Neuer BZÖ-Obmann / Regierungsumbildung / Wahl im Frühherbst?
Seit Monaten schon ist ein Thema in der heimischen Innenpolitik immer wieder am Tapet: Wie lange wird die derzeitige
Koalitionsregierung zwischen ÖVP und BZÖ halten und wie wird letzteres bei der im Herbst notwendigen
Nationalratswahl abschneiden. Bis vor einigen Wochen schien die Koalition - zumindest nach außen hin - meist
einig, Erfolge wurden, wenn auch nicht mit allzu großer Begeisterung, "gemeinsam" vermarktet. Ansprüche
auf Urheberschaft dieser Erfolge müssen aber naturgemäß sukzessive lauter werden, je mehr es gilt,
das eigene Profil für die Wählerschaft zu schärfen. Ein Dilemma, vor dem jede zusammengesetzte Regierung
früher oder später steht, wenn es gilt, vor allem der eigenen Klientel zu beweisen, wie richtig es gewesen
sei, dem "Lager" treu geblieben zu sein. Und das bringt unweigerlich Sand ins Getriebe, die Opposition,
selbst auf dem Sprung (oft zurück) in die Regierungsverantwortung, sorgt dafür, daß das Knirschen
im Getriebe auch von jedermann im Lande gehört wird.
Über weite Strecken während Österreichs EU-Präsidentschaft war von einem "ziemlich wahrscheinlichen"
Wahltermin im November zu hören, man wolle schließlich bis zuletzt arbeiten, "die Ernte" der
guten Arbeit auch gemeinsam einfahren und, hier läßt die Gemeinsamkeit schon etwas nach, nach der geschlagenen
Wahl die langfristigen Ziele weiterzuverfolgen. Das wird aber umso schwieriger, als - zumindest nach derzeitiger
Betrachtung - der kleinere Regierungspartner BZÖ in der Wählergunst an letzter Stelle rangiert. Aktuellen
Umfragen zufolge ("Sonntagsfrage") kommt das BZÖ auf nur rund 3 Prozent der Wählerstimmen,
4 sind aber die magische Grenze für den Einzug ins Parlament. OGM hat für die Zeitschrift "profil"
auch erhoben, daß die ÖVP auf 39, die SPÖ auf 37, die Grünen auf 11 und die FPÖ auf 9
Prozent kommen würden, wobei die ÖVP - im Vergleich zu vor vier Wochen - einen Prozentpunkt zugelegt,
SPÖ und FPÖ je einen verloren haben. Bei der "Kanzlerfrage" ("würde ihn direkt wählen,
wenn dies ginge") konnte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer übrigens zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent zulegen,
Bundeskanzler ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel liegt unverändert mit 30 Prozent in Führung.
Es überrascht also nicht, daß das BZÖ zunehmend auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner steuert,
um die eigene Wählerschaft von der Leistungs- und vor allem Umsetzungskraft zu überzeugen. Auf der Suche
nach einem geeigneten Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl ist das BZÖ in einem ehemaligen Mitstreiter
fündig geworden, der 2002 nach der "Knittelfeld-Affäre" der Politik den Rücken zugekehrt
hatte (und keinesfalls mehr zurückwollte): im früheren FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler. Und das
bringt stärkere Spannung zur ÖVP als bisher, denn Westenthaler braucht, um seiner Funktion entsprechenden
Stellenwert in der Öffentlichkeit zu erlangen, eine Funktion in der Bundesregierung. Die Funktion des Vizekanzlers,
so heißt es, würde für ihn angepeilt. Der heißt derzeit Hubert Gorbach, hat aber vor geraumer
Zeit schon erklärt, er würde später wieder in die Privatwirtschaft zurückkehren. Wäre
also eine einfache Lösung für das Bündnis, hätte da Bundeskanzler Schüssel nicht mit einem
knappen "nein, keine Regierungsumbildung", reagiert. Nun pocht der Regierungspartner auf das Recht, "seine"
Regierungsmannschaft selbst aussuchen zu können. Man darf gespannt sein, wie die Kraftproben ausgehen werden.
