Initiative für Wachstum und Beschäftigung in der Twincity- Region
Wien (rk) - Am 04. 05. Vormittag fand im Wappensaal des Wiener Rathauses die Konferenz "Überregionale
Beschäftigungsstrategie Wien - Bratislava statt, die von Vizebürgermeister Dr. Sepp Rieder, Dr. Peter
Flakár, dem Vorsitzenden der Kommission für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Fremdenverkehr
und Umweltschutz des Landes Bratislava und LAbg. Norbert Scheed, Vorstandsvorsitzender des waff eröffnet wurde.
Im Rahmen der Konferenz wurde einer erste Zwischenbilanz über das Projekt gezogen sowie ein Ausblick auf die
nächsten Schritte der gemeinsamen Beschäftigungsstrategie gegeben.
Die Überregionale Beschäftigungsstrategie ist eine Initiative von Stadt Wien und waff (Wiener ArbeitnehmerInnen
Förderungsfonds). Im Rahmen des EU-Interreg IIIa Projektes ist im Herbst 2004 eine Arbeitsgruppe aus Arbeitsmarkt-
und Wirtschaftsexperten sowie den ExpertInnen von beiden Stadt- und Regionalregierungen, des waff (Wiener ArbeitnehmerInnen
Förderungsfonds), des AMS (Arbeitsmarktservice), des Bundessozialamtes und der Sozialpartner eingerichtet
worden.
Deren Aufgabe: eine gemeinsame Beschäftigungsstrategie auszuarbeiten,
* mit der die Arbeitsplätze in der Region stabilisiert,
* neue Beschäftigungschancen geschaffen und
* die Region insgesamt in der Konkurrenz zu anderen Regionen
gestärkt werden soll.
Rieder: "Übergangsfristen aktiv nutzen für Wachstum und Beschäftigung in der gesamten
Region"
Das Projekt "Überregionalen Beschäftigungsstrategie" biete eine effektive Grundlage,
um die Übergangsfristen bis 2011 aktiv für den gemeinsam Arbeitsmarkt zu nutzen, so Vizebürgermeister
und Finanzstadtrat Dr. Sepp Rieder in seinem einleitenden Statement. Damit der gemeinsame Arbeitsmarkt in der Praxis
auch funktioniere, müssen Wachstum und Beschäftigung in der gesamten Region entsprechend gefördert
werden. Ein wesentlicher Grundstein dafür sei die bereits erfolgreich laufende gemeinsame Arbeitsmarktplattform
zwischen Wien und Bratislava, unterstrich der Finanzstadtrat. Als künftige zentrale Ziele der Arbeitsmarktplattform
nannte Rieder die verstärkte Kooperation der Arbeitsmarktakteure beider Städte, gemeinsam definierte
Standards für die Qualifizierung von ArbeitnehmerInnen bis hin zu konkreten gemeinsamen Aus- und Weiterbildungsprojekten,
um die ArbeitnehmerInnen aber auch die Betriebe der gesamten Region "fit" zu machen für den Arbeitsmarkt
von morgen.
Labg. und waff-Vorstandsvorsitzender Norbert Scheed bezeichnete das Twincity-Konzept als eine faszinierende Idee.
Es gebe, so Scheed, zwar nach wie vor Unterscheide z.B. hinsichtlich der Einkommenssituation zwischen den beiden
Städten, aber im Vordergrund müsse der Gedanke stehen, aus getrennten Erfahrungen gemeinsame zu machen
und aus einer Konkurrenzsituation eine Kooperationsstrategie zu entwickeln. Das Projekt "Überregionale
Beschäftigungsstrategie" sei dafür mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil geworden, sagte
der waff Vorstandsvorsitzende. Auf der Ebene von konkreten Arbeitsmarkt- Austauschprojekten trage der waff jedenfalls
entscheidend dazu bei, die gemeinsamen Potentiale zu erkennen und entsprechend zu nutzen, erklärte der waff-Vorstandschef.
Twincity Wien - Bratislava: Herzstück einer EU-Boomregion
Fakt ist, dass sich mit den EU-Mitgliedern Slowakei, Tschechien und Ungarn die einmalige Chance bietet,
im Herzen Europas, die Region mit Bratislava, Brno, Györ und Wien zu einer bedeutenden mitteleuropäischen
Wachstumsregion zu entwickeln. Das belegte nicht zuletzt die OECD Studie "The Review of the Vienna- Bratislava
Metropolitan Region" aus 2003. So wurde empfohlen, die vielen grenzüberschreitenden Einzelprojekte durch
eine Gesamtstrategie zu verbinden und die Region als Lernende Region zu etablieren, um im internationalen Wettbewerb
mit hoch qualifizierten Arbeitskräften zu punkten. Und genau hier setzt das Projekt der "Überregionalen
Beschäftigungsstrategie" an.
