Marke liegen. In
Europa und Japan geht es konjunkturell spürbar aufwärts, und die meisten Wirtschafts-Vorlaufindikatoren
präsentieren sich weiterhin sehr stark“. Die Inflation dürfte unter der Annahme keiner weiteren drastischen
Verteuerung der Energie im Jahresverlauf zurückgehen und die Unternehmensgewinne wachsen vielfach klar zweistellig.
„Einziger Wermutstropfen bleiben somit die parallel zu den guten Konjunkturdaten steigenden Leitzinsen“, so Rechberger
weiter. Wenn nämlich zur Jahresmitte einige Wirtschafts-Vorlaufindikatoren nach unten zu drehen beginnen,
dann wird dies vielen Aktieninvestoren bei gleichzeitigem Höchststand der US-Leitzinsen im aktuellen Zinszyklus
nicht schmecken.
Der breite amerikanische Aktienmarkt konnte mit den europäischen und japanischen Aktienindizes in einem Umfeld
steigender US-Leitzinsen bereits in den letzten beiden Jahren nicht mehr mithalten. Auch wenn diese unterschiedliche
Entwicklung nicht allein auf den Zinstrend zurückzuführen ist – die Gewinndynamik und relative Bewertungsniveaus
waren ebenso bestimmende Faktoren – so dürfen die grundlegenden Auswirkungen von steigenden Zinsen nicht vernachlässigt
werden. In einem ersten Schritt führen höhere Zinsen unter gleich bleibenden Annahmen über einen
höheren Diskontierungssatz zu niedrigeren Barwerten und damit niedrigeren „fair values“ für Aktien. Zusätzlich
kommt das Thema Liquidität ins Spiel. Die internationalen Aktienmärkte haben in den vergangenen Jahren
erheblich von der Versorgung mit „billigem“ Geld profitiert. Durch jede schrittweise Zinsanhebung wird Geld aus
dem System genommen. Diese Verteuerung betrifft jedoch auch die einzelnen Unternehmen, indem sich die Finanzierungskosten
erhöhen. Dafür, dass sich die direkten Auswirkungen in Grenzen halten, spricht zum einen das absolut
gesehen nach wie vor niedrige Zinsniveau sowie andererseits die deutlich verbesserte Bilanzsituation der Unternehmen
in den zurückliegenden Jahren. Die Unternehmen haben die Verschuldung sehr stark zurückgefahren und sind
somit von steigenden Zinsen weniger stark betroffen als vielleicht noch vor einigen Jahren. Es ist dennoch zu erwarten,
dass etwa die unterschiedlichen Stadien im Zinszyklus (vor allem USA/Eurozone) in der relativen Entwicklung im
zweiten Quartal Spuren hinterlassen werden.
In diesem Umfeld erwartet Rechberger – beginnend im Verlauf des zweiten Quartals – Rückgänge der breiten
US-Indizes im Ausmaß von gut fünf Prozent, die an der Nasdaq, im japanischen Nikkei, aber auch bei einigen
europäischen Indizes bis zu 10 Prozent ausmachen können. Dem trägt auch die Sektorausrichtung im
aktuellen Marktszenario Rechnung: Bevorzugt werden Sektoren mit einer defensiven Ausrichtung sowie „stabilem“ Wachstum
(defensiver Konsum, Gesundheit) während die zyklischen Bereiche (Industrie, zyklischer Konsum, IT) untergewichtet
werden.
Asset Allocation
Die RZB startet mit folgender Gewichtung ins bevorstehende zweite Quartal: Gewichtung von 53 Prozent bei
Aktien (Benchmark: 50 Prozent), einer Untergewichtung bei Anleihen mit 40 Prozent (Benchmark: 45 Prozent) und einer
Übergewichtung Alternative Investments mit sieben Prozent (Benchmark: 5 Prozent).
Im Verlauf der nächsten Monate bedingt die von der RZB erwartete Entwicklung an den Kapitalmärkten eine
Rücknahme der Aktiengewichtung auf ein zumindest Benchmark-neutrales Niveau. Die frei werdenden Mittel erhöhen
die Anleihenposition. Im Aktiensegment bahnt sich eine Untergewichtung Japans und der Eurozone aufgrund der zunehmenden
Zinsängste an, während die geringe Volatilität der US-Börsen und die anhaltend guten Aussichten
für die Emerging Markets inklusive Osteuropa für eine Höhergewichtung sprechen. Im Anleihensegment
sind dagegen die Eurozone, Osteuropa und (noch) der High-Yield-Markt übergewichtet. Bei USD-Bonds und Eurobonds
der Staaten Zentral- und Osteuropas ist mehr Vorsicht geraten. |