Minister weist Kritik an österreichischem EU-Vorsitz zurück
Wien (pk) - Der Wirtschaftsausschuss befasste sich am 09. 05. in einer öffentlichen Sitzung
zunächst mit dem Bericht von Bundesminister Bartenstein über das EU-Arbeitsprogramm 2006. Die Vorlage
wurde nach einer lebhaften Debatte mit den Stimmen der Regierungsparteien zur Kenntnis genommen und damit enderledigt.
In der Debatte wurden insbesondere Fragen der Energiepolitik thematisiert. Während Abgeordnete Michaela Sburny
(G) in der EU-Energiepolitik eine "Renaissance des Wunsches nach Atomkraft" ortete, wies Abgeordneter
Georg Oberhaidinger (S) darauf hin, dass der steigende Verbrauch nicht allein durch eine Steigerung des Angebots
gedeckt werden könne. Vielmehr seien Energieeffizienz und Energiesparen in den Vordergrund zu stellen. Nur
so könne man sich von Primärenergieträgern sowie von Atomstromimporten unabhängig machen. Die
Abgeordneten Johann Moser und Peter Marizzi (beide S) betonten diesbezüglich die verstärkte Nutzung der
Wasserkraft und erneuerbarer Energieträger in Österreich. V-Abgeordneter Franz Glaser sprach sich für
eine Erhöhung der Prozentsätze im EU-Aktionsplan zur Förderung der Biomasse aus.
Für Abgeordnete Michaela Sburny (G) sei dem Tourismus, der in der österreichischen Wirtschaft einen hervorragenden
Stellenwert habe, im Bericht zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. Den Grünen fehlt es in diesem Bereich
vor allem an Nachhaltigkeit. Abgeordneter Dietmar Hoscher (S) regte an, seitens der österreichischen Ratspräsidentschaft
einen Schwerpunkt "Tourismus und Kultur" zu setzen, da Österreich diesbezüglich komparative
Wettbewerbsvorteile habe. Abgeordnete Erika Scharer (S) wollte durch eine Verbesserung der Ausbildung auf diesem
Gebiet Zukunftspotentiale effizienter nutzen.
Abgeordneter Johann Ledolter (V) begrüßte, dass im EU-Arbeitsprogramm den KMU breiter Raum eingeräumt
wurde, da die Mehrzahl der österreichischen und europäischen Unternehmen Klein- und Mittelbetriebe seien.
Die Weichenstellung und Neuorientierung in der EU-Wirtschaftspolitik sei eine der bemerkenswerten Leistungen der
österreichischen EU-Präsidentschaft. In diesem Zusammenhang verlangte Abgeordneter Christoph Matznetter
(S) Initiativen zur Stärkung des Eigenkapitals der hoch kompetitiven österreichischen KMU, da Investitionen
Arbeitsplätze schaffen.
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies eingangs seiner Ausführungen zum Thema Energiepolitik darauf hin,
dass die Mittelausweitung im Bereich Kernenergie auf die Frist von sieben statt vier Jahren abgestellt sei und
70 % der Mittel für den Bereich Kernfusion, eine umweltfreundliche, ergiebige und zukunftsträchtige,
wenn auch noch nicht gänzlich ausgereifte Energiequelle aufgewendet werden. Im Rahmen der EU-Energiepolitik
habe eine Verbesserung der Energieeffizienz um 20 % bis 2020 sowie die Nutzung alternativer Energien oberste Priorität.
Die Wahl des Energiemix verbleibe allerdings weiterhin in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Wie bisher werde –
so Bartenstein – Atomkraft auch weiterhin für Österreich keine Option sein.
Gleichermaßen falle der Tourismus in die Kompetenz der einzelnen Mitgliedstaaten. Österreich setzte
sich sehr wohl für Nachhaltigkeit ein. Der von mehreren Abgeordneten favorisierten Schwerpunktsetzung "Tourismus
und Kultur" schloss sich der Minister an.
Beim Thema Außenhandelspolitik teilte der Wirtschaftsminister mit, dass die Exporte in Österreich hervorragend
laufen, derzeit habe man eine Steigerung von plus 10 %, man werde heuer beim Exportvolumen die 100-Mrd.-€-Schallmauer
durchstoßen. Auf die Frage des Abgeordneten Hannes Bauer (S) nach Informationen über die EU-Außenhandelspolitik
und -beziehungen machte Bartenstein auf die routinemäßige Information des Parlaments über die Ratsarbeitsgruppen
aufmerksam.
Weiters informierte Minister Bartenstein über die KMU-Politik als Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft.