Erfolgreiche Arbeitsmarktpilotprojekte: Lehrlings- und AusbildnerInnenaustausch, Kooperation von Berufsschulen
Die erste Projektphase der "Überregionalen Beschäftigungsstrategie" zwischen Wien und Bratislava
ist nun erfolgreich abgeschlossen. Wesentliches Ergebnis: Es ist gelungen, zwischen den beiden Städten zum
Thema Arbeitsmarkt eine gemeinsame Wissens- und Informationsbasis aufzubauen. Im Rahmen des Projektes wurde aber
auch arbeitsmarktpolitische Modellprojekte entwickelt, bei denen insbesondere das Thema Ausbildung im Mittelpunkt
steht. So hat im Frühjahr 2005 ein Lehrlingsaustausch für jeweils fünf Lehrlinge aus dem Bereich
Kommunikationstechnik und KFZ Technik mit einem Sprachkurs und einem dreiwöchigen Praktikum stattgefunden.
Im Herbst waren dann sechs AusbildnerInnen der Fma. MAN zum Praktikum in Bratislava. Sie besuchten u.a. verschiedene
Schulen für Verkehr und Maschinenbau und konnten sich so ein umfassendes Bild von der Qualität der Ausbildung
in der Slowakei machen. Ein Austausch zwischen den Berufsschulen von Wien und Bratislava im automotiven Bereich
ist noch im Laufen. Koordiniert wird das gesamte Projekt vom waff, dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds.
Bratislava führt ein ebenfalls von der EU gefördertes "Spiegelprojekt" durch. Das derzeitige
Projekt soll jedenfalls bis Ende 2006 weiter laufen. Insgesamt stehen dafür 500.000.- Euro zur Verfügung,
wovon 50% die EU, 50% das Land Wien und der waff finanzieren.
Zwtl.: Landesmann - hohe Wachstumspotentiale in den neuen EU- Mitgliedsländern
Univ. Prof. Dr. Michael Landesmann, der wissenschaftliche Leiter des Wiener Institutes für internationale
Wirtschaftsvergleiche zeigte in seinem Statement Perspektiven für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in der Region
Wien - Bratislava auf. Landesmann verwies auf das enorme Wirtschaftswachstum in den neuen EU Mitgliedstaaten im
Vergleich zu den "alten" EU Mitglieder. So habe das Bruttonationalprodukt in den Slowakei in den letzten
fünf Jahren um rund 34 % zugenommen, in Österreich im gleichen Zeitraum um 12%. Im gleichen Zeitraum
seien in der Slowakei auch die Löhne um 60% gewachsen, in Österreich um knapp über 10%. Landesmann:
"Die Einkommensunterscheide sind zwar da, aber sie fallen." Landesmann betonte außerdem, dass insbesondere
die Hauptstädte in den neuen EU Mitgliedsländern ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum
aufweisen. Das gelte auch für das Potential an hoch qualifizierten Arbeitskräften, das in Bratislava
weit über dem nationalen Durchschnitt liege und sogar noch höher als in Wien sei. Als Faktum bezeichnete
Landesmann, dass in der gesamten Region die Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften ansteigen werde,
die weniger gut ausgebildeten aber immer mehr unter Druck geraten würden.
Ein weiterer Höhepunkt der Konferenz war eine Podiumsdiskussion, an der die VertreterInnen der Sozialpartner,
u.a. AK Präsident Herbert Tumpel, der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Wien Thomas Oliva,
der Vizepräsident der WKW, KR Michael Hochenegg und Dr. Richard Leutner, leitender ÖGB Sekretär
sowie VertreterInnen der Konföderation der Gewerkschaftsbünde Bratislava und der slowakischen Handels-
und Industriekammer teilnahmen. Von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wurde der Infrastrukturausbau
als wesentliche Bedingung für die Nutzung des vorhandenen Potentials und eine erfolgreiche Beschäftigungs-
und Wirtschaftsentwicklung der Twincity Region genannt. Seitens der Vertreter von ÖGB und AK wurde nochmals
auf die Bedeutung der Übergangsfristen zum Schutz des Arbeitsmarktes aber auch auf die Notwendigkeit, diese
aktiv zu nutzen, hingewiesen. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung von entsprechenden Qualifizierungsangeboten
- und Maßnahmen, um die ArbeitnehmerInnen für die künftigen Herausforderungen des gemeinsamen Arbeitsmarkten
"fit" zu machen, hervorgehoben.
