Grüne: Gesetz ist umwelt- und wirtschaftspolitisch kontraproduktiv
Wien (pk) - Nach massiver Kritik der Grünen und kritischen Äußerungen der F-Abgeordneten
Rosenkranz und Scheuch hat der Nationalrat am 23. 05. mit breiter Mehrheit die Novelle zum Ökostrom-Gesetz
beschlossen. Unter einem wurden mit dieser Vorlage das Energie-Versorgungssicherheitsgesetz und die Änderung
des Versorgungssicherheitsgesetz debattiert.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) übte heftige Kritik an der in Aussicht genommenen Novellierung des Ökostromgesetzes.
Unter anderem bemängelte er die Reduzierung von Förderungen und die seiner Meinung nach "lachhaften"
Fördermittel für Photovoltaik-Anlagen. Mit der Ökostromgesetz-Novelle setzten die Koalitionsparteien
und die SPÖ Arbeitsplätze aufs Spiel, warnte er. Zudem ist die Gesetzesnovelle seiner Meinung nach eine
Einladung für zusätzliche Atomstromimporte nach Österreich.
Dass die Gesetzesnovelle nicht nur, wie Van der Bellen meinte, umweltpolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch
kontraproduktiv sei, begründete er mit der Erwartung, dass der Markt für erneuerbare Energie in den nächsten
Jahren vergleichbar mit dem IT-Markt in den achtziger- und neunziger Jahren boomen werde. Für ihn ist es etwa
nicht vorstellbar, dass China und Indien ihr derzeitiges Wirtschaftswachstum auf Dauer beibehalten könnten,
wenn sie weiter auf die "Energiepolitik des 20. Jahrhunderts" setzten.
Die Regierungsparteien verabsäumten es aber, Anlagen zur Erzeugung von Ökostrom sowie energiesparende
und auf Energieeffizienz ausgerichtete Techniken zu fördern, klagte Van der Bellen. Zur Untermauerung seiner
Argumentation wies er auf eine kleine Photovoltaik-Firma in Tirol hin, die vor drei Jahren vier Mitarbeiter hatte
und heute 180 Mitarbeiter beschäftigt, aber ausschließlich ins Ausland exportiert.
Darüber hinaus wies Van der Bellen darauf hin, dass durch die vorliegende Gesetzesnovelle Kleinverbraucher
zusätzlich belastet würden, während die Industrie entlastet werde. Auch die vorgesehene Zusatzförderung
für mittelgroße Wasserkraftwerke lehnte er mit dem Argument ab, dass eine ausgereifte Technologie keine
neuen Förderungen benötige. Aufmerksamkeit erregte ein von den Grünen neben dem Rednerpult platziertes
riesiges gelbes Fass mit einem aufgeklebten Radioaktivitäts-Symbol und der Aufschrift "Nein zu diesem
Umweltzerstörungsgesetz".
Abgeordneter KOPF (V) konstatierte, mit diesem Gesetz gelinge es, auch weiterhin erneuerbaren Energieträgern
Aufbaumöglichkeiten zu eröffnen und die Kosten für die Haushalte in einem erträglichen Ausmaß
zu halten. Österreich bewege sich damit im Spitzenfeld der europäischen Ökostromförderung.
Seinem Vorredner van der Bellen warf Kopf vor, Unrichtiges und Unwahres von sich gegeben zu haben. So stimme es
nicht, dass die Förderungen um 80 % gekürzt werden. Vielmehr werde das Fördervolumen bis 2011 auf
300 Mill. € angehoben. Auch gebe es im Gegensatz zu den Behauptungen der Grünen sehr wohl eine Abnahmegarantie,
und zwar für weitere zwölf Jahre, betonte Kopf.
Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) blieb bei der Hauptkritik ihrer Fraktion, wonach die Förderungen für
erneuerbare Energieträger gekürzt werden. Mit diesem Gesetz werde Ökostrom in Zukunft verhindert,
die Regierung verspiele damit eine Marktchance und öffne dem Import von Atomstrom Tür und Tor, stand
für Weinzinger fest.
Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) replizierte, sämtliche Argumente der Grünen würden sich auf die Regierungsvorlage
aus dem Jahr 2004 beziehen, der die SPÖ "nie und nimmer" zugestimmt hätte. In der Zwischenzeit
habe es aber intensive Verhandlungen gegeben, die SPÖ habe sich nicht von den Regierungsparteien über
den Tisch ziehen lassen. Es sei vielmehr gelungen, in einem Kompromiss das Gesetz wesentlich zu verbessern. Klar
war für den Redner überdies, dass die Förderung erneuerbarer Energie untrennbar mit der Förderung
der Energieeffizienz und des Energiesparens verbunden sei.
