Gesundheitspolitik  

erstellt am
15. 05. 06

 SPÖ warnt vor Ärztemangel in Österreich
Wien (sk) - Vor einem Ärztemangel in Österreich warnten SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal, die Vorsitzende der sozialdemokratischen ÄrztInnen, Dr. Sabine Oberhauser, und der Forscher und Betriebsratsobmann der Med-Uni Wien, Prof. Dr. Thomas Szekeres am 15. 05. in einer gemeinsamen Pressekonferenz. In spätestens zehn Jahren werden 1.600 ÄrztInnen in Pension gehen, aber es werden nur 806 ausgebildete ÄrztInnen zur Verfügung stehen. Mit einberechnet ist dabei noch nicht die Tatsache, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung mehr ärztliche Dienstleistungen benötigt werden. "Das geht sich nie und nimmer aus", so Broukal. Die SPÖ hat einen Plan für den Ausbau der Medizin-Universitäten ausgearbeitet und fordert 50 zusätzliche Anfängerplätze an den drei Med-Unis pro Jahr.

Bereits vorige Woche schlug der Verband der österreichischen Professoren Alarm: Sollten die Studienplätze an der Medizin nicht erhöht werden, drohe eine Situation wie in Deutschland. In Deutschland streiken derzeit 22.000 Spitalsärzte; sie fordern bessere Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung. In Bratislava wurden wegen streikender Ärzte bereits drei Spitäler zugesperrt.

Auch in Österreich fehlen heute schon mindestens 1.000 zusätzliche ÄrztInnen, zitierte Oberhauser die Ärztekammer. Noch mehr Bedarf an ÄrztInnen gebe es, wenn die übrigen acht Bundesländer dem Beispiel Wiens folgen würden und immer ein Facharzt im Spital anwesend ist. In acht von zehn Spitälern würden außerdem die Arbeitszeiten nicht eingehalten. ÄrztInnen müssen in der Regel 72 Wochenstunden arbeiten, Wochenenddienste dauern bis zu 49 Stunden in einem Stück. Vorgeschriebene Ruhephasen gebe es immer seltener, so Oberhauser, die berichtete, dass sich die Ärzte dringend mehr freie Zeit wünschen würden. Ein Wechsel zu einer verantwortbaren Arbeitszeit sei unbedingt notwendig. Piloten arbeiten zum Vergleich maximal elf Stunden, Lokführer maximal 12 Stunden. Wenig Hoffnung gebe auch die Regierung, die, so Oberhauser, "darauf schielt", die Bereitschaft aus der Arbeitszeit herauszurechnen, was nichts daran ändert, dass die Ärzte trotzdem vor Ort sein müssen. Sollte es so weitergehen, drohen auch in Österreichs Streiks, betonte Oberhauser.

Wie Broukal erklärte, brauche Österreich im Jahr 2015 mindestens 2.300 Medizin- Studienanfängerplätze. Ab diesem Zeitpunkt würden jährlich etwa 1.600 ÄrztInnen in Pension gehen. Bedenkt man, dass ein Medizin-Studium inklusive Turnus zehn Jahre dauert und dass es aufgrund der Medizin-Quote der ÖVP pro Jahr nur 806 ausgebildete ÄrztInnen geben wird, könne man leicht erkennen, dass sich das nicht ausgeht. Die 806 Ausgebildeten ergeben sich aus folgender Rechnung: An der Med-Uni Wien kommen ab dem dritten Semester die 600 Besten weiter, in Graz sind es 360, in Innsbruck bleiben von 400 Erstsemestrigen nach dem zweiten Semester 280 Studierende übrig – sind 1.240 und nicht 1.500, wie die Regierung vorgibt. Minus 25-prozentigem Ausländeranteil und 10-prozentiger Drop-Out-Quote bleiben 806. Diese 806 ÄrztInnen können den Bedarf auf keinen Fall decken, gibt auch Szekeres zu Bedenken und fügt hinzu, dass der Bedarf an ärztlichen Dienstleistungen wegen der steigenden Lebenserwartung noch höher wird.

