Wien (rk) - Rechtzeitig zum 150. Jahr-Jubiläum der Wienbibliothek im Rathaus (früher Wiener Stadt-
und Landesbibliothek) konnte die Handschriftensammlung den Nachlass Johann Nestroys um ein wichtiges Manuskript
vermehren. Sie erwarb bei einer Auktion in Berlin die erste Niederschrift seiner Zauberposse "Dreyssig Jahre
aus dem Leben eines Lumpen", die der damals noch ausschließlich als Schauspieler beschäftigte Nestroy
im Jahr 1828 in Graz als erste längere dramatische Arbeit geschaffen hatte. Das fragmentarische Bleistiftmanuskript
im Umfang von 50 Seiten umfasst etwa die Hälfte des bisher nur in drei Theaterhandschriften überlieferten
Textes.
Das, wie bei Nestroy üblich, schwer lesbare Manuskript ist wohl als die Urform von Nestroys erster Zauberposse
anzusetzen, von der Nestroy-Forschung bisher als die "verschollene Grazer Fassung" bezeichnet. Gegenüber
den bisher bekannten Fassungen weist es eine erhebliche Anzahl von Abweichungen vom Abdruck in der historisch-kritischen
Gesamtausgabe von Fritz Brukner und Otto Rommel (Wien, 1924 - 1930) auf. Nestroy trat in der Uraufführung
seines Stückes am 20. Dezember 1828 im Grazer ständischen Schauspielhaus auf und zwar in der Rolle des
Longinus. Der Titel war, wohl von der Zensur anbefohlen, in "Des Wüstlings Radicalkur oder: Die dreyßig
Jahre der Verbannung" geändert worden. Bis Ende 1829 erlebte die Posse noch etwa zehn Aufführungen
in Graz, in Preßburg und im Theater in der Josefstadt zu Wien. |