Bundesminister Dr. BARTENSTEIN widersprach ebenfalls den Grünen und unterstrich mit Nachdruck, es handle sich
nicht um eine Kürzung, sondern vielmehr um einen weiteren Anstieg der Förderungen. Das ungebremste Wachstum
der Ausgaben sei aber nun gebremst worden. Dieses Gesetz ermögliche es, Ökostrom weiter zu fördern
und dabei diese Technologie auch marktgerecht zu gestalten und die Kosten für die Haushalte in Grenzen zu
halten. Er warf den Grünen vor, bei ihrer Argumentation den Kostenfaktor der Alternativenergie für die
Haushalte ausgeklammert zu haben.
Abgeordneter Mag. KOGLER (G) gab zu bedenken, mit diesem Gesetz sei eine große Chance verspielt worden, zumal
durch den Ausbau des Ökostroms auch heimische Arbeitsplätze gefördert werden könnten.
Abgeordneter DI HOFMANN (F) erwartete sich von diesem Gesetz eine Anhebung des Ökostromanteils auf 10 % und
meinte, Österreich sei beim Ausbau der Ökoenergie richtungweisend in Europa. Angesichts der Kosten für
die Haushalte erachtetete es Hofmann als wichtig, die Mittel möglichste effizient einzusetzen. Die Argumente
der Grünen bezeichnete er als haltlos und wenig seriös.
Abgeordnete Dr. MOSER (G) kam auf die Atomkraft zu sprechen und forderte in einem Entschließungsantrag Verhandlungen
mit Tschechien mit dem Ziel, die Sicherheitsmängel im AKW Temelin zu beheben beziehungsweise das AKW stillzulegen.
Weiters drängte sie auf Initiativen Österreichs gegen die Errichtung grenznaher AKW.
Abgeordneter KOPF (V) brachte einen V-F-S-Abänderungsantrag ein, der unter anderem eine EU-konforme Gestaltung
des Aufbringungsmechanismus für die Förderungen zum Gegenstand hatte.
Abgeordneter KRAINER (S) rechnete aufgrund dieses Gesetzes mit 5.000 neuen Arbeitsplätzen und meinte überdies,
es sei dem Verhandlungserfolg der SPÖ zu verdanken, dass nun wieder Geld für die Photovoltaik flüssig
sei, und dass die erneuerbare Energie insgesamt gegenüber der Regierungsvorlage wesentlich angehoben werden
konnte.
Abgeordnete ROSENKRANZ (F) kritisierte, dieses Gesetz sei nicht geeignet, die Energieautarkie Österreichs
sicherzustellen. Sollte es nun zur geplanten Fusion der ÖMV mit der Verbundgesellschaft kommen, dann sei auch
die Verfügungsgewalt über die heimische Wasserkraft nicht mehr gewährleistet.
Abgeordneter GRILLITSCH (V) forderte eine Gesamtstrategie für die Energiepolitik, die sowohl Umweltverträglichkeit,
Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, soziale Verträglichkeit und Innovation umfasst. Hinsichtlich innovativer
Neuerungen hätten sich Biomasse und nachwachsende Rohstoffe als besonders wichtig herausgestellt. Er, Grillitsch,
beschäftigte sich schon lange mit diesen Fragen, wie auch der Bauernbund und die ÖVP. Den Grünen
warf er vor, das Gesetz nicht seriös zu beurteilen. Die Anlagenbetreiber würden laut Grillitsch klare
Perspektiven brauchen, weshalb er eine baldige Vorlage der Tarifverordnung verlangte.
Abgeordneter STEIER (S) bezeichnete das Gesetz als einen Meilenstein, wenn es auch einen Kompromiss darstelle.
Seiner Ansicht nach werde man die Probleme sicherlich korrigieren können. Für den Ökostrom werde
mehr Geld ausgegeben, hielt Steier fest. Der Energiemarkt sei großen Veränderungen unterworfen und die
Energiepolitik habe sowohl die Interessen der Umwelt als auch der Menschen und der Konsumenten zu berücksichtigen,
gleichzeitig aber auch den Ansprüchen der Ökologie zu genügen.
Abgeordneter DI SCHEUCH (F) bewertete das Gesetz grundsätzlich positiv. Erneuerbare Energiegewinnung habe
unter schwierigen Voraussetzungen zu bestehen, da man auch sozial verträgliche Preise garantieren müsse.