Josef Steiner, MAN zum hohen Niveau der slowakischen Lehrlingsausbildung: "Wir können viel voneinander
lernen."
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion berichteten TeilnehmerInnen der Austauschprogramme über ihre konkreten
Erfahrungen.
Für Josef Steiner, den Leiter des MAN (Nutzfahrzeuge Vertrieb OHG) Bildungszentrums hat sich der Besuch in
Bratislava im Rahmen des AusbildnerInnenaustausches jedenfalls gelohnt:" Bei uns gibt es oft den falschen
Eindruck, dass die Ausbildung in der Slowakei nicht auf dem gleichen Niveau ist wie bei uns. Das ist grundfalsch.
Im Gegenteil - die Verknüpfung zwischen Schule und Betrieb ist in der Slowakei vorbildhaft, etwa durch die
Aufteilung eine Woche Theorie in der Schule, eine Woche Praxis im Betrieb. Davon können wir nur profitieren.
Wir werden jetzt daran gehen, einzelnen Elementen der slowakischen Lehrlingsausbildung einzubauen, etwa durch eine
effizientere Zusammenarbeit mit den Berufsschulen. Besonders gut gefiel uns auch, dass die Lehrlinge in der Slowakei
nach Abschluss der dreijährigen Lehre mit zwei zusätzlichen Schuljahren Maturaniveau erreichen können.
Die Lehre bekommt dadurch auch einen anderen Stellenwert."
Derzeit im Laufen ist eine Schulkooperation der beiden Berufsschulen im automotiven Bereich zwischen Bratislava
und Wien. Vorgesehen sind Studienaufenthalte und Praktika von Lehrlingen, Lehrkräften und WerkmeisterInnen.
Unter anderem wird es dabei etwa um die Annäherung von Lehrmethoden und Lehrmitteln insbesondere auf dem Sektor
Diagnostik und Reparaturen gehen. Die ersten acht Berufsschüler aus Bratislava werden von 15. Bis 19. Mai
in der Berufsschule in Floridsdorf ganztätig unterrichtet und werden dabei auch die Werkstätten der Berufsschule
nutzen können. Die Schüler erhalten vorab in Bratislava intensiven Deutschunterricht. Als nächster
Schritt werden Wiener Lehrlinge eine Woche im Oktober in Bratislava unterrichtet, darüber hinaus wurde ein
LehrerInnenaustausch und der Austausch von Unterrichtsmaterialien vereinbart.
Zukunftsperspektiven: weitere Austauschprogramme v.a. für junge Menschen sowie Vernetzung der Ausbildungseinrichtungen
Erika Hess, waff Bereichsleiterin für EU - Programme und Projektverantwortlich für Wien, unterstrich
in ihren Resumee die Bedeutung des Aufbaus der gemeinsamen Informations- und Wissensbasis zum Thema Arbeitsmarkt
zwischen Wien und Bratislava. Hess: "Der eigentliche benefit dabei ist, aufgrund der geschaffenen Vertrauensbasis
können wir Informationen auf kurzem Weg einholen und so auch schneller gemeinsam neue Projekte entwickeln
bzw. im Bedarfsfall rascher reagieren!" In diesem Zusammenhang verwiesen Hess und L'udovít Mlynarcík,
Arbeitsmarktexperte aus Bratislava nochmals auf die ebenfalls bereits bestens erprobte Zusammenarbeit zwischen
Wien und Bratislava in der Praxis, nämlich bei den arbeitsmarktpolitischen Pilotprojekten.
Schwerpunkt der künftigen Zusammenarbeit zwischen Wien und Bratislava:
* Vernetzung der Ausbildungseinrichtungen, um die
Ausbildungsstandards zu analysieren und im Sinne einer
gemeinsamen Höherqualifizierung anzugleichen.
* Definition von best practice Beispielen, die auf die jeweils
andere Region übertragbar sind, etwa im Hinblick auf die
Reintegration von Arbeitslosen, die es am Arbeitsmarkt besonders
schwer haben, z.B. weil sie schon lange arbeitslos sind.
* Darüber hinaus sollen die Schulkooperationen, der
Lehrlingsaustausch und andere Austauschprojekte weitergeführt
und ausgedehnt werden. Vor allem junge Menschen sollen dabei die
Chance bekommen, sich selbst ein Bild vom Nachbarn zu machen,
voneinander zu lernen und berufliche Kontakte auf zu bauen. |