Abfederung von finanziellen Härten bei Mehrlingsgeburten
Wien (pk) - Trotz massiven Drängens der Opposition auf grundlegende Änderungen beim Kinderbetreuungsgeld
werden die gesetzlichen Bestimmungen vorerst nur in einem Detailbereich geändert. Der Familienausschuss des
Nationalrats billigte einstimmig eine Regierungsvorlage, die darauf abzielt, finanzielle Härten für Eltern
von Mehrlingskindern abzufedern.
Nach geltender Rechtslage erhalten Eltern von Mehrlingen zwar ein erhöhtes Kinderbetreuungsgeld, wird jedoch
innerhalb des Bezugszeitraums ein weiteres Kind geboren, fällt dieser Mehrlingszuschlag weg, weil Kinderbetreuungsgeld
nur für das jüngste Kind gebührt. Künftig wird der Zuschlag weitergezahlt, wenn für das
betroffene Kind sämtliche anderen Anspruchvoraussetzungen erfüllt werden. Ein zur Regierungsvorlage eingebrachter
und bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag sieht vor, dass das Service-Entgelt für
die E-Card automatisch mit dem Kinderbetreuungsgeld gegengerechnet wird.
Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) meinte, die Initiative der Regierung belege den Reformbedarf auf diesem Gebiet. Zudem
verwies sie auf die Bedeutung einer besseren Vereinbarung von Beruf und Familie. Abgeordnete Sabine Mandak (G)
trat für die Abschaffung der Zuverdienstgrenze ein und brachte einen diesbezüglichen Abänderungsantrag
ein. Abgeordnete Astrid Stadler (V) würdigte hingegen die Politik der Regierung, die auf diesem Gebiet eine
weitere Verbesserung bewirkt habe, die demgemäß zu unterstützen sei. Zudem brachte sie einen Abänderungsantrag
ein, wonach die E-Card-Gebühr künftig automatisch einbehalten werden solle. Abgeordnete Elke Achleitner
(F) begrüßte gleichfalls die Regierungsvorlage als wichtige Verbesserung. Bundesministerin Ursula Haubner
sprach ebenfalls von einer weiteren Verbesserung und meinte, die Regierung mache Politik, indem sie sich an den
Interessen der Familien orientiere.
Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ, in der die Sozialdemokraten
eine Reihe von Forderungen aufstellen, die zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen sollen.
Unter anderem mahnen sie eine flexible Gestaltung des Kinderbetreuungsgeldes, die Abschaffung der derzeit geltenden
Zuverdienstregelungen in Verbindung mit der Möglichkeit einer Arbeitszeitreduktion und die Ausdehnung des
Kündigungsschutzes auf die gesamte Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes ein. Darüber hinaus spricht
sich die SPÖ für ein Recht auf flexible Arbeitszeitgestaltung für Eltern mit noch nicht schulpflichtigen
Kindern, verstärkte Wiedereinstiegshilfen für Eltern nach der Berufsunterbrechung und einen Rechtsanspruch
auf einen Betreuungsplatz für Kinder von AlleinerzieherInnen ab dem ersten Lebensjahr aus.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung des V-F-Abänderungsantrages einstimmig angenommen,
der Abänderungsantrag der Grünen wurde abgelehnt, auch der S-Entschließungsantrag bekam keine Zustimmung.
Haubner: Kinderbetreuungsgeld stößt auf breite Zustimmung
Auch bei der zuvor abgehaltenen Aktuellen Aussprache im Familienausschuss stand das Kinderbetreuungsgeld im Mittelpunkt,
wobei die bisher vorliegenden Evaluierungsergebnisse von Familienministerin Ursula Haubner und den Oppositionsparteien
unterschiedlich bewertet wurden. Haubner bekräftigte, dass es bei den Eltern eine relativ große Zufriedenheit
mit dem Kinderbetreuungsgeld gibt und nur kleine Personengruppen Nachteile hätten, SPÖ und Grüne
wiesen hingegen auf eine Reihe von Problemen hin.
Eingeleitet wurde die Aktuelle Aussprache durch SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl. Sie betonte, ihre Fraktion
sehe in einigen wichtigen Punkten Reformbedarf beim Kinderbetreuungsgeld. So wiesen Kuntzl und ihre Fraktionskolleginnen
Melitta Trunk und Gabriele Heinisch-Hosek u. a. darauf hin, dass Frauen auf Grund des Kinderbetreuungsgeldes länger
zu Hause blieben als früher und große Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg ins Berufsleben hätten.
