Haushalte profitieren zu wenig von der Öffnung der Energiemärkte
Wien (pk) - Die Energie Control, die in Österreich den liberalisierten Strom- und Gasmarkt reguliert
und überwacht, hat kürzlich ihren Jahresbericht 2005 ( III-224 d.B.) vorgelegt. Er enthält erste
Ergebnisse laufender Marktanalysen europäischer und heimischer Energiemärkte. Das Fazit lautet: Die rechtlichen
Voraussetzungen für einen EU-Energiebinnenmarkt bestehen, er funktioniere aber noch nicht, weil die nationalen
Märkte unzureichend integriert seien und grenzüberschreitender Wettbewerb fehle. In Österreich ist
die Liberalisierung der Energiemärkte laut EU-Kommission zwar gut gelungen, Mängel bestehen aber auch
hier. Die Marktmacht etablierter Strom- und Gasunternehmen verhindere nach wie vor einen funktionierenden Wettbewerb.
Europäischer Energie-Binnenmarkt
Die europäischen Kunden klagen zu Recht über das schlechte Funktionieren des EU-Energiebinnenmarktes.
Das zeigen erste Ergebnisse einer Evaluierung der europäischen Strom- und Gasmärkte durch die EU-Kommission.
Die Marktöffnung ist bisher kein "Selbstläufer" in Richtung marktkonformer Energiepreise. Die
Marktkonzentration wurde kaum verringert, sondern durch Fusionen verstärkt. Das "Unbundling", die
Trennung von Produktion, Transport und Verteilung (sowie im Gasbereich der Speicherung) sei unzureichend. Daher
stehen nicht die Aktivitäten der Marktteilnehmer im Vordergrund, sondern Regulierung und Wettbewerbsaufsicht.
Um großen Unternehmen, die weiterhin bessere Marktinformationen als alternative Anbieter haben, den bestimmenden
Einfluss auf die Preisbildung zu nehmen, will die EU-Kommission einerseits die nationalen Märkte zusammenführen
und andererseits die grenzüberschreitenden Leitungskapazitäten auf 10 % des nationalen Bedarfs erhöhen.
Länder, die Richtlinien nicht umsetzen, müssen mit rechtlichen Schritten rechnen. Ihren Endbericht über
den Energie-Binnenmarkt hat die Kommission für Ende 2006 angekündigt.
Die Situation auf dem österreichischen Strommarkt
Wegen der Strompreiserhöhungen vom Herbst 2004 hat Bundesminister Bartenstein eine allgemeine Untersuchung
der österreichischen Elektrizitätswirtschaft durch die Bundeswettbewerbsbehörde in Kooperation mit
der E-Control angeregt. Einem Zwischenbericht ist zu entnehmen, dass der Preisanstieg alle Kundengruppen betraf,
wobei sich die Lieferanten auf Börsennotierungen bezogen.
Die Endkundenmärkte seien nach wie vor national, teilweise regional strukturiert, liest man im Bericht der
E-Control weiter. Märkte werden so abgegrenzt, dass ein allein auftretendes Unternehmen bei einer dauerhaften
Preiserhöhung mit einem höheren Profit rechnen kann. Lokale Anbieter haben innerhalb ihres Netzgebietes
mindestens bei Haushalts-, Kleingewerbe- und Landwirtschaftskunden eine Monopolstellung.
Deutlich anders ist die Situation bei Industriekunden. Auch hier wurden nur geringe Wechselzahlen festgestellt,
im Rahmen von Ausschreibungsverfahren erzwangen die Kunden aber letztlich das jeweils günstigste Angebot des
lokalen Anbieters. Gegenüber diesen Kunden reagieren lokale Anbieter bereits auf die Angebote der Wettbewerber
und halten ihre Kundschaft durch bessere Preisangebote.
Die E-Control weist die auf besonderen Verpflichtungen von Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung bei der
Sicherung des Wettbewerbs hin und kritisiert intransparente All-Inclusive-Preise, unangemessene Bindungsfristen,
Treuerabatte sowie Bündelungs- und Koppelungsgeschäfte.
