Fraktionen präsentieren unterschiedliche Modelle
Wien (pk) - Um Fragen der Kompetenzverteilung, das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern
in der Gesetzgebung, die Rechte des Bundesrates und um die Finanzverfassung ging es in der Sitzung des Besonderen
Ausschusses des Nationalrats am 16. 05., der auf Basis des Berichts des Österreich-Konvents zur Vorberatung
einer Verfassungsreform eingesetzt wurde. Die einzelnen Fraktionen stellten dabei unterschiedliche Lösungsansätze
vor, ohne zu einem Konsens zu kommen. Zur Diskussion stehen unter anderem die Schaffung eines Drei-Säulen-
Modells mit genau festgelegten Bundes- und Länderkompetenzen sowie einem gemischten Kompetenzbereich sowie
die vollständige Übertragung der Gesetzgebung an den Bund. Vertreter des Bundesrats mahnten parteiübergreifend
eine Aufwertung der Länderkammer ein.
Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss durch Abgeordneten Dr. Wittmann (S), der namens seiner Fraktion ein
Kompetenzverteilungsmodell mit drei Säulen präsentierte. Demnach sollen sowohl dem Bund als auch den
Ländern klare Kompetenzen zugeordnet werden, wobei die SPÖ alle "wirtschaftsnahen Kompetenzen"
beim Bund zusammengeführt haben will. In einer - kleinen - dritten Säule sollen sowohl die Länder
als auch der Bund Regelungen treffen können.
F-Klubobmann Herbert Scheibner bezeichnete es als "sauberste und sinnhafteste Lösung", die Gesetzgebung
zu hundert Prozent beim Bund anzusiedeln und die Vollziehung den Ländern - unter der Kontrolle der Landtage
- zu übertragen. Gleichzeitig müsste der Bundesrat "echte" Mitwirkungsbefugnisse bei der Bundesgesetzgebung
erhalten. Scheibner bezweifelte jedoch, dass dieser Vorschlag konsensfähig ist.
Sollte es zu einem Drei-Säulen-Modell kommen, schlagen die Freiheitlichen Scheibner zufolge als dritte Säule
eine Art bundeseinheitliche Landesgesetzgebung durch den Bundesrat vor. Damit sollen einheitliche Regelungen in
allen neun Bundesländern, etwa im Bereich des Baurechts, erreicht werden. In Bezug auf das Drei-Säulen-Modell
der SPÖ zeigte sich Scheibner skeptisch.
Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) wandte sich dem gegenüber ausdrücklich dagegen, die Gesetzgebung
ausschließlich beim Bund anzusiedeln. Die ÖVP sei vielmehr für abgerundete Kompetenztatbestände
und für klare politische Verantwortlichkeiten, betonte sie.
Der Vorschlag der ÖVP basiert ebenfalls auf einem Drei-Säulen-Modell, wobei die Länderkompetenzen
umfangreicher ausgestaltet sind als im SPÖ-Vorschlag. Zudem will die ÖVP in der Verfassung nur breite
Kompetenzbereiche verankern und einzelne Regelungsmaterien mittels eines einfachen Bundesgesetzes (Kompetenzzuordnungsgesetz)
zuordnen. Generell sprach sich Baumgartner-Gabitzer dafür aus, die Länder durch den Bundesrat besser
in die Gesetzgebung einzubinden.
Abgeordnete Terezija Stoisits (G) führte aus, ihre Fraktion könnte am ehesten noch jenem Vorschlag zustimmen,
den die SPÖ am Ende des Konvents vorgelegt habe. "Schlichtweg überhaupt nichts abgewinnen"
könne sie hingegen dem Vorschlag der ÖVP, der im Vergleich zum Status quo noch weniger Bundeskompetenzen
und mehr Länderkompetenzen vorsehe, sagte sie. Insbesondere auf ökologischem und sozialem Gebiet erachtet
Stoisits bundeseinheitliche Regelungen für erforderlich.
