Rauch-Kallat: Einkommensschere schließen
Brüssel (bmgf) - Die EU-Staaten haben sich auf die Schaffung eines neuen europäischen Instituts
für Gleichbehandlung geeinigt. Die Mitgliedsländer werden am 1. und 2. Juni am Beschäftigungs- rat
in Brüssel die neue Stelle einstimmig absegnen, erklärte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat in
Brüssel. Das neue Institut wird europaweite Analysen über die Gleichstellung von Frauen und Männern
durchführen - etwa was die nach wie vor bestehenden signifikanten Einkommensunterschiede, die Karriere-Chancen
für Frauen, die Erleichterung der Rückkehr in den Job nach der Karenz und die generelle Vereinbarkeit
von Beruf und Familie betrifft. Wo erforderlich wird das Expertengremium EU-weite Gesetzesreformen vorschlagen.
Das Budget für die neue Stelle beträgt 52 Millionen Euro. Das EU-Parlament hatte dem Vorschlag bereits
im März mit 362 gegen 263 Stimmen zugestimmt.
Frauenbeschäftigungsquote bei 61 Prozent
Die EU-Kommission legt ihr Hauptaugenmerk derzeit vor allem auf die Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern.
Frauen verdienen in Österreich im Durchschnitt laut Eurostat-Daten immer noch um 18 Prozent weniger als Männer,
in Deutschland liegt der Unterschied sogar bei 23 Prozent, im EU-Mittel bei 15 Prozent. Einen Knick in der Einkommensentwicklung
von Frauen gibt es in Folge von Babypausen und den Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg vor allem in der Altersgruppe
der 30- bis 29-Jährigen, beklagte Rauch-Kallat. Die Maßnahmen sollen auch die Beschäftigungsrate
der Frauen erhöhen. Nach den Lissabon-Zielen für Wachstum und Beschäftigung sollen gegenüber
heute 55 Prozent bis 2010 rund 60 Prozent der Frauen in der EU einen Job haben. In Österreich liegt die Frauenbeschäftigungsquote
bereits bei 61 Prozent.
EU-Fahrplan zur Geschlechtergleichstellung
Der Fahrplan der Europäischen Kommission sieht für das Erreichen der Geschlechtergleichstellung
2006 bis 2010 folgende Schwerpunkte vor:
* Gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer;
* Vereinbarung von Privat- und Berufsleben;
* gleiche Teilnahme an Entscheidungen;
* Eliminierung von geschlechtsbasierter Gewalt und von Menschenhandel;
* Eliminierung von Geschlechterstereotypen;
* Förderung der Gleichstellung der Geschlechter außerhalb der EU und in der
Entwicklungspolitik. |
Weinzinger: Österreich ist Schlusslicht bei Verringerung der Einkommensschere
Wien (grüne) - "Die EU-Studie über Lohngleichstellung der Geschlechter belegt einmal
mehr, dass in Österreich die Unterscheide zwischen durchschnittlichen Fraueneinkommen und durchschnittlichen
Männereinkommen bei allen vergleichbaren Ländern innerhalb der EU-15 am größten sind",
kritisiert die Frauensprecherin der Grünen, Brigid Weinzinger, und weiter: "Darüber hinaus wachsen
in Österreich als einzigem Land neben Portugal die Unterscheide weiter anstatt zu sinken." Weinzinger
verweist ergänzend darauf, dass im vergangenem Jahr bereits im Global Competitive Report des Weltwirtschaftsforums
Österreich überhaupt nur den letzten Platz unter 102 Staaten in Sachen Einkommensgerechtigkeit erreicht.
"Die Forderungen nach einem Mindestlohn, von dem in erster Linie Frauen profitieren werden, und danach, dass
der Trend von prekären und Teilzeitbeschäftigungen für Frauen endlich gebrochen werden muss, sind
notwendiger denn je. Eine dritte notwendige Maßnahme stellt die Bindung der Wirtschaftsförderung an
eine Gleichbehandlungsbilanz dar, bei der gerechte Einkommen von Männern und Frauen ein Schlüsselkriterium
sind", fordert Weinzinger in Richtung Bundesregierung. |
Tumpel: Einkommensschere geht auch auf Teilzeit zurück
Wien (ak) - Die anhaltend hohe Einkommensschere zwischen Männern und Frauen in Österreich
ist zu einem hohen Anteil auf die stark steigende Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen. "Um
die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern zu schließen, müssen die Nachteile von Teilzeitbeschäftigung
beseitigt werden und muss dem rasanten Anstieg von Teilzeitarbeit gegengesteuert werden", sagt AK Präsident
Herbert Tumpel anläßlich der in Brüssel stattgefundenen Konferenz "Schließen der Einkommensschere".
