"Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse"  

erstellt am
26. 04. 06

Kommission befasst sich mit den besonderen Merkmalen der Sozialdienstleistungen
Brüssel (eu-int) - Im Zuge der Modernisierung der Sozialdienstleistungen in vielen EU-Mitgliedstaaten, oft in Partnerschaft mit dem privaten Sektor und gemeinnützigen Organisationen, brauchen alle Beteiligten Klarheit hinsichtlich der Frage, welche Rolle das EU-Recht in dieser Situation spielt. Eine am 26. 04. verabschiedete Mitteilung der Europäischen Kommission befasst sich mit dieser Frage und dem raschen Wandel auf dem Gebiet der „Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse“. Die Mitteilung legt erstmals eine Aufstellung der besonderen Merkmale dieser Dienstleistungen vor und bietet eine Übersicht über die Unterstützung durch die verschiedenen Gemeinschaftsinstrumente. Auch wird ein Prozess umfassender Konsultation eingeleitet, der allen Akteuren des Sektors, den Mitgliedstaaten, Sozialpartnern, NRO und Betreibern von Sozialdienstleistungen offen steht und durch den die Kommission die Besonderheiten dieser Dienstleistungen bei der Umsetzung des EU-Rechts besser berücksichtigen kann. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, in einigen Fällen umfasst der Begriff auch die Bereiche Sozialwohnungen, Kinderbetreuung oder Dienstleistungen für bedürftige Familien und Personen.. Gesundheitsdienstleistungen werden jedoch nicht behandelt, da sie Gegenstand einer getrennten Initiative der Kommission sein werden.

In der EU entstehen immer neue und vielfältigere Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, so dass ein zunehmender Teil dieses Sektors mittlerweile unter das Binnenmarkt- und Wettbewerbsrecht der EU fällt. Bisher wurden diese Dienstleistungen direkt von Behörden verwaltet. Die Klärung der Rechtslage in der heute vorgestellten Mitteilung bezieht sich nicht nur auf staatliche Beihilfen für Dienstleistungsanbieter im Bereich der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, sondern auch auf die Anwendung von Binnenmarktregeln (insbesondere der Grundsätze Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit) und von Vorschriften für öffentliche Aufträge. Somit liegt diese Mitteilung auf der Linie des jüngst verabschiedeten geänderten Vorschlags für die Dienstleistungsrichtlinie. Und sie enthält eine wichtige Botschaft: Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse weisen bestimmte Merkmale auf, die sie von anderen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse – beispielsweise in den Bereichen Telekommunikation und Verkehr – unterscheiden. Zu den Besonderheiten zählt, dass diese Dienstleistungen personenbezogen und unmittelbar auf die Ermöglichung des Zugangs zu sozialen Grundrechten und die Erreichung des sozialen Zusammenhalts ausgerichtet sind. Im Hinblick auf diese Ziele basieren die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse auf dem Grundsatz der Solidarität und erfordern häufig die Mitarbeit Freiwilliger und den Einsatz von Organisationen ohne Erwerbszweck.

Und sie müssen so nahe wie möglich am Nutzer gestaltet werden, daraus ergibt sich die wichtige Rolle lokaler Behörden, wenn es um diese Gestaltung geht, aber auch, warum den Mitgliedstaaten die ausschließliche Zuständigkeit bei der Definition der Aufgaben und organisatorischen Aspekte verbleibt.

Vladimír Špidla, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, erklärte, eine Klarstellung sei in diesem wichtigen Bereich unbedingt erforderlich. Wir sprechen hier über einen großen und dynamischen Sektor mit zahlreichen Beschäftigungsmöglichkeiten in den kommenden Jahren, ein wichtiges Element in der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie der EU. Sozialdienstleistungen sind ein Schlüsselelement des Europäischen Sozialmodells, daher ist es entscheidend, dass die Bedingungen auf EU-Ebene förderlich für eine harmonische Entwicklung des Sektors sind.

Diese Mitteilung basiert auf dem Ausgleich zwischen sozialem Zusammenhalt und sozialer Offenheit einerseits und dem Grundsatz der Subsidiarität andererseits. In der Mitteilung werden Maßnahmen vorgeschlagen, die die Berücksichtigung dieser Besonderheiten im EU-Rechtsrahmen gewährleisten sollen,“ so Špidla. Zahlreiche finanzielle und politische Initiativen der EU, so etwa der Sozialdialog, unterstützen bereits heute die Weiterentwicklung und Modernisierung der Sozialdienstleistungen.

Die mit der heute vorgelegten Mitteilung erzielte Klärung wurde von vielen Akteuren gefordert, unter anderem von Mitgliedstaaten, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern des öffentlichen Dienstes sowie Nichtregierungsorganisationen; alle Beteiligten glauben, dass eine größere Klarheit die Modernisierung dieser Dienstleistungen befördert, ohne dass ein Widerspruch zum EU-Recht entsteht. Diese Erwartungen wurden anlässlich einer Konferenz der Ratspräsidentschaft am 20. April in Wien erneut zum Ausdruck gebracht. Die Kommission reagiert auf diese Forderungen sowie die Anregungen von Interessengruppen im Rahmen einer Konsultation, die sie für die Erstellung eines Grünbuchs durchführte. Sie fordert eine bessere Nutzung der Haushaltsmittel für die Sozialpolitik, um mehr Vielfalt und Qualität bei Dienstleistungen zu erreichen.

Die vorgestellte Mitteilung bringt keine Änderung des Gemeinschaftsrechts mit sich, künftig können Veränderungen jedoch nicht ausgeschlossen werden. Um ein klareres Bildung vom Umgang der einzelnen Mitgliedstaaten mit den Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu zeichnen, führt die Kommission eine Studie durch, in der die aktuelle Situation in jedem einzelnen Mitgliedstaat untersucht werden soll. Ausgehend von den Ergebnissen dieses Prozesses und der Konsultation der Interessengruppen wird die Kommission einen Bericht erstellen, der die jüngsten Modernisierungstrends, das Fallrecht und sonstige einschlägige Entwicklungen beschreibt. Dieser Bericht wird alle zwei Jahre veröffentlicht, die erste Ausgabe ist für Ende 2007 vorgesehen.
     
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