Was den Bundesrat betrifft, sieht Stoisits Reformnotwendigkeiten. Derzeit sei der Bundesrat ein Abbild des politischen
Parteiensystems, konstatierte sie. Stoisits zufolge muss es allerdings auch in Zukunft eine strikte Trennung zwischen
Exekutive und Legislative geben. Ein Vetorecht der Landeshauptleute gegen Bundesgesetze kann sie sich nicht vorstellen.
Für Bundesrat Albrecht Konecny (S) ist es eine zentrale Frage, wie innovativ die neue Verfassung sein solle.
Er teile zwar den Vorschlag des Freiheitlichen Klubs nicht, dieser sei aber zumindest der Versuch einer anderen
Vorgangsweise, erklärte er. Die Bedenken von Abgeordneter Stoisits hinsichtlich der Trennung zwischen Legislative
und Exekutive wurden von ihm geteilt. Bedauern äußerte Konecny darüber, dass der Nationalrat Vorschläge
des Bundesrats, die auf ein Stellungnahmerecht im Gesetzwerdungsprozess abzielen, noch nicht einmal in Verhandlung
genommen habe.
Abgeordneter Roderich Regler (V) verteidigte den Kompetenzverteilungsvorschlag der ÖVP und betonte, es gehe
dabei nicht darum, dem Bund Kompetenzen wegzunehmen, sondern die Kompetenztatbestände abzurunden. Auch auf
nationaler Ebene müsse das Subsidiaritätsprinzip gelten, mahnte er. Die Zusammensetzung des Bundesrats
soll Regler zufolge in der geltenden Form bestehen bleiben, gleichzeitig trat er auch für eine Beibehaltung
der Landesparlamente ein. Diese seien identitätsstiftend.
Alfred Schramm, Experte des Freiheitlichen Parlamentsklubs, bekräftigte, wenn man das föderale System
beibehalten wolle, müssten die Interessen der Länder in der neuen Verfassung berücksichtigt werden.
Seiner Meinung nach gibt es aber in allen föderalen Systemen eine Zentralisierungstendenz, die nicht zuletzt
durch Entscheidungen der jeweiligen Höchstgerichte forciert werden. Schramm verwies in diesem Zusammenhang
auf Entscheidungen des amerikanischen Supreme Court und des EuGH, der, wie er meinte, noch nie zugunsten des Subsidiaritätsprinzips
entschieden habe. Auch der österreichische Verfassungsgerichtshof neigt ihm zufolge zu Entscheidungen zugunsten
des Bundes. Als einzigen Ausweg sieht Schramm daher eine stärkere Einbindung der Länder in die Bundesgesetzgebung.
Bundesrat Peter Mitterer ortet, wie er sagte, ein breites Einvernehmen darüber, den Bundesrat nicht abzuschaffen
und seine Rechte auszuweiten. Er selbst plädierte dafür, den Bundesrat vorzeitig in die Bundesgesetzgebung
einzubinden, dann könne in einigen Bereichen auch das Einspruchsrecht entfallen. Mitterer trat darüber
hinaus dafür ein, den Bundesrat aus Landtagsabgeordneten zusammenzusetzen, und statt der halbjährlichen
Rotation im Vorsitz eine jährliche Rotation vorzusehen.
Bundesratsvizepräsident Jürgen Weiss (V) machte geltend, dass der Vorschlag der ÖVP zur Kompetenzverteilung
den Vorschlägen der Länder am nächsten komme. Seiner Ansicht nach hängt die Bereitschaft der
Länder zur Beweglichkeit in Fragen der Kompetenzzuteilung eng damit zusammen, welche Mitwirkungsmöglichkeiten
sie künftig bei der Bundesgesetzgebung haben werden. Ob die Länder ihre Landeshauptleute in den Bundesrat
entsenden, hänge schon jetzt von den Ländern selbst ab, sagte Weiss.