SPÖ-Plan für den Ausbau der Medizin-Unis
Um diese Lücke zu schließen, schlägt die SPÖ vor, jährlich 50 Anfängerplätze mehr an den drei Med-Unis zur Verfügung zu stellen: In Wien 25 Plätze, in Innsbruck 13 und in Graz 12 Plätze. Außerdem solle das "dritte Semester" für Theoriefächer genützt werden, und bisher ungenützte Ausbildungsplätze sollen aufgeschlossen werden, so der SPÖ-Wissenschaftssprecher.

 

Brinek: Keine Panikmache wegen Ärztemangels!
ÖVP-Wissenschaftssprecherin: "Die Regierung hat ausreichend vorgesorgt - Broukal will nur von eigenem Versagen ablenken"
Wien (övp.pk) - Vor einer völlig unnötigen Panikmache bezüglich angeblich drohenden Ärztemangels warnt ÖVP-Wissenschaftssprecherin Dr. Gertrude Brinek SPÖ-Wissenschafts- sprecher Broukal. "Die Bundesregierung hat ausreichend vorgesorgt und die Studienplätze um 20 Prozent aufgestockt. Damit wird dem steigenden Ärztebedarf Rechnung getragen und gleichzeitig berücksichtigt, dass einige Studierende mit nicht-österreichischem Maturazeugnis wahrscheinlich auch nach Ende ihres Studiums in Österreich bleiben und den Arztberuf ausüben", erklärte Brinek in einer Redaktion auf die Pressekonferenz Broukals heute, Montag.

Überdies sei, so Brinek weiter, die Zahl der Medizinstudienplätze mit Expertinnen und Experten in Hinblick auf Bedarf und ausreichendem Spielraum für jene, die nach abgeschlossenem Studium in Forschung und Industrie arbeiten wollen, abgesprochen. "Wenn Broukal tatsächlich eine rasche Steigerung der Arbeitsmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung andenkt, müsste er auch begreifen, dass dazu à la longue neue Spitäler gebaut werden müssen, weil das klinische Studium und die Forschung am Patienten selbst stattfindet", betonte die ÖVP-Wissenschaftssprecherin.

Die SPÖ-Forderung, das so genannte "dritte Semester", also die Sommerzeit, für theoretische Ausbildung zu nutzen, gehe offenbar von der populistischen Einstellung aus, dass die Universitäten in dieser Zeit "schlafen" würden. "Nach mittlerweile einigen Jahren als Wissenschaftssprecher müsste Genosse Broukal die Praxis eigentlich schön langsam besser kennen", kritisierte Brinek. "Daher sind seine Vorstellungen und Forderungen auch mit größter Vorsicht zu behandeln." Offensichtlich wolle Broukal jedenfalls davon ablenken, dass er sich im Parlament einer vernünftigen Medizinstudienzugangsregelung verschlossen hat und diese Unsicherheit jetzt aufwiegen will.

 

Grünewald: Bundesregierung muss Uni-ÄrztInnen Überstunden abgelten
Skandalöse Aufweichung bestehender Obergrenzen der Arbeitszeit aus Kostengründen
Wien (grüne) - "Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes (KA-AZG) wird dieses immer noch nicht flächendeckend exekutiert. Dennoch versucht die Bundesregierung aus Kostengründen bestehende Obergrenzen der Arbeitszeit von Uni-ÄrztInnen aufzuweichen. Das ist ein politischer Skandal der Sonderklasse", kritisiert der Wissenschafts- sprecher der Grünen, Kurt Grünewald, die akute Überstundenproblematik von ÄrztInnen an Uni-Kliniken.

Die Folgen derartiger Maßnahmen bedeuteten einen Qualitätsverlust in der medizinischen Betreuung von PatientInnen, lösten haftungsrechtliche Probleme aus und verletzten gröblichst bestehende ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen. "Die Regierung muss die vom Betriebsrat der ÄrztInnen errechnete Summe von 25 Mio. Euro für nicht abgegoltene Überstunden in den letzten Jahren endlich ausbezahlen. Es kann nicht länger angehen, dass das Gesundheitssystem auf Kosten der Uni-ÄrztInnen finanziert wird", so Grünewald abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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