Heftige Kritik übte Westenthaler bereits in seiner ersten Pressekonferenz an den anderen Parteien. Die SPÖ
sei im BAWAG-Sumpf versunken und nicht handlungsfähig, die ÖVP - als kleiner Vorgeschmack (siehe oben)
- sei nur mehr an der Macht interessiert. Die Grünen würden sich nur noch mit der Aussicht auf neue Posten
nach der Nationalratswahl beschäftigen, die FPÖ sei im rechten Eck gelandet und unter Strache in die
Bedeutungslosigkeit abgedriftet.
Sehr viel war von der ÖVP dazu noch nicht zu hören, einzig Generalsekretär Reinhold Lopatka erklärte,
es sei eine "innerparteiliche Entscheidung" des BZÖ, ihren Parteichef sowie Spitzenkandidaten für
die Nationalratswahl festzulegen. Westenthaler gelte als Politprofi und habe langjährige Erfahrung in der
Spitzenpolitik. Lopatka wünschte dem neuen BZÖ-Parteichef alles Gute für die neue Aufgabe und erklärte,
er gehe davon aus, dass die gute Zusammenarbeit in der Bundesregierung fortgesetzt werde.
Konkretes gibt es aus der SPÖ zu hören. Bundesgeschäftsführerin Doris Bures erklärte,
die schwarz-bunte Schüssel-Regierung sei nur mit sich selbst beschäftigt: alles drehe sich um die eigenen
Posten; die wichtigen Themen wie Beschäftigung, Gesundheit und Bildung seien dieser Regierung offensichtlich
egal. Was sich nun - wenige Monate vor der Nationalratswahl - in der Regierung Schüssel abspiele, sei symptomatisch
für deren sechsjährige Amtszeit, die von 15 Ablösen von Regierungsmitgliedern, zehn Regierungsumbildungen
und Postenschacher im großen Stil - von Forstinger über Haupt bis Reichhold - geprägt sei. Das
Beste wären ehestbaldige Neuwahlen, so Buresch, damit sich eine neue Regierung den Problemen der Menschen
in diesem Land annehmen könne.
FPÖ- Generalsekretär Bundesrat Harald Vilimsky stellte fest, Westenthaler sei ein Symbol für eine
Politik der Vergangenheit, eine Phase die, aus und vorbei sei und auch nicht mehr in die Gegenwart hineinpasse.
Er werde das drohende Aus für das BZÖ nicht verhindern können, vielleicht sogar noch beschleunigen.
Und wenn jemand, wie Westenthaler, die Regierungsarbeit koordinieren solle, dann sei schon jetzt klar, daß
diese Koalition erneut vor dem Bruch stehe und Septemberwahlen bevorstünden. Die FPÖ sei dafür gerüstet,
in ein Duell mit der uniformen Politik von SPÖ und ÖVP zu gehen. Westhentaler werde hier in einem Aufwasch
mitgenommen, sei er doch wie Haider längst zum ÖVP´ler mutiert.
Die Grünen fordern ein Veto von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gegen ein Aufrücken des designierten
BZÖ-Chefs Peter Westenthaler ins Vizekanzleramt. Bundessprecher Alexander Van der Bellen meinte, man könne
ja gleich den Volksanwalt Ewald Stadler zum Vizekanzler machen. Westenthaler habe seinerzeit als FPÖ-Politiker
immer unter die Gürtellinie geschlagen, wenn es leicht gegangen sei. Sollte der neue BZÖ-Frontmann jetzt
Vizekanzler Hubert Gorbach ablösen, wäre dies für Van der Bellen daher die endgültige Bankrott-Erklärung
für die ÖVP-Spitze. Akzeptiere der Bundeskanzler das doch, habe er als Repräsentant der Republik
endgültig abgedankt. mm |