Kommission befasst sich mit den besonderen Merkmalen der Sozialdienstleistungen
Brüssel (eu-int) - Im Zuge der Modernisierung der Sozialdienstleistungen in vielen EU-Mitgliedstaaten,
oft in Partnerschaft mit dem privaten Sektor und gemeinnützigen Organisationen, brauchen alle Beteiligten
Klarheit hinsichtlich der Frage, welche Rolle das EU-Recht in dieser Situation spielt. Eine am 26. 04. verabschiedete
Mitteilung der Europäischen Kommission befasst sich mit dieser Frage und dem raschen Wandel auf dem Gebiet
der „Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse“. Die Mitteilung legt erstmals eine Aufstellung der besonderen
Merkmale dieser Dienstleistungen vor und bietet eine Übersicht über die Unterstützung durch die
verschiedenen Gemeinschaftsinstrumente. Auch wird ein Prozess umfassender Konsultation eingeleitet, der allen Akteuren
des Sektors, den Mitgliedstaaten, Sozialpartnern, NRO und Betreibern von Sozialdienstleistungen offen steht und
durch den die Kommission die Besonderheiten dieser Dienstleistungen bei der Umsetzung des EU-Rechts besser berücksichtigen
kann. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, in einigen Fällen umfasst der Begriff
auch die Bereiche Sozialwohnungen, Kinderbetreuung oder Dienstleistungen für bedürftige Familien und
Personen.. Gesundheitsdienstleistungen werden jedoch nicht behandelt, da sie Gegenstand einer getrennten Initiative
der Kommission sein werden.
In der EU entstehen immer neue und vielfältigere Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, so dass
ein zunehmender Teil dieses Sektors mittlerweile unter das Binnenmarkt- und Wettbewerbsrecht der EU fällt.
Bisher wurden diese Dienstleistungen direkt von Behörden verwaltet. Die Klärung der Rechtslage in der
heute vorgestellten Mitteilung bezieht sich nicht nur auf staatliche Beihilfen für Dienstleistungsanbieter
im Bereich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, sondern auch auf die Anwendung von Binnenmarktregeln
(insbesondere der Grundsätze Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit) und von Vorschriften für
öffentliche Aufträge. Somit liegt diese Mitteilung auf der Linie des jüngst verabschiedeten geänderten
Vorschlags für die Dienstleistungsrichtlinie. Und sie enthält eine wichtige Botschaft: Sozialdienstleistungen
von allgemeinem Interesse weisen bestimmte Merkmale auf, die sie von anderen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
– beispielsweise in den Bereichen Telekommunikation und Verkehr – unterscheiden. Zu den Besonderheiten zählt,
dass diese Dienstleistungen personenbezogen und unmittelbar auf die Ermöglichung des Zugangs zu sozialen Grundrechten
und die Erreichung des sozialen Zusammenhalts ausgerichtet sind. Im Hinblick auf diese Ziele basieren die Sozialdienstleistungen
von allgemeinem Interesse auf dem Grundsatz der Solidarität und erfordern häufig die Mitarbeit Freiwilliger
und den Einsatz von Organisationen ohne Erwerbszweck.
Und sie müssen so nahe wie möglich am Nutzer gestaltet werden, daraus ergibt sich die wichtige Rolle
lokaler Behörden, wenn es um diese Gestaltung geht, aber auch, warum den Mitgliedstaaten die ausschließliche
Zuständigkeit bei der Definition der Aufgaben und organisatorischen Aspekte verbleibt.
Vladimír Špidla, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, erklärte,
eine Klarstellung sei in diesem wichtigen Bereich unbedingt erforderlich. Wir sprechen hier über einen großen
und dynamischen Sektor mit zahlreichen Beschäftigungsmöglichkeiten in den kommenden Jahren, ein wichtiges
Element in der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der EU. Sozialdienstleistungen sind ein Schlüsselelement
des Europäischen Sozialmodells, daher ist es entscheidend, dass die Bedingungen auf EU-Ebene förderlich
für eine harmonische Entwicklung des Sektors sind.
Diese Mitteilung basiert auf dem Ausgleich zwischen sozialem Zusammenhalt und sozialer Offenheit einerseits und
dem Grundsatz der Subsidiarität andererseits. In der Mitteilung werden Maßnahmen vorgeschlagen, die
die Berücksichtigung dieser Besonderheiten im EU-Rechtsrahmen gewährleisten sollen,“ so Špidla. Zahlreiche
finanzielle und politische Initiativen der EU, so etwa der Sozialdialog, unterstützen bereits heute die Weiterentwicklung
und Modernisierung der Sozialdienstleistungen.
Die mit der heute vorgelegten Mitteilung erzielte Klärung wurde von vielen Akteuren gefordert, unter anderem
von Mitgliedstaaten, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern des öffentlichen Dienstes sowie Nichtregierungsorganisationen;
alle Beteiligten glauben, dass eine größere Klarheit die Modernisierung dieser Dienstleistungen befördert,
ohne dass ein Widerspruch zum EU-Recht entsteht. Diese Erwartungen wurden anlässlich einer Konferenz der Ratspräsidentschaft
am 20. April in Wien erneut zum Ausdruck gebracht. Die Kommission reagiert auf diese Forderungen sowie die Anregungen
von Interessengruppen im Rahmen einer Konsultation, die sie für die Erstellung eines Grünbuchs durchführte.
Sie fordert eine bessere Nutzung der Haushaltsmittel für die Sozialpolitik, um mehr Vielfalt und Qualität
bei Dienstleistungen zu erreichen.
Die vorgestellte Mitteilung bringt keine Änderung des Gemeinschaftsrechts mit sich, künftig können
Veränderungen jedoch nicht ausgeschlossen werden. Um ein klareres Bildung vom Umgang der einzelnen Mitgliedstaaten
mit den Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu zeichnen, führt die Kommission eine Studie durch,
in der die aktuelle Situation in jedem einzelnen Mitgliedstaat untersucht werden soll. Ausgehend von den Ergebnissen
dieses Prozesses und der Konsultation der Interessengruppen wird die Kommission einen Bericht erstellen, der die
jüngsten Modernisierungstrends, das Fallrecht und sonstige einschlägige Entwicklungen beschreibt. Dieser
Bericht wird alle zwei Jahre veröffentlicht, die erste Ausgabe ist für Ende 2007 vorgesehen. |