Das "Think-small-first-Prinzip" sei in die Europäische Agenda eingebracht worden. Künftig müsse
zuerst mittelstandsbezogen gedacht werden - erst dann sollen Ausnahmen für die Großen getroffen werden,
nicht umgekehrt, so wie bisher.
Im Hinblick auf das Modell "Flexicurity" bestritt der Wirtschaftsminister die Behauptung des Abgeordneten
Christoph Matznetter (S), in Österreich fehle es im Hinblick auf eine Flexibilisierung der Arbeit an Sicherheit.
Die Aufwendungen für Soziales seien während der Regierung Schüssel um ein Prozent auf 29,5 % erhöht
worden, womit Österreich im sozialen Vergleich gut liege. Er stelle sehr wohl auf Sicherheit ab und orientiere
sich etwa am deutschen Modell der Arbeitszeitflexibilisierung auf Betriebsebene mit Beschäftigungsgarantie.
In Österreich erfolge derzeit eine Abkehr vom alten Abfertigungssystem zum neuen System der Mitarbeitervorsorge.
Außerdem betonte Bundesminister Bartenstein, dass Österreich im Unternehmenssektor nicht beim klassischen
Fremdfinanzierungsmodell durch Banken bleiben werde. Es erfolge bereits eine schrittweise Umstellung, und auch
wenn amerikanische Marktverhältnisse nicht eins zu eins auf Europa übertragbar seien, arbeite man bereits
mit Eigenmittelsurrogaten und einer Herabsetzung der Unternehmenssteuern.
Auf Kritik an schwachen Investitionsraten reagierte der Minister mit dem Hinweis auf den Bericht des WIFO vom Dezember
2005, dem zu entnehmen sei, dass Österreich unter Berücksichtigung der ausgegliederten Strukturen bei
den öffentlichen Investitionen europaweit auf respektablem Niveau liege.
Österreich habe bei der Erreichung der Lissabonziele seine Hausaufgaben gemacht. Zielvorstellung der Regierung
Schüssel sei die Schaffung von 10 Millionen neuen Jobs in fünf Jahren. Die europäische Entwicklung
mache diesbezüglich Mut: Die Arbeitslosenrate sinke tendenziell, das Ziel, europaweit unter 18 Millionen zu
kommen, scheint erreichbar. In Österreich sei die Zahl der Arbeitslosen im vergangenen Jahr um rund 13.000
gesunken.
Lob von Minister und Abgeordneten für das Bundesvergabeamt
Weiters nahm der Ausschuss den Tätigkeitsbericht des Bundesvergabeamtes über den Zeitraum Jänner
bis Dezember 2005 ( III-214 d.B.) mit der Mehrheit von ÖVP, F und Grünen zur Kenntnis.
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) brachte den negativen Kompetenzkonflikt zur Sprache, der in der Causa "Stadion
Klagenfurt" zu Tage getreten sei, und plädierte für eine einheitliche Zuständigkeit in Vergaberechtsangelegenheiten.
Die Arbeit des Bundesvergabeamtes, das mit äußerst komplexen Materien befasst sei, lobte der Abgeordnete
ausdrücklich.
Im Rahmen seiner Antwort auf Detailfragen der Abgeordneten Johann Moser (S), Michaela Sburny (G) und Ulrike Baumgartner-Gabitzer
(V) sowie des Abgeordneten Maximilian Hofmann (F) verwies der Vorsitzende des Bundesvergabeamtes Michael Sachs
auf die Ergebnisse einer Evaluierung seiner Behörde, die in die Novelle des Bundesvergabegesetzes 2006 eingeflossen
seien. Die Auswirkungen der Novelle seien zum derzeitigen Zeitpunkt aber noch nicht abschätzbar. Die Kontrolle
der Rechtsschutzbehörde obliege dem Verfassungsgerichtshof, dem Verwaltungsgerichtshof und dem Europäischen
Gerichtshof.
Der Fall "Stadion Klagenfurt" habe gezeigt, dass der Vergaberechtsschutz in Österreich funktioniere.
Aus seiner Sicht wäre es allerdings wünschenswert, so Sachs, dass der Vergaberechtsschutz nicht nur materiellrechtlich
einheitlich geregelt sei, sondern von einer einheitlichen Behörde wahrgenommen werde. Der Fall der Fahrzeugbeschaffung
für die Polizei habe die Präventivwirkung aufgezeigt, die von der Tätigkeit des Bundesvergabeamtes
ausgehe.
Bundesminister Martin Bartenstein schloss sich dem Lob der Abgeordneten für das Bundesvergabeamt an. Zur Diskussion
um eine einheitliche Vergaberechtszuständigkeit machte der Minister auf die unterschiedliche Position der
Länder dazu aufmerksam. |