Zudem sei es zu keiner Erhöhung der Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung gekommen. Die "Zurück-an-den-Herd-Politik"
der Regierung sei offenbar erfolgreich, sagte Kuntzl. Abgeordnete Trunk machte geltend, durch das Kinderbetreuungsgeld
seien die traditionellen Geschlechterrollen verstärkt worden.
Ähnliche Kritik brachten die Grün-Abgeordneten Sabine Mandak und Karl Öllinger vor. Mandak interpretierte
die vorliegenden Studienergebnisse dahingehend, dass das Kinderbetreuungsgeld die Erwerbstätigkeit von Frauen
behindere und die ursprünglichen Ziele, Impulse für die Erwerbsarbeit von Frauen zu setzen, nicht erreicht
würden. Darüber hinaus versage das Kinderbetreuungsgeld bei der Motivation der Väter, in Karenz
zu gehen, vollständig. Abgeordneter Öllinger äußerte die Vermutung, dass die nominell gestiegene
Zahl von männlichen Kinderbetreuungsgeldbeziehern ausschließlich auf Bauern, Selbständige und Studierende
zurückzuführen sei, also auf Personengruppen, die zuvor kein Karenzgeld bekommen hätten.
Sowohl die neue Familiensprecherin des Freiheitlichen Parlamentsklubs, Elke Achleitner, als auch Familienministerin
Ursula Haubner wiesen die Vorhaltungen der SPÖ, die Regierung wolle Frauen zurück an den Herd bringen,
entschieden zurück. Der Vorwurf entbehre jeglicher Realität, sagte Achleitner. Ministerin Haubner merkte
an, es sei dringend notwendig, solche ideologischen Zuordnungen zu beenden.
Was den für April 2006 in Aussicht gestellten Endbericht zur Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes betrifft,
wies Haubner darauf hin, dass das beauftragte ÖIF die Studienergebnisse in den nächsten Monaten publizieren
werde. Sie habe den Klubs aber bereits eine Zusammenfassung der Ergebnisse zugeleitet. |
Aus dieser Zusammenfassung ist Haubner zufolge ersichtlich, dass die Mehrheit der Bezieherinnen und Bezieher von
Kinderbetreuungsgeld zufrieden seien und eine Besserstellung gegenüber früher sähen. Nachteile gebe
es lediglich für eine kleine Personengruppe mit höheren Einkommen. Gleichzeitig habe sich der Bezieherkreis
wesentlich erweitert. Haubner gab auch zu bedenken, dass das Kinderbetreuungsgeld eine wichtige Maßnahme
zur Armutsverminderung gerade in der Anfangsphase der Familiengründung sei, ein Aspekt, den auch F-Abgeordnete
Marialuise Mittermüller betonte.
Am häufigsten wurde, so Haubner, Modifikationsbedarf bei der Zuverdienstgrenze geäußert. Das Kinderbetreuungsgeld
habe aber bereits jetzt positive Impulse hinsichtlich des Erwerbslebens von Frauen, bekräftigte sie. Laut
Haubner arbeiten rund 25 % der Frauen während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld, wobei rund 17 % dabei mehr
als die Geringfügigkeitsgrenze verdienen.
Auch die Väterbeteiligung sei gegenüber früher gestiegen, unterstrich Haubner, wenn auch nicht in
dem Ausmaß, wie es zu erwarten gewesen wäre. Sie glaubt, dass es vor allem mehr bewusstseinsbildende
Maßnahmen braucht, um die gesellschaftliche und betriebliche Akzeptanz für Väter, die Kinderbetreuung
übernehmen, zu erhöhen.
Gemäß einer Aufstellung Haubners bezogen am 3. Mai 2006 5.951 Väter Kinderbetreuungsgeld, das sind
3,5 % der KindergeldbezieherInnen. Nach Berufsgruppen geordnet waren das 1.243 Angestellte, 1.234 Arbeiter, 783
Selbständige, 599 Arbeitslose, 521 Hausmänner, 488 Notstandshilfebezieher, 418 Bauern, 228 Studierende,
222 Beamte, 204 Vertragsbedienstete und 11 Schüler. Zu den von der Opposition geäußerten Zweifel,
ob die Männer tatsächlich ihre Kinder betreuen, merkte Haubner an, es würden weder Väter noch
Mütter kontrolliert.