Der heimische Gasmarkt
Im November 2004 hat sich die Bundeswettbewerbsbehörde entschlossen, in Kooperation mit der E-Control
und unter Einbindung des Bundeskartellanwalts eine allgemeine Untersuchung der österreichischen Erdgaswirtschaft
vorzunehmen. Dabei wurde festgestellt, dass All-Inclusive-Preise die Berechnung des reinen Energiepreises für
Endkunden schwierig bis unmöglich machen. Die OMV Gas und ihre Tochter EconGas habe auf fast allen Märkten,
auf denen sie tätig ist, eine marktbeherrschende Stellung. Bei Kleinkunden nehmen lokale Gasversorger diese
Rolle ein. Bei Großkunden ist Wettbewerbsdruck von Anbietern außerhalb der ehemaligen Versorgungsgebiete
erkennbar: Diese Märkte entsprechen jeweils den Regelzonen.
Als wesentliche Problemen bei der Wettbewerbsentwicklung werden langfristige Verträge identifiziert, die als
Markteintrittsbarrieren wirken. In der Regelzone Ost hat die OMV Gas bei der langfristigen Belieferung der Landesferngasgesellschaften
eine marktbeherrschende Stellung, die in Verbindung mit Abnahmeverpflichtungen (Take-or-Pay) zu einer Zementierung
der Marktstruktur führt. Das Problem besteht nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Eine wettbewerbsrechtliche
Beurteilung wird für den Endbericht angekündigt.
Der Wettbewerb auf dem Gasmarkt wird auch durch Barrieren für den Zugang zu kurzfristigen Märkten behindert.
Ein so genannter (Gashandels)Hub soll die Rahmenbedingungen für den kurzfristigen Handel verbessern. Seine
Entwicklung in Baumgarten schreite aber nur zögerlich voran, kritisiert die E-Control.
Um in Österreich mit Gas zu handeln, brauchen alternative Anbieter Zugang zu grenzüberschreitenden Leitungen.
Der Netzzugang wird derzeit verhandelt und ist nicht reguliert. Es ist für neue Anbieter schwierig, Transportrechte
auf den Transitleitungen zu erhalten. Dort bestehen oft langfristige Kapazitätsreservierungen zugunsten verbundener
Unternehmen der Leitungsbetreiber. Die EU-Kommission fordert daher in der "Beschleunigungsrichtlinie"
konsequenterweise einen regulierten Netzzugang für alle Gasnetze.
In den ersten beiden Jahren der Gasmarktliberalisierung haben nur 1,7 % der Gaskunden ihren Versorger gewechselt,
erfährt der Leser des E-Control-Jahresberichts 2005. Haushaltskunden wiesen eine Wechselquote von nur 1,6
% auf, obwohl der durchschnittliche Haushaltskunde durch einen Wechsel 10 % Einsparung lukrieren kann. Die E-Control
ortet beträchtliche Hemmnisse für einen Wechsel des Gas-Lieferanten. Die Unbundling-Vorschriften für
die vollständige Trennung zwischen Netz und Handel seien bisher nur auf dem Papier umgesetzt worden. Da Verstöße
gegen die Unbundling-Vorschriften mangels effektiver Sanktionsmittel nicht geahndet werden können, halten
die Regulatoren eine Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen für wünschenswert.
Treuerabatte und Bonussysteme schaffen "künstliche" Wechselkosten, die den Wechsel zu einem neuen
Lieferanten verteuern, klagt die E-Control. Dazu kommt die fehlende getrennte Ausweisung von Energie und Netz-Kosten,
die beim Kunden ein Informationsdefizit schafft, von dem etablierte Gasversorger profitieren - schlecht informierte
Kunden wechseln ihren Lieferanten weniger oft. Vorschläge für konkrete Maßnahmen werden auch beim
Thema "Mehr Wettbewerb auf den Gasmärkten" für den Endbericht in Aussicht gestellt, der voraussichtlich
im ersten Halbjahr 2006 erscheinen wird. |