Bundesrat Stefan Schennach (G) erklärte, die Mitglieder des Bundesrats seien mit zwei "Unerträglichkeiten"
konfrontiert. Die eine davon - "eine völlig versteinerte Geschäftsordnung" - sei hausgemacht,
die andere betreffe die Verfassung. Es sei "alles andere als sinnvoll", am Ende des Gesetzwerdungsprozesses
"in einer Sackgasse zu sitzen" und dann nur noch ja oder nein sagen zu können, skizzierte er. Geht
es nach Schennach, soll der Bundesrat Materien, die Länderinteressen berühren, rechtzeitig von sich aus
auf die Tagesordnung stellen, auch bevor sich der Nationalrat mit dem Thema befasst. "Gar nichts" hält
er von Vorschlägen, die Mitglieder des Bundesrates als eine Art Senatoren direkt wählen zu lassen.
Rudolf Thienel, von der ÖVP nominierter Verfassungsexperte, wies auf derzeit bestehende Abgrenzungsprobleme
bei den Kompetenztatbeständen hin und gab zu bedenken, dass diese Probleme bestehen blieben, sollte das von
der SPÖ vorgeschlagene Drei-Säulen-Modell umgesetzt werden. Das ÖVP-Modell mit den abgerundeten
Kompetenzbereichen scheine ihm hier innovativer zu sein, unterstrich er. Er vermisst im ÖVP-Papier allerdings
eine "Subsidiarkompetenz" für nicht erfasste Bereiche, ohne die man seiner Auffassung nach nicht
auskommen wird. Thienel schlug vor, den SPÖ- und den ÖVP-Vorschlag, die beide ihre "Meriten"
hätten, miteinander zu kombinieren.
SPÖ-Verfassungsexperte Johannes Schnizer teilte die Meinung von Alfred Schramm nicht, wonach der Verfassungsgerichtshof
in seinen Entscheidungen Zentralisierungstendenzen zeige. Für ihn ist Föderalismus, wie er in Anlehnung
an die Aussage eines Verfassungsrechtlers im Österreich-Konvent sagte, "etwas für das Gemüt".
Es sei eine politische Abwägung zwischen dem Erfordernis eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets und dem Wunsch
nach bürgernahen Entscheidungen notwendig, erklärte er. Nicht vorstellen kann sich Schnizer die Zuordnung
von Kompetenzen mit einfachen Mehrheiten im Parlament, wie dies das von der ÖVP vorgeschlagene Kompetenzzuordnungsgesetz
vorsieht.
Peter Böhm, langjähriger Fraktionsvorsitzender der Freiheitlichen Bundesratsfraktion, unterstrich, der
Bundesrat sei demokratiepolitisch und aufgrund des bundesstaatlichen Prinzips unverzichtbar. Seiner Meinung nach
ist der Bundesrat bereits heute "gar nicht so zahnlos", wie es den Anschein habe, in der Realität
würde aber stets nach parteipolitischen Kriterien entschieden. Böhm erachtet es für notwendig, den
Bundesrat in einem früheren Stadium in die Gesetzwerdung einzubinden, ihm ein differenzierteres Abstimmungsverhalten
zu ermöglichen und ihm in wichtigen Bereichen wie etwa dem Finanzausgleich ein echtes Vetorecht zu geben.
Eine Einbindung des Landeshauptleute in den Bundesrat würde Böhm, wie er sagte, für durchaus sinnvoll
erachten, auch wenn dies im Sinne der reinen Lehre der Gewaltentrennung nicht optimal wäre.
Karl Lengheimer, Niederösterreichischer Landtagsdirektor und Klubexperte der ÖVP, machte geltend, dass
jede Tendenz zur Zentralisierung einen Gegendruck erzeuge. Das zeigt sich ihm zufolge etwa auch auf EU-Ebene. Lengheimer
plädierte dafür, die Kompetenzverteilung flexibel zu gestalten, konkrete Kompetenzzuordnungen aber nicht
der Judikatur zu überlassen, sondern dem Gesetzgeber vorzubehalten. |
Opposition sieht bei Haushaltsrechtsreform noch Adaptierungsbedarf
In einer zweiten Diskussionsrunde befassten sich die Abgeordneten mit der Finanzverfassung. Abgeordneter Peter
Wittmann (S) ging auf die geplante große Haushaltsrechtsreform ein und betonte, er wolle den Verhandlungen
im Verfassungsausschuss nicht vorgreifen. Die SPÖ unterstütze aber grundsätzlich die Möglichkeit
der Erstellung von Globalbudgets und die Verankerung des Prinzips Gender Budgeting. Ihm zufolge sind aber noch
Detailfragen zu klären. Es dürfe nicht zu einer Selbstaufgabe des Parlaments bei den Mitwirkungsrechten
und einer Allmacht des Finanzministers kommen, warnte Wittmann.
Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) sprach sich dafür aus, die Komplexität der Finanzverfassung
zu reduzieren und die diesbezüglichen Bestimmungen in die Bundesverfassung zu inkorporieren. Ihre Fraktion
halte zudem viel davon, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht und nachhaltig geordnete Haushalte als Zielbestimmungen
aufzunehmen, skizzierte sie. Das gleiche gelte für das Prinzip Gender Budgeting.
Bruno Rossmann, Ausschussexperte der Grünen, führte aus, die geplante große Haushaltsrechtsreform
gehe im Prinzip in die richtige Richtung und könne grundsätzlich auch von den Grünen mitgetragen
werden. Er erachtet wie die SPÖ aber noch Änderungen im Detail für erforderlich. Für Rossmann
wäre es beispielsweise wesentlich, dass die neuen Haushaltsbestimmungen nicht nur auf Bundesebene eingeführt
werden, sondern auch für Länder und Gemeinden gelten. Als ausdrücklich positiv hob er die Verankerung
des Prinzips Gender Budgeting hervor. Die Grünen hätten grundsätzlich auch nichts dagegen, als Ziel
nachhaltig geordnete Haushalte zu verankern, sagte Rossmann, der Zusatz "über den Konjunkturzyklus"
sei aber zu unbestimmt.
F-Klubobmann Herbert Scheibner trat für eine Vereinfachung der Finanzverfassung und deren Inkorporierung in
die Bundes-Verfassung ein. Gleichzeitig wertete er den Beschluss von Globalbudgets im Sinne von mehr Flexibilität
für sinnvoll. Was den Finanzausgleich betrifft, urgierte Scheibner eine Verhandlungsverpflichtung, gleichzeitig
müsste aber Vorsorge getroffen werden, wenn es zu keiner Einigung zwischen Bund und Ländern komme.
SPÖ-Verfassungsexperte Johannes Schnizer machte geltend, dass zur Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
nicht nur nachhaltig geordnete Haushalte, sondern etwa auch Vollbeschäftigung und Preisstabilität zählten.
Er wandte sich dagegen, einzelne Punkte hervorzuheben.
Der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, Vorsitzender des Österreich-Konvents, plädierte
dafür, das Ziel eines ausgeglichenen öffentlichen Haushalts ausdrücklich in die Verfassung aufzunehmen.
Auf den Zusatz "über den Konjunkturzyklus" soll man seiner Ansicht nach aber verzichten, weil dieser
rechtlich nicht bestimmbar sei.
Abgeordneter Roderich Regler (V) trat für eine Zusammenführung der Ausgaben- und Einnahmenverantwortung
aus. Seiner Meinung nach müssen überdies entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, sollte man sich
einmal auf keinen Finanzausgleich einigen.
Friedrich Slovak, Vertreter des Österreichischen Städtebundes, wies darauf hin, dass der Finanzausgleich
für Städte und Gemeinden von immenser Bedeutung sei. Die Städte und Gemeinden wollten wegkommen
von ihrer Position als Anhängsel der Länder, bekräftigte er. Slovak gab darüber hinaus zu bedenken,
dass Städte immer wieder von den Ländern zur Vollziehung neuer gesetzlicher Bestimmungen herangezogen
würden, ohne dass sie die Möglichkeit hätten, die Kosten dafür geltend zu machen.
Bei seiner nächsten Sitzung wird sich der Besondere Ausschuss des Nationalrats mit dem Thema "Demokratische
Kontrolle" befassen. |