Europatagung 2006 für Multiplikatoren der politischen Bildung
Wien (pk) - Vor einem aus LehrerInnen und SchülerInnen gemischten Publikum wurde am 16. 05.
im Parlament die "Europatagung 2006 für MultiplikatorInnen der politischen Bildung" eröffnet.
Nationalratspräsident Andreas Khol stellte als Gastgeber in seiner Einbegleitung der Veranstaltung fest, der
Europarat sei die erste gemeinsame europäische Institution, jene Wiege, aus der sich dann die anderen europäischen
Institutionen entwickelt haben. Als Hüter der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verkörpere
der Europarat das spezifische Merkmal der europäischen Politik, die sich dadurch von den Modellen anderer
Regionen in der Welt unterscheide. Der Menschenrechtsschutz sei prägend für die EU und Europa geworden.
Anton Salesny, Programmkoordinator und seit drei Jahrzehnten Spiritus Rector der Europatagung, wies auf die Bedeutung
des Dialogs mit den Spitzen der Politik im Sinne einer Stärkung des Unterrichtsprinzips politische Bildung
hin. Er verlas ein Grußwort des Generalsekretärs des Europarats, Terry Davis, an die Teilnehmer der
Veranstaltung. Davis erinnerte dabei an die prägende Rolle Österreichs beim Europarat durch drei Generalsekretäre
und zwei Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, aber auch an die Rolle Österreichs nach dem Ungarnaufstand
1956 und rund um den Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Davis würdigte in seinem Grußwort "Österreich
als ein modernes, interessantes und zukunftssicheres Land", das auch in Zukunft in Europa seine Spuren hinterlassen
werde.
Im Anschluss an die Eröffnung der Tagung standen der ehemalige Generalsekretär des Europarats, Walter
Schwimmer, der ehemalige Präsident des Europarats, Peter Schieder, Staatssekretär a. D. und ehemaliges
Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Ludwig Steiner, sowie Abgeordneter Klaus Wittauer, derzeitiges
Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, für die Diskussion mit den Lehrerinnen und Lehrern
zur Verfügung.
Walter Schwimmer unterstrich die Prinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, denen
sich der Europarat verpflichtet fühle. Zu den herausragendsten Leistungen der Organisation zähle die
Europäische Menschenrechtskonvention sowie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg,
der sowohl in der Welt als auch in der Geschichte einmalig sei. Schwimmer nannte in diesem Zusammenhang auch die
europäische Konvention zur Verhütung und Verhinderung von Folter und unmenschlicher Behandlung sowie
die Anti-Folter-Kommission als Instrumentarium zur Durchsetzung dieses Übereinkommens. Diese wenigen Beispiele,
so Schwimmer, stellten unter Beweis, wie wichtig der Europarat heute noch immer sei. Es bedürfe einer gemeinsamen
Plattform aller europäischer Staaten, sagte Schwimmer.
Mit gleichem Nachdruck unterstrich Abgeordneter Peter Schieder die Notwendigkeit des Europarats, indem er die Frage
stellte, was wäre, wenn es diese Institution nicht gäbe. Es würde ein wesentlicher Bereich der Menschenrechtskonvention
fehlen, meinte er, denn in der EU würde man zwar nach einem Ersatz suchen, aber man würde nicht mehr
so weit gehen wie bei der Menschenrechtskonvention. So wäre nur mehr eine Minderheit der Staaten für
das individuelle Recht der Bürgerinnen und Bürger, gegen den eigenen Staat eine Klage einzubringen, so
die Überzeugung Schieders. Wir würden heute weniger Rechtsinstrumente haben. Ein ähnliches Beispiel
stelle die Sozial-Charta des Europarats dar. Alle Bemühungen für ähnliche Regelungen auf EU-Ebene
gingen nicht so weit wie diese. Die EU könne auch auf die Nachbarschaftspolitik des Europarats aufbauen, setzte
Schieder die Liste der Leistungen der Organisation fort, und auch die nationalen Parlamente hätten im Rahmen
der parlamentarischen Versammlung des Europarats weit mehr Möglichkeiten enger Zusammenarbeit als innerhalb
der EU.
"Der Europarat ist mehr als die 25 Staaten der EU". Das war auch der Tenor des Statements von Abgeordnetem
Klaus Wittauer. Schon im Hinblick auf die Wahrung der Grundfreiheiten und Menschenrechte brauche man den Europarat,
denn nur dieser garantiere die Wahrung der Grundrechte und zeige auf, wo diese verletzt werden. In Österreich
stehe die Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang, betonte Wittauer. Die Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit,
dessen müsse man sich immer bewusst sein. Das Besondere am Europarat sei auch, dass die ParlamentarierInnen
miteinander kommunizieren, was für die Vernetzung und das gegenseitige Verständnis unerlässlich
sei.
Einen historischen Rückblick machte Ludwig Steiner. Er ging auf die Bedeutung des österreichischen Beitritts
zum Europarat im Jahr 1956 ein. Die Neutralität Österreichs sei damals von den meisten europäischen
Staaten negativ beurteilt worden. Die ausgezeichnete Arbeit der österreichischen ParlamentarierInnen im Europarat
und vor allem die Wahrung der österreichischen Neutralität während der Ungarn-Krise hätten
aber den Beweis erbracht, dass Österreich auch in schwierigen Zeiten im Stande war, die Ideale des Europarats
aufrecht zu erhalten. Der Europarat habe auch im Hinblick auf den Fall des Eisernen Vorhangs eine Eisbrecherfunktion
erfüllt, erinnerte sich Steiner, indem man versucht habe, erste Kontakte mit osteuropäischen Staaten
zu knüpfen und aufrecht zu erhalten. So habe auch der ehemalige sowjetische Staatspräsident Gorbatschow
noch vor dem EU-Parlament dem Europarat einen Besuch abgestattet. |