Keinen Einfluss hat das Kinderbetreuungsgeld Haubner zufolge auf die Geburtenrate. Um die Geburtenfreudigkeit zu
steigern, bedürfe es vielmehr einer Vielzahl von Maßnahmen, insbesondere im Bereich der besseren Vereinbarkeit
von Familie und Beruf. Dieser Bereich müsse eine tragende Säule der künftigen Familienpolitik sein,
sagte die Ministerin.
Ablehnend äußerte sich Haubner zum Vorschlag nach einem einkommensabhängigen Karenzgeld. Das Kinderbetreuungsgeld
sei als universelle Familienleistung und nicht als Einkommensersatz konzipiert, argumentierte sie. Man solle nach
so kurzer Zeit das Modell nicht wieder wechseln. Um die Armutsgefährdung für Familien mit Kindern über
drei Jahre zu reduzieren, regte Haubner u. a. die steuerliche Absetzbarkeit von Familienbetreuungskosten und Initiativen
der Länder an, etwa in Form von Kinderbetreuungsgutscheinen.
Die Kosten für den in Auftrag gegebenen Evaluierungsbericht bezifferte Haubner mit 244.000 € für die
erste Teilstudie und 251.000 € für die zweite Teilstudie. Damit seien fünf Jahre wissenschaftlich begleitende
Arbeit inklusive der Veröffentlichung von Publikationen abgedeckt.
Weitere Themen der aktuellen Aussprache waren eine Konferenz der Jugendminister der EU-Länder in Bad Ischl,
die Installierung von Jugendbeauftragten in allen Ministerien, die Seniorenpolitik der Regierung, die finanzielle
Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds, die Einrichtung der Familie&Beruf Management GmbH, das Thema
Kinderbetreuung, der staatliche Unterhaltsvorschuss und die Männerforschung.
So erkundigten sich etwa die Abgeordneten Silvia Fuhrmann (V) und Elisabeth Grossmann (S) nach den Ergebnissen
der Jugendminister-Konferenz in Bad Ischl, Abgeordneter Karl Öllinger (G) wollte wissen, ob die von ihm als
"Posten- und Versorgungsgesellschaft" bezeichnete Familie&Beruf Management GmbH nach Monaten der
Unerreichbarkeit mittlerweile arbeitsfähig sei. Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) machte geltend, dass
in Österreich 46.000 Kinderbetreuungsplätze fehlten. Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) kritisierte
die mangelnde Moral der Väter bei Unterhaltszahlungen.
Familienministerin Haubner zog eine positive Bilanz des Jugendminister-Treffens in Bad Ischl und wies auf das Bestreben
hin, die Jugend auf EU-Ebene verstärkt in Diskussionsprozesse einzubinden. Im Seniorenbereich gibt es ihr
zufolge mehrere Schwerpunktprogramme, beispielsweise zur Ausweitung der Bildungschancen von Senioren, das Projekt
"Seniorensicherheit" und das Programm "Fit und aktiv im Alter".
Die Familie&Beruf Management GmbH wurde nach Auskunft Haubners am 23. Februar 2006 im Firmenbuch eingetragen
und verfügt mittlerweile über eine Telefonnummer, einen Internetauftritt und eine E-Mail-Adresse. Derzeit
werde gerade das Unternehmenskonzept erarbeitet. Überdies wickle die FBG die Förderungen für innovative
Kinderbetreuungseinrichtungen ab, kümmere sich um den Ausbau und die Weiterentwicklung des Audits Familie
und Beruf sowie die Förderung des Audits familienfreundliche Gemeinde und habe verschiedene Pilotprojekte
in Arbeit.
Das Informationsangebot ihres Ressorts für Männer werde stark nachgefragt, versicherte Haubner. Der Familienlastenausgleichsfonds
werde im heurigen Jahr laut Bundesvoranschlag ein Minus von 434 Mill. € schreiben und ab dem Jahr 2013 wieder Überschüsse
erzielen.
Innovative Kinderbetreuungsplätze will Haubner, wie sie sagte, weiter fördern, wobei im vergangenen Jahr
mehr als 700.000 € vom Bund zur Verfügung gestellt worden seien. Eine Basisförderung für die verbandliche
Jugendarbeit kann sich die Ministerin vorstellen, sie betonte aber, dass es dazu eine Bereitschaft aller vier Fraktion
geben müsse.
Was den Unterhaltsvorschuss anbelangt, kündigte Haubner für Juni 2006 erste Zwischenergebnisse einer
zu diesem Thema eingesetzten Arbeitsgruppe an. Es gehe darum, Lücken im Unterhaltsvorschuss zu schließen,
den Zugang zu vereinfachen und die Verfahren zu beschleunigen, erklärte sie. |