Das gelinge mit dem Ökostromgesetz, so Scheuch. Er betonte, dass in bestehende Projekte nicht eingegriffen
werde. Seiner Meinung nach werde der Windenergie jedoch ein zu hoher Anteil zugewiesen. Kritik übte Scheuch
an den seiner Auffassung nach negativen Auswirkungen für bäuerliche Betriebe. Für diese bedeute
das Gesetz eine wesentliche Verschlechterung, weshalb er nicht zustimmen werde.
Für Abgeordneten PREINEDER (V) war bereits das Ökostromgesetz 2002 ein voller Erfolg. Der Anteil der
Haushalte, die mit erneuerbarer Energie versorgt werden, habe rasch auf 7 % erhöht werden können. Es
sei daher wichtig, den beschrittenen Weg fortzusetzen und klare Planungsmöglichkeiten für neue Anlagen
zu schaffen. Hinsichtlich der Stromproduktion sei man mit dem Gesetz gut unterwegs.
Auch Abgeordneter EDER (S) äußerte sich zufrieden über das Gesetz, fügte aber hinzu, dass
man auf das Energiesparen nicht vergessen dürfe. Eder versuchte, die Auswirkungen des Gesetzes in Hinblick
auf das Biogas zu erläutern, und wies darauf hin, dass weitere fünfzig Betriebe gefördert werden
können. Biogas könne auch in die Erdgasleitungen eingespeist und damit bis zum Kraftfahrzeug transportiert
werden. Von Stadtverwaltungen würden auch Pilotprojekte für die Müllabfuhr entwickelt und auch mit
Polizei und Taxiunternehmen sei man bereits in Verhandlung, so die positive Einschätzung Eders.
Abgeordneter ZWEYTICK (V) hielt fest, dass das Ökostromgesetz Planungs- und Rechtssicherheit bringe und fünfzig
neue Biogasanlagen sowie vierzig neue Biomasseanlagen und vierzig neue Windräder ermögliche. Insgesamt
stellte er eine erfreuliche Entwicklung des Ökostroms in Österreich fest und zeigte kein Verständnis
für die Haltung der Grünen sowie von Abgeordnetem Scheuch.
Auch wenn das Gesetz nicht das Gelbe vom Ei sei, sei es dennoch ein gutes Gesetz, meinte Abgeordneter MARIZZI (S).
Er unterstrich die Notwendigkeit des Energiesparens und rechnete vor, dass allein das Standby bei den Computern
die Energie eines Kraftwerks benötige. Die Wasserkraft hielt er für eine Zukunftstechnologie, denn mit
60 % Wirkungsgrad sei sie der Photovoltaik mit 25 % Wirkungsgrad weit überlegen.
Abgeordneter HORNEK (V) gab zu bedenken, dass für die Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit die Situation
des weltweiten Energiemarktes relevant sei. Deswegen müsse der Ökostrom unterstützt werden, der
sich mittlerweile zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt habe. Er gebe bereits 5.400 Menschen Arbeit.
Die Photovoltaik hält Hornek noch lange nicht für konkurrenzfähig.
Herbe Kritik an der Energiepolitik der ÖVP übte Abgeordneter Mag. MOSER (S). Die ÖVP stelle seit
zwanzig Jahren den Energieminister und sei nicht in der Lage gewesen, eine Gesamtstrategie zu erstellen. Die Versorgungssicherheit
in Österreich habe abgenommen, die Produktion sei zurückgegangen und der Leitungsbau liege in Agonie,
so die Analyse Mosers. Die steirische Stromversorgung hänge bereits jetzt an einem seidenen Faden, sagte er,
das Kartenhaus Stromliberalisierung sei zusammengebrochen und die Vorteile habe nur der Finanzminister lukriert.
Österreich sei von einem Stromexporteur zu einem Stromimporteur geworden.
Bei der Abstimmung wurde die Novelle zum Ökostromgesetz, zum Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz
sowie zum Energie-Regulierungsbehördengesetz unter Berücksichtigung eines Zusatz- bzw. Abänderungsantrages
mit der verfassungsmäßigen Zwei-Drittel-Mehrheit von ÖVP, SPÖ und von F-BZÖ-MandatarInnen
mehrheitlich angenommen. Der Rückverweisungsantrag der Grünen wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ
und F-BZÖ mehrheitlich abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Stilllegung des AKW Temelin und Ökostrom statt Atomstrom
wurde mehrheitlich abgelehnt.
Das Energie-Versorgungssicherheitsgesetz 2006 wurde unter Berücksichtigung eines Zusatz- und Abänderungsantrags
sowie einer Druckfehlerberichtigung einstimmig beschlossen.
Ebenso einstimmig passierte die Novelle zum Versorgungssicherheitsgesetz den Nationalrat. |