Der AK Präsident fordert insbesondere die Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze und das Schließen
der Lücken in der Kinderbetreuung, damit Frauen überhaupt leichter eine Beschäftigung aufnehmen
und auch in einem höheren Arbeitszeitumfang erwerbstätig sein können.
EU-Datenbank sieht Österreich im Vormarsch 1995 lag die Teilzeitquote bei österreichischen Frauen und
Männern noch unter dem EU-Schnitt. In diesem Jahr lag die Teilzeitquote für Männer in Österreich
bei vier, im EU 15-Schnitt bei knapp sechs Prozent. 2005 betrugen die Männer-Quoten in Österreich 5,2
und im EU 15-Schnitt 7,7 Prozent. Anders verhält sich das bei den Frauen. 1995 lag die Teilzeitquote bei Frauen
in Österreich bei 26,9 und im EU-Schnitt bei 31,3 Prozent. 2005 hatte sich das Bild völlig gedreht. Die
Frauen-Teilzeitquote betrug in Österreich 39 und im EU-Schnitt 36,5 Prozent. Damit lag 2005 die Teilzeitquote
bei den österreichischen Frauen deutlich über dem EU-Schnitt. Die Geschlechterschere bei der Teilzeit
ist also in Österreich weiter aufgegangen. (Quelle: New Cronos EU-Datenbank)
Nachteile für Teilzeitbeschäftigte Die Brutto-Stundenlöhne von Teilzeitbeschäftigten liegen
deutlich unter jenen von Vollzeitbeschäftigten. Grund dafür ist, dass Teilzeitbeschäftigte überdurchschnittlich
oft in weniger qualifizierten Tätigkeiten beschäftigt. Das trifft besonders die Frauen. Nur jede zehnte
teilzeitbeschäftigte Frau übt eine höhere oder eine Führungstätigkeit aus. Bei den vollzeitbeschäftigten
Frauen ist es jede immerhin vierte. (Quelle: Mikrozensus 2003, Statistik Austria)
Die Forderungen der AK:
- Schaffung von existenzsichernden Arbeitsplätzen
- Schließen der Lücke in der Kinderbetreuung. Um die 90.000 überhaupt fehlenden bzw Defizite
bei den Öffnungszeiten aufweisenden Betreuungsplätze, sind im ersten Jahr 288 Millionen Euro und für
die weiteren Jahre 240 Millionen erforderlich. Erst damit wird es für viele Frauen leichter, überhaupt
eine Beschäftigung aufzunehmen bzw in einem höheren Arbeitszeitumfang erwerbstätig zu sein.
- Für die Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten sind verpflichtende Zuschläge einzuführen,
damit der Anreiz für Unternehmen sinkt, Teilzeitarbeitskräfte als billige Arbeitszeitpuffer einzusetzen
und weiter Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeitplätze aufzusplittern.
- Teilzeitarbeitskräfte sollen einen Anspruch darauf erhalten, bei der Neubesetzung von Stellen mit einem
höheren Arbeitszeitausmaß (bis hin zu Vollzeitarbeit) vorgezogen zu werden. Außerdem sollen Teilzeitbeschäftigte
bei der betrieblichen Karriereplanung einbezogen werden.
- Der Anspruch auf Elternteilzeit muss für alle Mütter und Väter unabhängig von Betriebsgröße
und -zugehörigkeit ein selbstverständliches Recht werden. Damit kann Teilzeitarbeit vom Nimbus des Geringerwertigen,
Prekären befreit werden und kann freiwillige, nicht benachteiligte Teilzeitarbeit auch in höheren Qualifikations-
und Einkommensbereichen entstehen.
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